Hertha nach dem Tod von Kay Bernstein:"Der Berliner Weg ist heilig"

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Herthas Präsident Kay Bernstein wurde nur 43 Jahre alt. Er starb völlig überraschend am vergangenen Dienstag. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Noch ist unklar, wer dem verstorbenen Kay Bernstein als Präsident folgen wird. Das jetzige Präsidium will bis zu den Neuwahlen im Herbst im Amt bleiben. Zugleich betont der Verein, den von Bernstein eingeschlagenen Kurs fortzusetzen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Kay Bernsteins Farben waren Blau und Weiß. Und er liebte es, von der Ehrentribüne auf die Ostkurve des Berliner Olympiastadions zu schauen, wo er selbst einmal als Vorsänger der Ultras gestanden hatte - als "Capo" der "Harlekins". An diesem Sonntag, beim Zweitliga-Heimspiel der Hertha gegen Fortuna Düsseldorf, wird alles anders sein. Kay Bernstein verstarb in der Nacht zum Dienstag, plötzlich und unerwartet. Im Alter von 43 Jahren. Und die Kurve, aus der er kam, wird Trauer tragen.

Die Anteilnahme war so enorm wie die Fassungslosigkeit und Stille, in die der Klub versank. Die für Freitag angesetzte Pressekonferenz mit Trainer Pal Dardai wurde kurzfristig abgesagt. Er stand aber für schriftliche Fragen zur Verfügung. Die vergangenen Tage seien ein "Schock für alle" gewesen, ließ er ausrichten: "Diese Nachricht hat uns alle schwer getroffen - auch die Spieler."

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Die Führung meldete sich ebenfalls am Freitag in einem vom Verein geführten TV-Interview zu Wort. Der 41-jährige Vizepräsident Fabian Drescher, der den Klub nun offiziell als Interimsvorsitzender anführt, und Geschäftsführer Thomas E. Herrich versprachen, dass der von Bernstein proklamierte "Berliner Weg" fortgesetzt werde. Das sei "kein Vermächtnis, sondern ein Auftrag", betonte Herrich. "Der Berliner Weg ist heilig", erklärte auch Dardai: "Er ist das Herz des Vereins. Es ist unsere Aufgabe, ihn weiterzugehen - mit den Fans, der Mannschaft, der Akademie, den Mitarbeitenden, mit dem gesamten Verein."

Geklärt werden muss auch die Zukunft von Geschäftsführer Thomas E. Herrich

Was die (auch der finanziellen Not geschuldete) Besinnung auf die Förderung von Fußballtalenten aus dem eigenen Nachwuchs betrifft, dürfte der "Berliner Weg" bei Hertha auf unabsehbare Zeit unumstritten sein. Die sportliche Stabilität, die sich nach schwerem Start in die zweite Liga eingestellt hat, ist vielen Herthanern, die der ständigen risikoreichen Wetten auf die Zukunft überdrüssig waren, einstweilen genug. Hertha geht als Tabellensiebter in die Rückrunde, die Alte Dame liegt zehn Punkte hinter Tabellenführer Holstein Kiel und sechs Zähler hinter dem Dritten Hamburger SV. "Hinter die Idee vom Berliner Weg kommst du nicht mehr zurück", sagt Klaus Gierl von der "Axel-Kruse-Jugend", einem der wichtigsten Hertha-Fanclubs. Doch der Kurve sei nun brutal vor Augen geführt worden, dass dieser Weg unvollendet ist. Denn die Frage, wie es weitergeht, hängt nicht unwesentlich damit zusammen, wer an die Stelle Bernsteins treten will, kann und wird.

Seit Freitag ist klar, dass das jetzige Präsidium "bis zu den Neuwahlen im Herbst" bleiben will. So sagte es Rechtsanwalt Drescher im Videostatement. Die Frage, ob er selbst Ambitionen hat, wurde nicht ansatzweise thematisiert. Völlig offen ist, ob sich jemand anders in Position bringt - jemand, der anders als Bernstein nicht in der Trainingsjacke auf der Ehrentribüne sitzen wird, sondern im Anzug.

Dem Aufsichtsratsvorsitzenden Torsten-Jörn Klein wurden in der Vergangenheit Ambitionen nachgesagt, zur Wahl stellte er sich nicht. Dass sich Frank Steffel, der gegen Bernstein im Sommer 2022 unterlag, neuerlich vorwagt, darf wohl bezweifelt werden. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Lokalpolitiker Steffel war damals bei Hertha wie ein Schachtelteufel als Kandidat des Hertha-Establishments aufgetaucht und dann nach der Niederlage wieder völlig aus dem Hertha-Orbit verschwunden. Unabsehbar ist überdies, wie groß der Einfluss der Bernstein-Kritiker ist, die es bei Hertha auch gab. Bei den Nachwahlen zum Präsidium im Oktober fielen Bernstein-Getreue durch.

Die Blicke richten sich aber auch auf die Geschäftsstelle, wo Bernstein, um es milde zu sagen, nicht so integrierend wirkte wie in der Kurve. Dass er eine Reihe von Vertrauten in einflussreiche Stellungen brachte, stieß auch Mitarbeitern auf. Zu den Kräften, die auf den Hertha-Alltag einwirken, zählt überdies der bei den Fans umstrittene US-Investor 777 Partners. Hertha hängt finanziell am Tropf der in Miami ansässigen Private-Equity-Firma.

Geklärt werden muss auch die Zukunft von Geschäftsführer Herrich, der nach dem von Bernstein betriebenen Rauswurf von Manager Fredi Bobic und dem vorangegangenen Ausscheiden des früheren Finanz-Geschäftsführers Ingo Schiller zum alleinigen Geschäftsführer bestimmt wurde. Sein Vertrag läuft im Oktober aus. Doch das ist eine Frage, die erst nach dem Sonntag thematisiert werden dürfte. Er wird für viele Herthaner und Herthanerinnen schwer genug.

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