Trauer bei Hertha BSC:Schweigend, andächtig, in sich gekehrt

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Herthas Trainer Pal Dardai (2.v.r) spricht am Mittwoch auf dem Trainingsplatz zu seiner Mannschaft. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Die Mannschaft und Trainer Pal Dardai versuchen sich nach dem Tod von Präsident Kay Bernstein am Unmöglichen: der Rückkehr in den Alltag. Im Verein herrscht weiter Fassungslosigkeit und über allem schwebt die Frage, wie es jetzt weitergehen soll.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Fassungslosigkeit über den unerwarteten Tod von Kay Bernstein war beim Fußball-Zweitligisten Hertha BSC auch am Mittwoch noch mit Händen zu greifen, und niemand irrt, der annimmt, dass das noch lange so bleiben wird. Dennoch versuchte sich die Mannschaft von Trainer Pal Dardai, der mit Bernstein befreundet war, am Unmöglichen: der Rückkehr in den Alltag. Kurz nach 14 Uhr betrat das Team den Trainingsplatz auf dem Olympiagelände, schweigend, andächtig, in sich gekehrt. Dutzende Hertha-Fans hatten sich eingefunden, auch sie konsterniert ob des Todes Bernsteins, der in der Nacht zum Dienstag im Alter von 43 Jahren verstorben war. Die Staatsanwaltschaft leitete - gemäß dem Standardprotokoll, das bei unerwarteten Todesfällen greift - ein Todesermittlungsverfahren ein.

Schon am Dienstagabend hatten zahlreiche Fans vor der Geschäftsstelle und vor dem Olympiastadion Blumen und Fanschals niedergelegt, Kerzen angezündet, an Bernstein gedacht. In der Geschäftsstelle wurde eine Gedenkstätte improvisiert, viele Berliner trugen sich in einem Kondolenzbuch ein.

Bernstein pflegte zahlreiche persönliche Beziehungen in die Fanszene hinein, auch zu den Spielern hatte er einen engen Draht. Dies konnte man auch in den Social-Media-Kanälen der Profis ablesen, die sich mit sehr persönlichen, auch bewegenden Stellungnahmen füllten. Das galt unter anderem für Kapitän Toni Leistner, der als früherer Unioner von einigen Hertha-Fans zu Saisonbeginn feindselig aufgenommen worden war und in Bernstein einen Fürsprecher gefunden hatte. Publikumsliebling Fabian Reese erinnerte an gemeinsame Augenblicke: "Diese wertvollen Momente sind ein Kapitel in meinem Herzen - ab heute mit einem goldenen Schloss versehen."

Kerzen, Blumen und ein Foto wurden zum Gedenken an den plötzlich verstorbenen Hertha-Präsidenten Kay Bernstein in der Geschäftsstelle aufgestellt. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Über allem schwebte auch am Mittwoch die Frage, wie es jetzt weitergehen soll - bezogen auf den am Sonntag (13.30 Uhr) anstehenden Rückrundenauftakt gegen Fortuna Düsseldorf, aber auch mittel- und langfristig, sprich: vereinspolitisch. Den Statuten gemäß übernimmt Vizepräsident Fabian Drescher, ein 41-jähriger Rechtsanwalt, vorläufig den Vereinsvorsitz; er hatte das Amt bereits während Bernsteins kurzer, krankheitsbedingter Absenz im Herbst übernommen.

Offen ist, ob Drescher bis zu den turnusmäßigen Neuwahlen bei einer für den Herbst vorgesehenen Mitgliederversammlung im Amt bleibt, oder ob schon im Mai vorgezogene Neuwahlen angesetzt werden. Zu den wenigen Gewissheiten zählte am Mittwoch, dass das nunmehr siebenköpfige Präsidium satzungskonform und damit handlungsfähig ist.

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