Roger Schmidt in Portugal:Benficas Zukunft wirkt verlockend

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Roger Schmidt hat bei Benfica sein Glück gefunden - nur im Europapokal wartet der Klub schon lange auf richtig gute Zeiten. (Foto: Carlos Costa/AFP)

Der deutsche Trainer Roger Schmidt hat sein erstes Jahr bei Benfica Lissabon mit dem Meistertitel abgeschlossen. Irgendwann will der Klub endlich auch mal wieder in Europa triumphieren - ein Weltmeister könnte dabei helfen.

Von Javier Cáceres

Roger Schmidt hat Erfolg, und das ist für den Mann, der ihm dafür den Boden bereitet hat, mitunter ein Problem. Sein Name: Daniel Lorenz, 50, Transfer-Vermittler im Fußballgeschäft, vor ein paar Jahren aber noch Leiter der Rechtsabteilung des FC Porto. Es gebe deshalb Freunde und Bekannte, die ihn gefragt hätten, wie er nur diesen Deal mit dem deutschen Trainer einfädeln konnte, erzählt Lorenz, und der Tonfall verrät, dass er am anderen Ende der Leitung darüber schmunzelt. Denn Schmidt wurde vor einem Jahr Coach von Benfica Lissabon - dem ärgsten Rivalen Portos.

Schmidt ist womöglich dazu berufen, Benfica von einem mehr als sechs Jahrzehnte alten Fluch zu befreien: vom Fluch des großen ungarischen Trainers Béla Guttmann, der 1962, als er den Klub wegen einer verweigerten Gehaltserhöhung im Zorn verließ, prognostiziert hatte: "In den nächsten 100 Jahren wird Benfica nie wieder einen Europacup gewinnen." Seine Worte hatten Gewicht, Guttmann galt als Entdecker Eusébios und hatte den Verein zu zwei Landesmeister-Pokalen geführt.

Seit Sommer 2022 ist nun Roger Schmidt in Lissabon, und er eroberte sofort die Herzen der Fans: "Wer Fußball liebt, liebt Benfica", hatte er gesagt, als er portugiesischen Boden betreten hatte und von Journalisten am Flughafen als zweiter deutscher Trainer der Benfica-Historie nach Jupp Heynckes empfangen worden war. Zu Schmidts Worten kam schnell sportlicher Erfolg. Der frühere Bundesliga-Coach führte Benfica zur 38. Meisterschaft, auch in der Champions League schlug er sich mehr als achtbar. Benfica schied im Viertelfinale gegen den späteren Finalisten Inter Mailand aus, in Würde. Und die aktuelle Frage lautet: Wird die Mannschaft im Vergleich zum Vorjahr jetzt nicht sogar noch besser?

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Sogar bei der Vorstellung der ablösefreien Raphael Guerreiro und Konrad Laimer dreht sich die Diskussion um Harry Kane. Klubchef Jan-Christian Dreesen läutet die entscheidende Transferperiode ein - und versucht sich in einer Zähmung von Uli Hoeneß.

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Gut, sie haben Linksverteidiger Grimaldo (zu Bayer Leverkusen) verloren. Aber dass die Träume der Adler, wie Benfica wegen seines Wappentiers genannt wird, gerade höher fliegen, konnte man in der Vorwoche sehen. Tausende benfiquistas begaben sich zum Estádio da Luz und feierten den Zugang Ángel Di María , als wäre der Heiland zurückgekehrt. Di María (zuletzt Juventus Turin) spielte schon von 2007 bis 2010 in Lissabon und ist nun 35 Jahre alt. Aber er bringt als Finaltorschütze der WM in Katar Weltmeisterglanz mit - und auch sein argentinischer Nationalelfkollege Nicolás Otamendi spielt bei Benfica.

Was das alles mit Daniel Lorenz zu tun hatte? Eine Menge.

Vor ein paar Jahren war Lorenz häufiger in China, als Agent des brasilianischen Nationalstürmers Hulk, der tatsächlich so aussah, wie er heißt, und sich bei Shanghai SIGP finanziell gesundstieß. In China lernte Lorenz dann auch Schmidt kennen. Nach seinen Trainerjahren beim SC Paderborn, in Salzburg und Leverkusen war Schmidt damals dem Ruf von Beijing Guoan gefolgt. Lorenz verlor ihn nun nicht mehr aus den Augen, erst recht nicht, als Schmidt im Sommer 2020 bei der PSV Eindhoven anheuerte und dort in zwei Jahren durchschlagenden Erfolg hatte.

Ende 2021 haderte Benfica mit seinem Coach Jorge Jesús. Lorenz schlug dem Präsidenten Rui Costa vor, sich mit Schmidt zu befassen, und Costa war überzeugt von der Arbeit des Deutschen. Denn Benfica hatte sich in der Champions-League-Qualifikation 2021 gegen Eindhoven durchsetzen müssen, und die Art und Weise, wie die Niederländer unter Schmidts Regie spielten, hatte dem alten Mittelfeld-Genie Rui Costa sehr zugesagt. Sein Wunsch wäre gewesen, Schmidt sofort zu holen, aber der hat eine im Fußball nicht selbstverständliche Eigenschaft: Er respektiert seine Verträge. Rui Costa installierte daher nach der Entlassung von Jesús einen Interimscoach namens Nélson Veríssimo. Und wartete, bis Schmidts Vertrag ausgelaufen war.

Der Stil der Schmidt-Mannschaften: proaktiv, aggressiv, voller Elan

Diese Geduld zahlte sich aus. Schon in den ersten Monaten waren bei Benfica begeisterte Kommentare über die Arbeit von Schmidt zu hören. Nicht nur über den Fußball, der so aufregend war, wie ihn Rui Costa von Schmidt-Teams in Erinnerung hatte: proaktiv, vertikal, aggressiv, voller Elan. Auch die verbindliche Art des Deutschen kam beim Bodenpersonal von Benfica bestens an. Nach drei Vierteln der Saison schien der Meistertitel bereits Formsache zu sein, Benfica führte die Tabelle mit zehn Punkten Vorsprung vor Porto souverän an - obwohl Schmidt in der Winterpause seinen hochveranlagten Mittelfeldspieler Enzo Fernández an den FC Chelsea verloren hatte, für mehr als 100 Millionen Euro. Am Ende schmolz Benficas Vorsprung zwar auf zwei Zähler zusammen, Meister wurde das Team dennoch. Schmidt wurde Trainer des Jahres und gewann sogar den Respekt rivalisierender Fans. "Manchmal gehe ich in Lissabon mit Schmidt essen", erzählt Lorenz, "und sogar die Kellner, die mit Sporting Lissabon sympathisieren, bitten ihn um ein Foto."

Begeistert empfangen: Rückkehrer Angel Di María bringt Weltmeisterglanz mit zu Benfica. (Foto: Gerardo Santos/GlobalImagens/Imago)

Die Zukunft Benficas, das haben die ersten Testspiele gezeigt, wirkt verlockend. Neben Di María, der so spielt, "als wäre er nie weggewesen" (Zeitung Récord), kam auch der türkische Mittelfeldspieler Orkun Kökcü (Feyenoord Rotterdam), mit 25 Millionen Euro nun der Rekordeinkauf des Klubs. Der Tscheche David Jurasek (von Slavia Prag/14 Millionen Euro) soll Grimaldo ersetzen. Und es gab zwar Gerüchte um ein Interesse von Paris Saint-Germain an Mittelstürmer Gonçalo Ramos, der in der Vorsaison auf 19 Tore und sieben Vorlagen in 30 Spielen kam. Aber den will Schmidt unter keinen Umständen verlieren.

Vor allem jedoch träumen sie bei Benfica von einer Rückkehr des verlorenen Sohnes João Félix, der zuletzt an Chelsea verliehen war und bei Atlético Madrid mit Trainer Diego Simeone überkreuz liegt. Unter Umständen ist für Benfica eine Leihe möglich. "João ist hier aufgewachsen", sagt Rui Costa, "er ist einer von uns." Das ist ein Satz, den sie mittlerweile auch Schmidt hinterherrufen.

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