WM-Vergabe 2018:Drei Millionen Euro für Beckenbauers Stimme?

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  • Das russische Portal The Insider hat angebliche interne Unterlagen des früheren russischen Bewerbungskomitees für die WM veröffentlicht.
  • Auch der damalige Fifa-Wahlmann Franz Beckenbauer und sein Schattenmann Fedor Radmann tauchen in den Dokumenten auf.
  • Radmann soll demnach bei der WM-Vergabe Beckenbauers Votum angeboten haben.
  • Radmanns Anwalt teilte mit, dass die Behauptung, sein Mandant habe Beckenbauers Stimme zum Kauf angeboten, klar falsch sei. Beckenbauers Anwalt beantwortete eine Anfrage zum Thema nicht.

Von Johannes Aumüller, München

Am 2. Dezember 2010 kam in Zürich das Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes (Fifa) zu einer bedeutsamen Sitzung zusammen. Die damals 24 Wahlmänner kürten die Ausrichter von gleich zwei Weltmeisterschaften, das Turnier 2018 ging an Russland, die Veranstaltung 2022 nach Katar. Das arabische Emirat beschäftigten dabei sehr schnell sehr konkrete Korruptionsvorwürfe, bei Russland war dies überschaubarer. Die WM-Macher beteuerten stets, dass alles sauber zugegangen sei. Doch nun gibt es in diesem Kontext einen Vorgang, der in der Sportwelt viel Aufmerksamkeit erzeugt - und mittendrin sind der damalige deutsche Fifa-Wahlmann Franz Beckenbauer sowie sein langjähriger Schattenmann Fedor Radmann.

Das russische Portal The Insider veröffentlichte am Mittwoch angebliche interne Unterlagen des früheren russischen Bewerbungskomitees, in denen unter anderem davon die Rede ist, mit welchen finanziellen oder anderen Methoden verschiedene Wahlmänner zu ködern seien. The Insider ist eine Plattform, die schon häufig vertrauliche Unterlagen veröffentlicht hat und bereits verschiedene Preise erhielt, etwa vom Europarat. Die Dokumente seien ihnen über eine englische Enthüllungsplattform zugespielt worden, hieß es; sie stammen offenkundig von einem gehackten Account eines früheren Funktionärs. Der damalige russische Bewerbungschef Alexej Sorokin beteuerte erneut, dass Russland den Zuschlag sauber bekommen habe. Es sei völliger Unsinn, dass man versucht habe, irgendjemanden zu kaufen. Die Quelle sei wenig vertrauenswürdig.

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In den veröffentlichten Dokumenten tauchen auch Beckenbauer und Radmann auf. So gibt es etwa eine tabellarische Zusammenfassung über die Interaktionen der russischen Seite mit Fifa-Vorständlern. Da heißt es dann zum Beispiel über einen Europäer, dass nach Angabe verschiedener Quellen seine Stimme für eine bis anderthalb Millionen Euro zu haben sei; oder über einen Asiaten, dass bei ihm eine Verständigung über eine finanzielle Gegenleistung in jedem Fall möglich sei. In Reihe drei des Dokumentes steht der Name Beckenbauers, daneben folgende Bemerkung: Radmann sei nun auf die russische Seite mit der Information zugekommen, dass Beckenbauer bereit sei, Russland zu unterstützen. Die Stimme gebe es für eine "großzügige Gegenleistung für seine Beratungstätigkeit - drei Millionen Euro".

In einem anderen Dokument, unter dem der Name des damaligen Bewerbungschefs und heutigen Fifa-Vorstandes Alexej Sorokin steht, ist von einem Termin der russischen Seite mit Radmann am 5. Januar 2010 die Rede. Es habe zum wiederholten Male ein Treffen gegeben, heißt es, Radmann bestehe auf einer baldigen Entscheidung über eine Zusammenarbeit. Die Konditionen: drei Millionen Euro plus 1,5 Millionen Euro im Falle eines Sieges. Radmann habe behauptet, dass er im Fall einer Zusammenarbeit mit ihm acht bis neun Stimmen bringen könne.

Radmanns Anwalt teilte mit, dass die Behauptung, sein Mandant habe Beckenbauers Stimme zum Kauf angeboten, eindeutig falsch sei. Zu weiteren Fragen zu den Veröffentlichungen will er nichts sagen. Beckenbauers Anwalt beantwortete eine Anfrage zum Thema nicht.

Beckenbauer erklärte bisher nie öffentlich, wem er im Kampf Russlands mit England, Spanien/Portugal sowie Niederlande/Belgien seine Stimme gab; die Wahlen waren geheim. Gemeinhin wird er zu der 13-köpfigen Fraktion gezählt, die Russland bereits in der zweiten Runde die notwendige Mehrheit verschaffte. 2012 erhielt er nach seinem Ausstieg aus dem Fifa-Exekutivkomitee einen Vertrag als Botschafter bei der Russian Gas Society, einem Zusammenschluss russischer Gas-Gesellschaften um den Energieriesen Gazprom. Stets wurde beteuert, dies habe nichts mit der WM-Vergabe zu tun.

Die Liste an fragwürdigen Vorgängen um Beckenbauer und Radmann wird also noch länger

Damit erweitert sich die Liste an fragwürdigen Vorgängen um Beckenbauer und Strippenzieher Radmann also noch einmal. In verschiedenen ungeklärten Millionen-Zahlungen rund ums Fußball-Business gehören sie zu den Protagonisten. Das betrifft auch jene 6,7 Millionen Euro im Kontext der Fußball-WM 2006. Gegen Beckenbauer ermittelt deswegen die Schweizer Bundesanwaltschaft. Allerdings ist sein Verfahren aus gesundheitlichen Gründen von dem gegen vier andere frühere Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes und der Fifa abgetrennt worden; Beckenbauer darf darauf hoffen, dass der Vorgang im April 2020 verjährt. Die Publikationen des russischen Portals dürften nun auch Strafbehörden interessieren, etwa die Schweizer Bundesanwaltschaft. Deren zuletzt häufig kritisierte Aktivitäten im Fußball-Sumpf gehen ja just auf eine Ende 2014 gestellte Strafanzeige zu dieser Doppel-Vergabe Russland/Katar zurück. Kommentieren wollte sie die aktuelle Publikation aber nicht.

Wie anrüchig die Vergabe nach Russland und Katar war, zeigt allein die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der damaligen Wahlmänner inzwischen der Korruption dringend verdächtig oder deswegen gar schon gesperrt sind. Die Fifa selbst hatte 2014 nach dem Aufkommen diverser Vorwürfe den damaligen Ethik-Chef Michael Garcia mit einer Untersuchung beauftragt, die mit Blick auf Russland aber mau ausfiel. Nur ein paar Geschenke für Fifa-Leute listete sie auf. Die überschaubare Darstellung lag auch daran, dass von russischer Seite nur sehr begrenzt Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Sie erklärten, dass ihre Computer in der Bewerbungsphase nur geleast gewesen und später zerstört worden sein. Auch der Mailverkehr sei leider nicht mehr zugänglich.

Aber ganz offensichtlich waren die Spuren des elektronischen Schriftverkehrs nicht überall sorgsam beseitigt und vernichtet worden.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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