FC Bayern im DFB-Pokal:Mit kritischen Worten nach Berlin

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Robert Lewandowski tat das, was er immer macht: Er traf auch gegen Frankfurt im DFB-Pokal. (Foto: Kai Pfaffenbach/Pool via Getty I)

Den Bayern geht nach stressigen Wochen ein wenig die Kraft aus, doch der Finaleinzug im Pokal gelingt trotz mancher Schwäche gegen Frankfurt. Trainer Flick muss nun Unwuchten managen.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer, München

Man wusste bereits, dass der FC Bayern in diesen Tagen, in denen man ihm so gut bei der Arbeit zuhören kann, oft einen Wiener Dialekt hat, aber die Wortwahl war neu. David Alaba, der Münchner Abwehrchef aus Österreich, hat seine Kollegen in den vergangenen Wochen ständig gecoacht, angeleitet und oft gelobt. Doch nun musste er, wenn man ihn richtig verstand, sie plötzlich dazu ermahnen, "positiver" miteinander umzugehen. So etwas schreien sich Fußballer auf Fußballplätzen für gewöhnlich dann zu, wenn die gute Stimmung im Spiel zu kippen droht.

Der FC Bayern könnte schon an diesem Samstag nach der Partie bei Borussia Mönchengladbach, also nach dem 31. Bundesliga-Spieltag, zum 30. Mal deutscher Meister sein, zum achten Mal in Serie. Und die Bayern könnten am 4. Juli zum 20. Mal den DFB-Pokal gewinnen, im Finale gegen Bayer Leverkusen. Was vom 2:1 (1:0) im Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt am Mittwochabend in Erinnerung bleiben dürfte, ist allerdings nicht einfach nur der Ausbau der makellosen Münchner Bilanz seit dem Neustart der Saison, der sechste Sieg im sechsten Geisterspiel und gar der 20. Erfolg im 21. Pflichtspiel in Serie. Eindrücklicher war eher, wie diese makellose Bilanz auf einmal in Gefahr geriet.

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"Summa summarum war es mit eines der pomadigsten Halbfinals, die ich in Erinnerung habe", sagte Angreifer Thomas Müller, was nicht nur aufgrund des Ausflugs ins Lateinische, sondern auch wegen der deutlichen Selbstkritik bemerkenswert war. In der ersten Halbzeit hatte der Favorit zwar noch nicht träge gespielt, sondern sich Chance um Chance herauskombiniert und eine durch Ivan Perisic zum 1:0 verwertet. In der zweiten Hälfte aber hatten sich die immer müder werdenden Münchner dann von offensiveren Frankfurtern in die Defensive drängen lassen. "Unser Pressing konnte heute über weite Strecken so nicht genannt werden", sagte Müller, "unsauber" hätte die Mannschaft gespielt, "wie wir es nicht gewohnt sind".

Trainer Hansi Flick wollte nicht so kritisch sein: "Die zweite Halbzeit war nicht ganz so gut, da haben wir uns auch nicht geschickt angestellt", sagte er, betonte aber seine Zufriedenheit mit der Gesamtsituation: "Ich muss meiner Mannschaft einfach ein Riesenlob aussprechen, weil sie in diesem Jahr 2020 hervorragend performt."

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Es war der Kern von Flicks Stammmannschaft der vergangenen Wochen, der das Spiel fünf Minuten nach dem zwischenzeitlichen Frankfurter Ausgleich durch Danny da Costa (69.) mit einem wütenden Angriff entschied: Leon Goretzka fand Alphonso Davies, dessen Hereingabe leitete der in die Spitze mitaufgerückte Joshua Kimmich zu Robert Lewandowski weiter, und der grätschte den Ball ins Tor. Es war kein Zufall, dass es so aussah, als hätte die Kraft der Protagonisten am Mittwochabend gerade noch für diese eine Antwort gereicht. "Nach dem 1:1 haben wir noch mal das Extragas rausgeholt", sagte Müller.

Flick, 55, richtete nach dem Spiel ein paar kritische Worte an seinen früheren Arbeitgeber, den Deutschen Fußball-Bund, weil der Verband das Pokal-Halbfinale während der eng getakteten Bundesligasaison terminiert hatte, anstatt es im Anschluss an die Meisterschaft auszutragen. So hätte Flick sich das gewünscht, sagte er, "aber leider ist beim DFB keiner auf die Idee gekommen, das umzusetzen".

Dass der anspruchsvolle Spielplan zu Müdigkeit führt, ist natürlich bei jedem Klub so, aber in München gibt es zwei Besonderheiten: Flick ist kein Freund der Rotation, er vertraut lieber einer Stammmannschaft in seit Wochen mehr oder weniger gleicher Besetzung. Und er hat gar nicht so viele Alternativen zur Verfügung. Gegen Frankfurt vertrat Perisic den am Rücken verletzten Serge Gnabry, nach einer Stunde kamen als Einwechselspieler Thiago und Lucas Hernandez, kurz vor Schluss kam Javi Martinez, auf der Bank saßen dann noch die Feldspieler Sarpreet Singh, Joshua Zirkzee und Alvaro Odriozola.

Thiago, im Mai an der Leiste verletzt, wirkt noch nicht wieder so dominant in seinen Ballaktionen wie sonst. Und Lucas Hernandez trug als Linksverteidiger nicht unbedingt zu mehr Sicherheit bei. Vor dem Gegentreffer hatte sich Torschütze da Costa in seinem Rücken freigelaufen.

Es wäre "schon gut, ein bisschen mehr Breite in der Qualität" zu haben, hatte Hansi Flick vor dem Spiel gesagt und konkret die Außenpositionen genannt, was mindestens als Anspielung auf eine baldige Verpflichtung von Nationalspieler Leroy Sané von Manchester City gedeutet werden konnte. Am Samstag gegen Gladbach fehlen nun die Top-Scorer Müller und Lewandowski gelbgesperrt, in der Spitze könnte der 19 Jahre alte Zirkzee einspringen. "Wer ein bisschen unseren Kader anschaut, wird schon wissen, wie es ausschauen kann", sagte Flick und lächelte.

Wenn es am 4. Juli gegen Leverkusen um den Pokalsieg geht, dann wird, Verletzungsfreiheit vorausgesetzt, wohl eine ausgeruhte Stammelf auf dem Platz stehen - genau wie im August, wenn die Champions League zu Ende gespielt werden soll. Sollte bis dahin im Ligaalltag noch mal so etwas wie Pomadigkeit auftreten, dann ist wieder David Alaba mit einer Korrektur in feinstem Wienerisch gefragt. Am Mittwoch, nach dem Schlusspfiff, redete er übrigens kurz mit Vehemenz auf seinen Kollegen Hernandez ein, bevor er ihn in den Arm nahm. Ausnahmsweise war nicht zu verstehen, was Alaba sagte.

© SZ vom 12.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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