Deutschland bei der Basketball-WM:Mit Glück durch den Stinker

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Das wäre beinahe schiefgegangen: Gegen die überraschend starken Letten vergeigte Dennis Schröder mit zu vielen Einzelaktionen fast den Sieg. (Foto: Yong Teck Lim/Getty Images)

Die Dürre von 21 Jahren hat ein Ende: Erstmals seit langer Zeit erreichen deutsche Basketballer wieder ein WM-Halbfinale. Dabei steht das DBB-Team gegen starke Letten am Rand einer Niederlage - vor allem, weil Dennis Schröder fast nichts gelingt.

Von Ralf Tögel

Glück? Können? Verdient? Die Nerven behalten? Von allem ein bisschen, der letzte Eindruck aber war: Es war ein Tanz am Abgrund, der genauso gut hätte schief gehen können. Doch Davis Bertans setzte seinen letzten Wurf daneben, ausgerechnet der NBA-Profi der Oklahoma City Thunder, den man in solchen Momenten lieber nicht werfen lassen sollte. 20 Punkte hatte der Lette bereits erzielt, deutliche schwierigere Dreier versenkt, nun knallte sein Ball an den Ring. Es blieb beim 81:79 für das deutsche Team, das nach 21 Jahren Dürrezeit wieder in ein WM-Halbfinale einzog.

Dort wartet am Freitag Top-Favorit USA (14.40 Uhr deutscher Zeit, kostenfrei bei Magentasport), und die gedämpfte Stimmung beim glücklichen Sieger verriet, dass sich die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) dann signifikant steigern muss, um zu bestehen. Immerhin befand der untröstliche Lette Bertans, dass man da gerade gegen "eines der besten Teams der Welt" ausgeschieden sei. Und es gab noch eine gute Nachricht: Nach der Niederlage der Slowenen gegen Kanada im letzten Halbfinale sind die Deutschen unter den beiden besten europäischen Teams bei der WM (neben Serbien) und damit für die olympischen Spiele in Paris qualifiziert.

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Dass es auch für das Halbfinale in Manila hauchdünn reichte, hatte viel mit Franz Wagner zu tun. Etwas mehr als fünf Minuten waren im ersten Viertel gespielt, da betrat der 22-Jährige das Parkett. Im Training am Vortag hatte sich die Rückkehr des Profis der Orlando Magic angekündigt, das linke Sprunggelenk erstmals nach einem Belastungstraining keinerlei Reaktion gezeigt. Wagner sei bereit, kündigte Bundestrainer Gordon Herbert vor dem Spiel an, ließ Wagner dann zunächst auf der Bank, schickte ihn aber rasch ins Wettkampfgeschehen, um ihm Sicherheit zu geben: "Jeder, der Sport macht weiß, dass es ein paar Minuten dauert, bis man wieder drin ist, auch mental", erklärte Franz Wagner hernach - viel länger hatte er auch nicht benötigt, um mit seinen 16 Punkten, dem Bestwert im deutschen Team, daran zu erinnern, wie wichtig er für diese Mannschaft ist.

"Das war wahrscheinlich mein schlechtestes Spiel", sagte Kapitän Dennis Schröder zu seiner Leistung

Zumal diese am Mittwoch ohne Dennis Schröder auskommen musste. Der Kapitän und bisher überragende Akteur des DBB-Teams war zwar physisch in der Mall-of-Asia-Arena in Manila zugegen, aber mehr als neun Fahrkarten und ein paar Ballverluste brachte Schröder in der ersten Halbzeit nicht zustande. Der Kapitän erzielte letztlich neun Punkte, wofür er atemberaubende 26 Versuche benötigte. Immer wieder nahm er sich Würfe aus allen Lagen, immer gingen sie daneben.

Seine Fehlleistung garnierte er mit Ballverlusten und Fehlpässen: "Das war wahrscheinlich das schlechteste Spiel, das ich jemals gespielt habe", sagte der Kapitän später selbstkritisch. Unter seiner Führung hatte das deutsche Team erneut nicht ins Spiel gefunden. Zwar war der Start nicht so eklatant misslungen wie beim jüngsten Auftritt gegen Slowenien und einem 11:25 nach dem ersten Viertel, doch Deutschland musste auch diesmal einen Rückstand umbiegen. Aus einem 3:13 wurde immerhin eine hauchdünne 36:34-Führung zur Pause. Dafür blieb jene Steigerung nach dem Wechsel aus, die das Team bisher stets zum sicheren Sieger gemacht hatte.

Das lag auch am tadellosen Auftritt der Letten. Spieler wie Arturs Zagars haben zwar keinen großen Namen; der Spielmacher war vor zwei Jahren noch recht unauffällig in der Bundesliga für Braunschweig zugange. Doch nun ließ er die deutschen Verteidiger ein ums andere mal stehen oder traf aus der Distanz und war mit 24 Punkten Topscorer der Partie. Nicht umsonst hatten die Letten zuletzt den Olympiazweiten Frankreich und Weltmeister Spanien geschlagen - diesem füreinander kämpfenden Kollektiv ist schwer beizukommen.

Dass es den Deutschen dennoch gelang, lag einmal mehr an den Qualitäten des gesamten Kaders. Man muss sich abgewöhnen, von der zweiten Besetzung zu sprechen, denn es waren die Bankspieler, die einmal mehr die Wende brachten. Besonders taten sich dieses Mal Johannes Thiemann und Moritz Wagner hervor. Thiemann brachte viel Wucht in die Defensive, fing sieben Rebounds und sammelte zehn Punkte - ohne einen einzigen Fehlversuch. Und Moritz Wagner ist derjenige, der die Kollegen mit seinem Enthusiasmus mitreißt - und in der Regel zweistellig trifft. Diesmal sammelte er 12 Punkte. Und weil Andi Obst (13) aus der Distanz gewohnt treffsicher agierte, reichte es in der nervenaufreibenden Schlussphase zum knappen Sieg.

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Grundlage war, wie in den Spielen zuvor, indes die Defensive, in der sich alle Akteure verdient machten. Wie Daniel Theis, der neun Punkte und acht Rebounds sammelte - sowie den schönsten Korb, als er ein Alley-oop-Anspiel von Schröder in der Luft fing und in den Korb hämmerte. "Wir haben alles auf dem Feld gelassen, gekämpft und in der Abwehr sehr physisch gespielt. Es war schwer, aber man muss auch solche Spiele gewinnen, das gehört in so einem Turnier dazu", meinte der NBA-Profi der Indiana Pacers.

Trainer Gordon Herbert freute sich vor allem über die Rückkehr von Franz Wagner, der zum wertvollsten Akteur der Partie gewählt wurde. Die Strategie des Trainers besagt, immer einen seiner beiden Schlüsselspieler auf dem Feld zu haben. Bisher war das Schröder, nun sprang eben Franz Wagner ein. Ob das gegen die USA reicht? Herbert schaute etwas irritiert auf die Frage beim TV-Interview, was wohl sagen sollte, dass er keinen weiteren solchen Auftritt von Schröder erwartet. Dann sagte er: "Man hat in jedem Turnier einen Stinker", also ein Spiel, das daneben geht, "wir hatten ihn heute."

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