Deutschland bei der Basketball-WM:Besser als Nowitzki

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Deutsche Teamarbeit: Niels Giffey, Moritz Wagner und Johannes Thiemann (von links) beharken Finnlands Jacob Grandison. (Foto: Yuichi Yamazaki/AFP)

Drei Spiele, drei Siege und ein Spitzbubenlächeln: Deutschlands Basketballer liefern bei der WM so gute Auftritte wie noch nie bei einem großen Turnier - und das Team könnte sogar noch stärker werden.

Von Ralf Tögel, Okinawa

Der Gang war zwar noch reichlich unrund, aber da war ja auch dieser graue Klotz am Bein. Immerhin hatte Franz Wagner trotz Stützstiefel am linken Fuß sein Spitzbubenlächeln angeknipst, als er hinter den Teamkollegen zur Halbzeit in die Kabine hinkte. Die Mitspieler hatten sich nach ein paar Startschwierigkeiten im ersten Viertel (19:22) gesteigert, führten zur Pause mit 47:39 im letzten Spiel der Gruppe E gegen Finnland und hinterließen den Eindruck, das Spiel längst in den Griff bekommen zu haben. Auch ohne Wagner, es war ja zu erwarten, dass der NBA-Profi der Orlando Magic noch einmal eine Pause bekommen wird.

Am Vortag der Partie gegen Finnland war der 22-Jährige zwar schon mit der Mannschaft beim Training in der Schulturnhalle von Okinawa neben der großen Arena, warf ein paar Bälle und absolvierte einen ersten Belastungstest nach seiner Verletzung aus dem Japan-Spiel. Es war aber auch gar nicht nötig, ein Risiko einzugehen, denn der Eindruck hatte nicht getäuscht: Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft steigerte sich nach dem Wechsel weiter, gewann auch ihr drittes Vorrundenspiel gegen die chancenlosen Finnen mit 101:75 und zieht souverän in die Hauptrunde ein.

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Die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) stand nach dem Sieg gegen Australien zwar bereits als Gruppensieger fest, völlig bedeutungslos war die Abschlusspartie gegen die Nordeuropäer aber keineswegs. Die ersten beiden Mannschaften jeder Gruppe nehmen nämlich alle Punkte in die Hauptrunde mit. Die Finnen hingegen spielen nun in einer Platzierungsrunde, dort geht es noch um das Ticket für ein Olympia-Qualifikationsturnier; dass sich der Gegner nicht besonders bemühen würde, war also nicht zu erwarten gewesen.

Finnland wusste bei der EM vor Jahresfrist durchaus zu überzeugen und hat in Lauri Markkanen zudem einen herausragenden Akteur in seinen Reihen. Der 26-Jährige hat für Utah Jazz in der nordamerikanischen Liga NBA eine ausgezeichnete Saison gespielt, im Nationalteam ragt er nicht nur wegen seiner Größe von 2,13 Metern heraus. Markkanen kann dank seiner Vielseitigkeit aus allen Lagen punkten, ist sehr präsent unter dem Korb und lässt gerne mal einen Dreier aus großer Distanz fliegen. Das war natürlich auch den Deutschen bekannt, die dem Gegner erneut mit einer starken Defensive begegneten und Markkanen bei nur 12 Punkten hielten.

Noch nie ist eine deutsche Mannschaft so erfolgreich in eine WM gestartet, jetzt freuen sich die Spieler auf zwei Tage Pause

Nur in den ersten zehn Minuten bereiteten die Finnen dem Favoriten wirksam Ärger, den Umschwung brachte der zweite Anzug, wie Trainer Gordon Herbert festhielt. "Faul" sei die Startformation in der Defensive gewesen, "der Schlüssel war die Bank". Johannes Thiemann etwa, der nicht nur viel Aggressivität in der Defensive brachte, sondern auch 13 Punkte zum Sieg beisteuerte. Es ist ein probates Mittel der deutschen Auswahl, sich über die Abwehrarbeit in ein Spiel zu kämpfen, was zur Halbzeit bereits vollbracht war, so Herbert, "unsere Startformation hat den Job dann vollendet".

In Zahlen: Dennis Schröder und Isaac Bonga sammelten jeweils 15 Punkte, neben Thiemann traf auch noch Moritz Wagner zweistellig (12). Der 26-Jährige trumpfte vor allem im letzten Viertel auf und fand so nach dem eher mäßigen Auftritt im Australien-Spiel wieder zur Topleistung beim Auftaktsieg gegen Japan zurück. Was in gleichen Maße für Andreas Obst gelten darf, der Münchner hatte vor zwei Tagen im Spiel gegen das Team vom fünften Kontinent wenig getroffen, nun punktete auch er zweistellig (11).

Auffälligster Akteur war aber sein Bayern-Kollege Isaac Bonga, der vom Trainer mit einem Extralob bedacht wurde: "Es hat mich gefreut, dass Isaac auch in der Offensive ein gutes Spiel gemacht hat, denn er ist auch in der Defensive eine Stütze." Einmal mehr war Ausgeglichenheit im breit besetzten Kader ein Trumpf. Angeführt von Kapitän Schröder, der Leistungen auf Topniveau scheinbar mühelos abrufen kann, sind alle Spieler in der Lage etwas beizutragen.

Niels Giffey beispielsweise, der dritte Bayern-Akteur im Kader, den der Trainer ebenfalls hervorhob: "Niels hat sich auch in diesem Spiel gezeigt, er hat eine große Qualität." Oder Justus Hollatz, bislang mit wenigen Spielanteilen bedacht, auch er fügte sich gewinnbringend ein. "Das war echte Teamarbeit", schloss der Trainer seine Analyse, der sich nun über zwei Tage Pause freut, ehe es am Freitag mit der zweiten Runde weitergeht. "Wir hatten drei Spiele in fünf Tagen, es ist jetzt wichtig, die Köpfe freizubekommen und zu regenerieren."

Respekt vom Altmeister: Nicht einmal mit Dirk Nowitzki ist eine deutsche Nationalmannschaft mit drei Siegen in ein WM-Turnier gestartet. (Foto: Zhang Xiaoyu/dpa)

Nie zuvor ist eine deutsche Mannschaft so erfolgreich in eine Weltmeisterschaft gestartet, drei Siege in drei Partien nötigten auch Dirk Nowitzki, der das Spiel erneut in der ersten Reihe verfolgte, Respekt ab. Anerkennend klatschte er mit Herbert und Schröder ab, die indes beide diesen Erfolg gegen chancenlose Finnen nicht überbewerten wollten.

Herbert hob in der Pressekonferenz den Arm, um den Gipfel zu beschreiben, den er mit seiner Mannschaft erklimmen will: "Wir sind erst bei der Hälfte angekommen." Sein Vorarbeiter Schröder befand, dass man den Erfolg natürlich feiern müsse, aber nicht zu intensiv: "Morgen ist das aber auch wieder vergessen, weil wir uns fokussieren müssen." Für Franz Wagner, das fügte Dennis Schröder noch an, seien zwei weitere Tage Regeneration wichtig, dann sei aber auch für ihn die Pause vorbei.

Auf dem Weg der Deutschen in die K.-o.-Phase gilt es, einen Taifun und Luka Doncic zu überstehen

Am Freitag könnte es für die deutschen Basketballer ungemütlich werden: Dann soll ein Taifun die Insel Okinawa erreichen, auf der die Nationalmannschaft gerade nach drei Siegen in der Gruppe E souverän in die Hauptrunde eingezogen ist. Dorthin nehmen die jeweiligen beiden Gruppenbesten der Vorrunde alle Punkte mit, die deutschen Gegner kommen aus der Gruppe F.

Wenn es der Taifun zulässt, geht es am Freitag voraussichtlich gegen die Georgier weiter, am Sonntag steht dann die Partie gegen den Ersten der Gruppe F an: Slowenien um Topspieler Luka Doncic. Obwohl die Deutschen so gut wie nie zuvor in ein WM-Turnier gestartet sind, könnte es eng werden in der zweiten Runde. Denn die Australier nehmen als Zweiter der Gruppe E vier Punkte mit und müssen, um die Chance auf das Viertelfinale zu wahren, Slowenien und Georgien schlagen. Sollte Deutschland gegen Slowenien verlieren, droht ein Dreiervergleich mit den dann punktgleichen Australiern und Slowenen, bei dem die Korbdifferenz zählen würde.

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