Rassismus und Sexismus im US-Basketball:Nur ein Hallenbann als Strafe

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Soll sich einem Verhaltenstraining unterziehen: Robert Sarver, Miteigentümer der Phoenix Suns. (Foto: Ralph Freso/AP)

Die NBA sperrt Robert Sarver, den Besitzer der Phoenix Suns, für ein Jahr, weil er nachweislich für ein toxisches Arbeitsumfeld gesorgt hat. Vielen geht diese Sanktion nicht nicht weit genug.

Von David Kulessa und Jürgen Schmieder

Siebzehn Jahre lang soll Robert Sarver als Eigentümer der Basketball-Franchise Phoenix Suns ein toxisches Arbeitsklima mit Rassismus und Sexismus geschaffen haben. Als Strafe dafür muss er nun zehn Millionen Dollar zahlen und darf sich ein Jahr lang nicht ins Tagesgeschäft einmischen. Ansonsten aber bleibt alles so, wie es ist. Diese Entscheidung der US-Liga NBA hat für Aufregung gesorgt, auch innerhalb des Klubs.

Der Point Guard der Phoenix Suns, Chris Paul, jahrelang Präsident der Spielergewerkschaft, schrieb auf Twitter: "Meiner Meinung nach reichen die Sanktionen nicht aus, um dieses abscheuliche Verhalten zu bekämpfen." Ähnlich äußerte sich LeBron James von den LA Lakers, ebenfalls auf Twitter: "Unsere Liga liegt hier definitiv falsch."

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Im November 2021 veröffentlichte das Sportportal ESPN eine Recherche über Sarver, der die Suns im Jahr 2004 gekauft hat. Der unmissverständliche Titel: "Vorwürfe von Rassismus und Frauenfeindlichkeit". Mehr als 70 einstige und aktuelle Mitarbeiter berichten von den Entgleisungen Sarvers. So habe der Chef mehrfach das N-Wort benutzt. Er habe der Belegschaft Fotos seiner Frau im Bikini gezeigt und sich gegenüber einer schwangeren Angestellten unangemessen geäußert. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Die Basketballer LeBron James (rechts) und Chris Paul haben sich in der Sache Sarver klar positioniert. (Foto: Rick Scuteri/dpa)

Das Ergebnis der Recherche: Sarver habe ein "toxisches und manchmal feindseliges Arbeitsumfeld" geschaffen. Insbesondere Frauen seien regelmäßig gedemütigt worden - nicht nur von Sarver, auch von anderen männlichen Vorgesetzten; Sarver habe das toleriert. "Das Schlimmste für mich waren die Beschimpfungen", zitiert ESPN eine ehemalige Mitarbeiterin. Einige litten seitdem unter Ess- und Schlafstörungen. Auch gegenüber afroamerikanischen Spielern und Mitarbeitern soll sich Sarver oft unsensibel geäußert haben.

Ein Fall und seine Parallelen im US-Sport

Es ist nicht der erste derart gelagerte Fall im US-Sport: Die Vorwürfe erinnern an Vorgänge aus dem Jahr 2014, die damals Donald Sterling und die Los Angeles Clippers betrafen. Seinerzeit hatte ein Sender ein Tonband veröffentlicht, auf dem Klubbesitzer Sterling seine Geliebte auffordert, sich bitte nicht mit Schwarzen abzugeben. Von der NBA wurde Sterling auf Lebenszeit gesperrt und zum Verkauf der Clippers gedrängt - der einstige Microsoft-Manager Steve Ballmer übernahm für zwei Milliarden Dollar.

Eine ähnliche Strafe war auch jetzt, im Falle Sarvers und der Phoenix Suns, erwartet worden. Zumal die NBA die selbe Anwaltskanzlei beauftragte, die den Clippers-Sterling-Fall untersucht hatte.

Nach Gesprächen mit 320 Personen - darunter auch Robert Sarver selbst - und Durchsicht von mehr als 80 000 Dokumenten, kamen die Ermittler zum gleichen Ergebnis wie ESPN. Wörtlich heißt es, Sarvers Verhalten habe "eindeutig gegen die üblichen Arbeitsplatzstandards verstoßen, wie sie in den Regeln und Richtlinien des Teams und der Liga festgelegt sind." Der Bericht zählt Dutzende Vorfälle von rassistischem und sexistischem Fehlverhalten auf - und enthält einen erstaunlichen Nebensatz: Trotz alledem könne bei Sarver keine rassistische oder frauenfeindliche Neigung erkannt werden. Diese Schlussfolgerung ist es, an der sich die Kritik entzündet.

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Mit Veröffentlichung des Berichts gab die NBA bekannt, dass sie Robert Sarver für ein Jahr suspendiert. In dieser Zeit muss er sich aus dem Tagesgeschäft seiner beiden Teams vollständig heraushalten und darf auch keine Spiele besuchen. Die einjährige Suspendierung soll er stattdessen nutzen, um ein Training zu absolvieren, "mit Fokus auf Respekt und angemessenes Verhalten am Arbeitsplatz".

Dazu kommen zehn Millionen Dollar Strafe - Sarvers Vermögen wird auf das Achtzigfache geschätzt. Über die Wirksamkeit der Verbannung vom Tagesgeschäft lässt sich streiten, weil er damit ohnehin nicht besonders viel zu tun hatte: Für den sportlichen Erfolg zuletzt, das Erreichen der Finalserie 2021, ist eher der erst 41 Jahre alte Manager James Jones verantwortlich. Der ist übrigens genau wie Coach Monty Williams schwarz.

NBA-Chef Adam Silver bezeichnete die Entscheidung am Tag danach auf einer Pressekonferenz als fair - er hat sie ja letztlich getroffen. Probleme hatte er eher mit der Begründung. Mit dem Fall Sterling sei dieser Vorfall nicht zu vergleichen, sagte er. Er verwies auf die damaligen Tonbandaufnahmen. Wie der Anwaltsbericht vertrete auch er die Ansicht, dass Sarver trotz allem kein Rassist, kein Sexist sei. Der Liga-Chef berief sich auf Informationen, die er kenne, aber nicht teilen dürfe: "Ich wünschte, ich könnte." Zur Transparenz trug das nicht bei.

Die NBA kann keinen Verkauf erzwingen - der öffentliche Druck vielleicht schon

Silver betonte, er habe nicht das Recht, jemandem sein Team wegzunehmen. Das ist richtig, denn dafür braucht es eine Dreiviertelmehrheit der anderen 29 Besitzer. Die NBA ist eine Liga ohne Verband darüber, sie reguliert sich selbst. Silver ist zwar Chef der Liga, aber eben auch Angestellter der 30 Franchise-Eigentümer.

Jedoch empfiehlt nicht nur die mächtige Spielergewerkschaft NBAPA eine lebenslange Sperre für Sarver. Auch Suns-Minderheitseigner Jahm Najafi fordert in einem offenen Brief den Rücktritt Sarvers. Und die Firma PayPal, deren Logo auf den Suns-Trikots zu sehen ist, kündigte an, den Vertrag nicht verlängern zu wollen, sollte Sarver zurückkehren. Wenn im Business US-Sport die Einnahmen in Gefahr sind, spätestens dann laufen die Dinge nicht mehr wie gewünscht.

Es ist sehr schwierig, einen Eigentümer zum Verkauf zu zwingen. Wirksamer waren zuletzt in der Footballliga NFL oder in der Frauen-Basketballliga WNBA nach ähnlichen Vorwürfen wie nun gegen Sarver die Versuche, jemanden so deutlich zur Persona non grata zu erklären, dass der oder die Entsprechende von sich aus entschied, die Anteile zu verkaufen. Der NBA-Chef hält sich zurück - und doch wird Sarver durch öffentlichen Druck zur unerwünschten Person.

Die Phoenix Suns gehören derzeit zu den besten Teams der Liga, sie spielen in der kommenden Saison mit einiger Wahrscheinlichkeit um den Titel, dafür wird auch Spielmacher Chris Paul sorgen. Mindestens genau so wichtig dürfte dem sein, dass Sarver bis zum Ende der Saison im kommenden Frühjahr seine Anteile (derzeit 35 Prozent) verkauft hat.

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