Basketball:Dennis sei Dank

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Dennis Schröder (li.) ist in den Playoffs für Oklahoma City Thunder sehr wichtig. (Foto: dpa)

Angetrieben vom Aufbauspieler Schröder verkürzt Oklahoma City die Playoff-Serie gegen Houston auf 1:2. Der deutsche Nationalspieler bastelt in der NBA-Blase gerade an seiner Legende.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es heißt ja gerne, dass nach der dritten Partie abzusehen ist, wohin sich eine Best-of-seven-Serie entwickelt - was freilich auch daran liegen mag, dass in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA noch keine Mannschaft jemals einen 0:3-Rückstand aufgeholt hat. So gesehen hat sich einiges getan bei den Samstagsspielen der ersten Playoff-Runde: Die Favoriten auf die Final-Teilnahme, die Milwaukee Bucks und die Los Angeles Lakers, haben mit überzeugenden Siegen gegen Orlando Magic und die Portland Trail Blazers gezeigt, dass ihre jeweiligen Niederlagen zum Auftakt wohl doch nur Ausrutscher gewesen waren; beide führen nun mit 2:1 Erfolgen. Miami Heat hat, so man der Historie vertrauen kann, mit dem dritten Sieg gegen Indiana die zweite Runde schon so gut wie sicher erreicht.

Bleibt das vierte Duell des Tages, und da sah es weniger als eine Minute vor dem Ende so aus, als würden die Houston Rockets auch die dritte Partie gegen Oklahoma City Thunder gewinnen - doch dann passierte schier Unglaubliches: Korbleger von Chris Paul, Ballverlust Houston, Korbleger von Steven Adams, Ballverlust Houston, Drei-Punkte-Wurf von Shai Gilgeous-Alexander. Nur mit zwei Freiwürfen retteten sich die Rockets in die Verlängerung, wo sie jedoch völlig hilflos waren gegen den nun entfesselten Gegner. Sie verloren 107:119, statt 3:0 steht es 2:1. "Wir wollten nicht aufgeben", sagte Paul danach: "Es gibt keinen anderen Grund für diesen Sieg: Wir wollten ganz einfach nicht aufgeben."

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Diese Playoff-Serie ist eine besondere, das liegt an einem Tauschgeschäft im vorigen Sommer, an dem Paul beteiligt gewesen ist. Die Rockets hatten ihn 2017 von den Los Angeles Clippers geholt in der Hoffnung, dass er mit James Harden ein Aufbauspieler-Duo bilden würde, das keine Verteidigung der Welt würde stoppen können. Die beiden gehören zu den besten Spielern der Liga, die bislang noch keinen Titel gewonnen haben, und sie sind in einem Alter, in dem ihnen nicht mehr so viele Jahre bleiben: Paul ist 35, Harden 30. Es klappte jedoch nicht wie erhofft, auch wegen einer Verletzung von Paul während der Playoffs vor zwei Jahren. Also gab es einen Transfer, der ein besonderer war.

Die Brisanz der Serie liegt in einem Tauschgeschäft der Teams vom vergangenen Sommer

Die Rockets schickten Paul nach Oklahoma City, im Gegenzug bekamen sie Russell Westbrook, der bis dahin seine ganze Karriere bei Thunder verbracht hatte, von 2009 bis 2012 sogar schon einmal an der Seite von James Harden. Im Alter von 31 Jahren jagt Westbrook ebenfalls den ersten Titel. "Ich war immer der Typ, der sagt: Okay, was passiert, das passiert nun mal", sagte Paul vor Beginn der Serie im Interview mit dem Videoportal der NBA; er klärte die Leute auch gleich über das vermeintlich gestörte Verhältnis zu Harden auf: "Was viele nicht kapieren: Wir waren für eine gewisse Zeit Teamkollegen, das war's. Das bedeutet nicht, dass man gemeinsam 'Kumbaya' singt oder man zu Feinden wird. Am Ende lebt jeder sein eigenes Leben."

Die Wege der beiden haben sich also getrennt, sie sind ganz offensichtlich weder Freunde noch Feinde, und nun wurden sie durch das Playoff-System und die Situation in der Disneyworld-Blase im US-Bundesstaat Florida wieder zusammengeführt; ihre Teams sind im selben Hotel untergebracht. Es hatte zunächst so ausgehen, als würden die Rockets die Serie auch ohne den verletzten Westbrook (Oberschenkelzerrung) dominieren, sie gewannen die ersten zwei Partien recht deutlich und führten, wie erwähnt, am Samstag.

"Die Moral der Mannschaft ist intakt, ich vertraue meinen Jungs voll und ganz", sagte Thunder-Trainer Billy Donovan nach der Partie und fügte hinzu: "Dennis hat uns immer wieder angetrieben." Dennis, das ist der deutsche Aufbauspieler Dennis Schröder, der gerade an seinem Ruhm bastelt. Er hatte sich gegen Ende der Platzierungsspiele aus der Basketball-Blase - der sogenannten Bubble - verabschiedet, um der Geburt seines zweiten Kindes beizuwohnen. Danach wurde er vier Tage lang zur Quarantäne in ein kleines Hotelzimmer gesperrt: "Das war ziemlich hart, aber die NBA hat sich gut gekümmert, damit das alles funktioniert", sagte er.

Schröder gilt als aussichtsreichster Kandidat für die prestigeträchtige Auszeichnung als "Sixth Man of the Year", die oft ungenau als "bester Einwechselspieler" interpretiert wird. Schröder beginnt zwar meist auf der Bank, doch ist das beim Basketball, wo fröhlich gewechselt werden kann, nicht so wichtig wie die Spielzeit. Am Samstag zum Beispiel war Schröder 39 Minuten auf dem Platz, er schaffte die meisten Punkte (29) seiner Mannschaft und steuerte jeweils fünf Rebounds und Vorlagen bei. Thunder-Coach Donovan braucht solche Offensiv-Abende von Schröder: "Er soll attackieren und mutig sein." Vor allem aber braucht er Schröder als formidablen Verteidiger, sollte Westbrook bei der vierten Partie an diesem Montag wieder fit sein.

"Es hilft nichts, allzu viel über die Vergangenheit nachzudenken", sagt Paul und fügt eine Franz-Beckenbauer-Weisheit an: "Was ich tun kann: rausgehen und Basketball spielen." Das wird er am Montag tun, gegen sein altes Team und seinen alten Kameraden, der weder Freund noch Feind ist. Vor allem wird er: nicht aufgeben.

© SZ vom 24.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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