Bayern-Sieg gegen Alba:Bayerischer Maracanazo in Berlin

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Nihad Djedovic vom FC Bayern trug seinen Teil bei, dass es in Berlin in Spiel drei der BBL-Finalserie nie spannend wurde. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Die Münchner Basketballer dementieren durch ein 90:60 in Spiel drei der Finalserie eindrucksvoll, dass der Titel schon Berlin gehört - die Bayern gewinnen wichtige Erkenntnisse und können nun daheim ausgleichen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Ende musste alles ganz schnell gehen. "Los jetzt, wir müssen!", rief Marko Pesic, der Manager der Basketballer des FC Bayern, und ruderte mit den Armen.

Es war zwar noch früh am Freitagabend. Aber Flieger dürfen in München nur bis Mitternacht landen, und mit Flügen aus Berlin haben die Bayern schon mal schlagzeilenträchtig schlechte Erfahrungen gemacht, wenngleich es sich damals die Fußballabteilung handelte. Und wer wüsste nicht um die desaströsen Verhältnisse am Berliner Flughafen BER, wo sich die Menschen vor der Security mitunter stapeln wie in indischen Zügen?

Der Grund für die Eile aber war ein anderer. Es ging darum, für das zu sorgen, was die Bayern-Mannschaft gerade am meisten braucht: ein Maximum an Ruhe. Denn die Bayern hatten mit 90:60 bei Alba Berlin gewonnen - und damit in der Playoffserie um die deutsche Meisterschaft ein viertes Finalspiel am Sonntag in München erzwungen (15.00 Uhr/live in Magentasport und Sport1). Ein weiterer Erfolg könnte somit doch noch zu einem fünften Finalspiel am Mittwoch führen - ein Szenario, das noch vor kurzem kaum möglich zu sein schien.

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Durch einen in jeder Hinsicht überraschenden 90:60-Sieg bei Alba Berlin erzwingt der FC Bayern ein viertes Finalplayoff um die Deutsche Basketballmeisterschaft. Für die Berliner endet damit eine Serie von 19 Siegen.

Von Javier Cáceres

Die Größe der Chance darauf lässt sich nach dem Freitag nicht realistisch ermessen; es gibt Dinge, die sich nicht ändern werden. Zum Beispiel: die tendenzielle Erschöpfung der Belegschaft. Aber dass die Bayern ihren Gegnern aus der Bundeshauptstadt mindestens einen sogenannten Wirkungstreffer verpasst haben, lässt sich nicht leugnen. Dreißig Punkte Unterschied sind ein Statement. Oder auch ein Dementi: Weil die Berliner die ersten beiden Finalspiele so überzeugend gewonnen hatten, also nur noch einen Sieg von dritten Titelgewinn in Serie entfernt waren, galt es als sicher, dass sie die Trophäe überreicht bekommen würden.

Aber: "Wir haben die Party nur verschoben", sagte Bayerns Trainer Andrea Trinchieri. Ob da Pessimismus herausklinge, wurde der Italiener gefragt, er widersprach. "Das ist nicht pessimistisch. Es ist nihilistisch." Doch bei allem Skeptizismus- ein wenig Spaß hatte es ihm schon gemacht, die Berliner um eine fest geplante Feier gebracht zu haben. "Man konnte es riechen: Die Party war da!", sagte Trinchieri, als die Partie vorüber und seine Nase wieder frei war.

"Bei uns sah vor dem Spiel alles viel zu schön aus", sagte Albas Manager Himar Ojeda

Auch bei Alba wussten sie, dass die Euphorie zu einem "Maracanazo" in klein geführt hatte: So wie 1950 bei der Fußball-WM 1950 die Uruguayer gegen die Brasilianer im Maracanã von Rio de Janeiro eine Party gesprengt hatten, so taten es nun die Bayern in Berlin. "Der Kopf spielt mit", sagte Himar Ojeda, der Manager der Berliner, "bei uns sah vor dem Spiel alles viel zu schön aus." Auch Albas Trainer Israel González bekannte, spätestens ab dem Moment ein ungutes Gefühl gehabt zu haben, als er entgegen seiner Gepflogenheiten ein paar Artikel aus der Lokalpresse studiert hatte, die sich gelesen hatten wie vorauseilende Huldigungen. Wie vorauseilende und letztlich voreilige Verkündigungen des ersten Meisterschaftssieges in eigener Halle seit 2003. Die letzten beiden der bislang zehn Triumphe hatte Alba in München begangen.

Headcoach Andrea Trinchieri fand die richtigen Kniffe beim Sieg gegen Alba. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Die Bayern seien in jeder Hinsicht besser gewesen, bei den Rebounds, der Verteidigung, den Würfen, beim Pick-and-Roll, haderte González, und da war kein Widerspruch möglich. Es gab keine Facette des Spiels, in denen die Bayern nicht besser gewesen wären, im Gegenteil. Der brutale Unterschied auf dem Spielberichtsbogen gab das Geschehen auf dem Parkett blendend wieder, teilweise habe seine Mannschaft wie gelähmt gewirkt, die zweite Halbzeit habe "keine Geschichte gehabt", sagte González, der zu Beginn der Saison seinem legendären Landsmann Aíto García Reneses nachgefolgt war. Verzweifelte Versuche, möglichst schnell, also überhastet, Körbe zu werfen, viel mehr war da nicht. Die Bayern hingegen punkteten verlässlich - allen voran Deshaun Thomas und Nick Weiler-Babb, die jeweils 19 Punkte erzielten.

Alba sei wohl schon im Partymodus gewesen, "und etwas überrascht, dass wir mit so viel Energie und Selbstvertrauen rausgekommen sind", sagte auch Andreas Obst. "Wir waren sehr fokussiert in der Defensive und haben unseren Stiefel dann runtergespielt, auch in der zweiten Halbzeit." Sein Coach war deshalb stolz. "Dieses Spiel hat die Kultur meiner Spieler und unserer Organisation abgebildet", sagte Trinchieri. "Ich glaube, dass niemand - niemand! -, der in dieser Saison die BBL beobachtet hat, vor dem Spiel gedacht hat, dass wir heute gewinnen würden - außer den 50 Leuten rund um unser Team und ihren Familien". Und das war im Zweifelsfall sogar übertrieben.

"Wir müssen uns jetzt daran erinnern, was für ein gutes Team wir sind - und unsere Identität wiederfinden", sagt Albas Trainer González

Denn die Bayern mussten in Berlin ohne vier von fünf nominellen Starting-5-Akteure auskommen, am Freitag musste sich auch noch Leon Radosevic abmelden, zuvor hatte sich schon Darrun Hilliard, Corey Walden und Vladmir Lucic abgemeldet. "Wir haben keine Kontrolle über das Resultat, weil zu viele Teile fehlen. Aber wir haben eine Kontrolle über unseren Mühen. Und wir haben heute mit der perfekten Anstrengung gespielt", sagte Trinchieri. Am Ende war Alba ein kaputtes Spielzeug. "Sie haben uns in den Hintern getreten", sagte Albas Kapitän Luke Sikma.

Ob das reicht, die Dynamik der Finalserie zu ändern? Wer weiß. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse klingen nicht mehr so apodiktisch pro Alba. Im ersten Finalspiel sei man nach vier Spielen in acht Tagen "tot" gewesen, sagte Trinchieri, in Spiel zwei sei man "nicht erschienen", "wie auf dem Flughafen, wenn man den Flieger verpasst." Nun habe er der Mannschaft ins Gewissen geredet. "Das Wichtigste, was ich meinen Spielern gesagt habe: Ihr könnt schlecht spielen, ihr könnt Würfe vergeben, ihr könnt Fehler machen - aber ihr gebt niemals auf!"

In Spiel zwei habe man sich von der eigenen Kultur "wegtreiben lassen", am Freitag habe man darauf die "perfekte Antwort gegeben", denn "wir sind zu unseren Werten zurückgekehrt." Das sei eine sehr wichtige Botschaft gewesen, die ihm seine Mannschaft gegeben habe. Sie kam aber nicht nur auf der Trainerbank der Bayern an, sondern auch beim Gegner. "Die Bayern sind ein stolzes Team", sagte González. "Wir müssen uns jetzt daran erinnern, was für ein gutes Team wir sind, welch gute Chemie wir haben, unsere Identität wiederfinden." Möglicherweise reiche das, möglicherweise nicht, erklärte González. Berlins Vorteil: Sie haben noch zwei Matchbälle, die Bayern noch keinen.

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