Lionel Messi in der Champions League:Nur noch ein melancholischer Schatten

Lesezeit: 3 min

Höhepunkt bei Rinke und im göttlichen Fußball sowieso: Lionel Messi mit Christiano Ronaldo beim Clásico, hier im Jahr 2016. (Foto: Alex Caparros/Getty Images)

Lionel Messis Körper ist noch bei Barça - aber was ist mit der Seele? Vor dem ersten Duell mit Ronaldo seit mehr als zwei Jahren wird der Argentinier hinterfragt wie noch nie.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Wörterbücher sowohl Spaniens wie auch Italiens halten schon seit ihren Erstauflagen den Eintrag "Corona" bereit. Die gängigste, aber beileibe nicht einzige Bedeutung des Begriffs dreht sich um das kreisförmige Ornament, das Monarchen schmückt: die Krone. Wenn es in den letzten Jahren je ein Duell im Weltfußball gab, das den Kampf um eine imaginäre "Corona" symbolisierte, um die Krone also - dann der Zweikampf zwischen Lionel Messi vom FC Barcelona und dem seit 2018 beim italienischen Serienmeister Juventus Turin beschäftigten und zuvor bei Real Madrid tätigen Cristiano Ronaldo.

Vor gut einem Monat verhinderte das "Corona" heutiger Prägung eine Fortführung des Duells: Ronaldo wurde positiv auf Covid-19 getestet und verpasste das Champions-League-Spiel der Gruppe G, das der FC Barcelona mit 2:0 in Turin gewann. Nun kommt es aber doch zum neuerlichen Showdown zwischen Messi und Ronaldo: Am Dienstag empfängt Barcelona die Turiner im Camp Nou.

Barcelona-Pleite in Cadiz
:Barças Trauma setzt sich fort

Wieder verlieren die Katalanen dank fataler Fehler in der Defensive gegen einen Außenseiter. Nach dem 1:2 in Cádiz herrscht große Aufregung - und nun wartet Ronaldo.

Von Jonas Beckenkamp

Das 36. Aufeinandertreffen des kleinen Argentiniers mit der Rückennummer 10 auf der einen und "CR7" auf der anderen Seite wird das erste seit dem 6. Mai 2018 sein, seit dem letzten "Clásico" vor dem Abschied Ronaldos von Real Madrid. Das Spiel endete mit einem 2:2, Messi traf einmal für Barça, Ronaldo für die Madrilenen. Messi hat bislang 16 Mal gegen Ronaldo gewonnen und zehn Mal verloren; in der persönlichen Torbilanz liegt er mit 22:19 vorne. Doch die Vergangenheit zählt nicht mehr.

Während Ronaldo aktuell bester Laune sein dürfte - am Wochenende wurde er vor Juves Derby gegen den FC Turin für das 750. Tor seiner nun 1029 Pflichtspiele umfassenden Karriere geehrt, erzielt in der Vorwoche gegen Dynamo Kiew -, erlebt Messi gerade eine beispiellose Situation. Er wird in Barcelona hinterfragt wie noch nie. Es wird immer offensichtlicher, dass zwischen Messi (712 Tore/886 Spiele) und Barcelona etwas kaputtgegangen ist, was sich wohl nicht so einfach kitten lässt.

Barças Rückstand auf Tabellenführer Atlético beträgt schon zwölf Punkte

Zur Erinnerung: Im Sommer wollte Messi fort. Der Präsident Josep María Bartomeu drohte mit einem Rechtsstreit und hielt den Argentinier damit im Klub und in der Stadt. Bartomeu trat hernach zurück. Was blieb: Messi als melancholischer Schatten seiner selbst.

Champions League
:Neymars Wunschzettel

Nach dem 3:1-Sieg bei Manchester United gibt der brasilianische Stürmer von Paris Saint-Germain seinen Traum preis: Er möchte "wieder mit Messi zusammenspielen".

Von Javier Cáceres

"Der Körper, nicht die Seele Messis, ist noch bei Barça", beobachtete die Zeitung El Periódico de Catalunya am Montag - nach einer 1:2-Niederlage bei Aufsteiger FC Cádiz, die wegen skurriler Gegentreffer als ein Spiel mit komödienhaften Zügen in die Geschichte einging. Für Barcelona dürfte die Pleite schon jetzt den K.-o. im Kampf um den Titel bedeutet haben. Der Rückstand auf den Tabellenführer Atlético Madrid beträgt zwölf Punkte, Barcelona ist mit nur 14 von 30 möglichen Punkten in der Tabelle an Rang neun gelistet. Niemals hat ein Team der spanischen Liga den Titel holen können, das zu Saisonbeginn derart ins Hintertreffen geraten war.

Andererseits: Barcelonas schlechtestem Saisonstart seit dem Ende der 1960er-Jahre (der vor allem auf Pleiten gegen Mittelklasseteams wie Getafe, Alavés oder nun eben Cádiz zurückzuführen ist) steht die makellose Ausbeute in der Champions League gegenüber. Barcelona hat auf kontinentalem Terrain in fünf Partien mehr Punkte geholt (15) als in zehn Ligaspielen. Gegen Juventus geht es für Barcelona noch um den Gruppensieg; die Qualifikation für das Achtelfinale ist gesichert. Umso größere Spannung verspricht die Frage, ob Messi sich im Angesicht des ewigen Rivalen um den Titel des Weltfußballers (Messi führt 6:5) zu einer messianischen Leistung inspiriert fühlt.

Nur: Der Lärm um ihn herum wächst immer stärker an. Das liegt vor allem an der allumfassenden Krise des Klubs und den im Januar anstehenden, vorgezogenen Präsidentschaftswahlen. Vergangene Woche wartete der Interimspräsident Carles Tusquets mit einer Einschätzung von maximaler ökonomischer Kälte auf: Aus rein wirtschaftlicher Sicht wäre es "ratsam" gewesen, Messi meistbietend zu verkaufen.

Alle Präsidentschaftskandidaten wollen ihn halten. Sie haben aber noch nicht in die Bücher geguckt

Die neun Präsidentschaftskandidaten allerdings wollen Messi halten. Nur: Sie haben noch nicht in die Bücher des Klubs schauen können; bekannt ist nur, dass er in der Jahresbilanz mit einem Bruttogehalt von weit mehr als 100 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Messi selbst hat noch nicht erklärt, ob er bleiben möchte; seine letzte öffentliche Äußerung ("Ich hab es satt, für alle Probleme im Klub verantwortlich zu sein") lässt nicht darauf schließen, dass er es mit Barça noch mal längerfristig versuchen will. Damals ging es um seine Rolle bei der bislang fehlgeschlagenen Integration des französischen Weltmeisters Antoine Griezmann. In England heißt es, dass Manchester City einen Zehnjahresvertrag für Messi vorbereite, inklusive eines Repräsentationsvertrags für die Zeit nach der aktiven Karriere.

In Barcelona war man sich wohl bewusst, dass die Abnabelung von Messi, der Überfigur der vergangenen Jahre, schwierig werden würde. Die Realität ist: Sie ist schon jetzt schwieriger als gedacht. Im Umfeld gärt längst die Furcht, dass alles sogar noch schlimmer werden könnte und designierte Nachfolger Schaden nehmen. Die Älteren unter den Barcelona-Fans fühlen sich längst an die frühen 1960er-Jahre erinnert, als die Karriere des genialen Ladislao Kubala zu Ende ging.

Dem Umbruch fiel damals Luis Suárez zum Opfer, bis heute der einzige Träger des Titels Ballon d'Or mit spanischem Pass. Der Schatten Kubalas war so lang, dass der junge Suárez entnervt Barcelona verließ und 1961 dem Ruf des berühmten Helenio Herrera zu Inter Mailand folgte. Was danach geschah: Suárez holte in Italien unter anderem zwei Mal den Europapokal der Landesmeister. Barcelona wartete 14 Jahre lang, bis 1974, auf einen Meistertitel.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBernd Schuster im Interview
:"Diego hat mein Herz gewonnen"

Bernd Schuster erzählt von seinen Jahren mit Maradona beim FC Barcelona, Gesprächen unter Freistoßexperten - und davon, was er dem Argentinier gerne noch gesagt hätte.

Interview von Javier Cáceres

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: