Bayern-Gegner FC Barcelona:In Barças Kabine geht der Kinderschreck um

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Wenigstens der älteste und beste Freund ist Xavi Hernandez weiterhin treu: der Ball. (Foto: Marco Canoniero/Imago)

Barcelona-Trainer Xavi Hernández macht kaum Mut, das Champions-League-Aus abwenden zu können. Doch wenigstens dem FC Bayern einen mitzugeben, würde ihn und den Klub freuen.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Unnütze Mühe führt zur Melancholie, schrieb einst der spanische Philosoph José Ortega y Gasset - in einem durch und durch fußballfernen Zusammenhang. Sein Aphorismus dürfte jedenfalls selten besser passen als an diesem Mittwoch, wenn der FC Barcelona aller Voraussicht nach vor der Herausforderung stehen wird, eine 90-minütige Champions-League-Partie in einem Zustand innerer Schwermut anzutreten. Und das gegen den FC Bayern, der spätestens seit dem 8:2-Sieg von Lissabon aus dem Sommer 2020 den Rang des Butzemanns genießt, sprich: in Katalonien Erwähnung findet, wenn es darum geht, kleine Kinder zu erschrecken.

Die Ausgangslage ist eine Einladung zu vorauseilender Niedergeschlagenheit: Sollte Inter Mailand, hinter dem FC Bayern Zweiter der Gruppe C, seiner haushohen Favoritenrolle gegen Viktoria Pilsen gerecht werden und auch nur 1:0 gewinnen, fliegt der FC Barcelona aus dem Wettbewerb. Egal, wie hoch sich der stolze Klub auch streckt.

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Für den sechsmaligen Sieger der Champions League wäre das nicht nur aus Prestigegründen ein herber Schlag. Zwei Mal nacheinander in der Vorrunde des wichtigsten Vereinswettbewerbs auszuscheiden, wäre für das Selbstverständnis ein mittleres Drama. Und auch finanziell würde es zu Buche schlagen. Denn im Jahresbudget wird traditionell mit dem Einzug ins Viertelfinale gerechnet.

"Ob ich an Wunder glaube? Nun, die Hoffnung verliert man zuletzt, oder?", sagt Xavi

Das Einnahmeloch durch den Abstieg in die Europa League wird auf etwa zwölf Millionen Euro netto beziffert, den Gagen des Ausrichters Uefa in Höhe von 20 Millionen Euro stehen auch Ausgaben gegenüber. "Ob ich an Wunder glaube? Nun, die Hoffnung verliert man zuletzt, oder?", sagte Xavi mit vergleichsweise schmalen Lippen.

Es geht, immerhin, nicht mehr akut um seinen Arbeitsplatz als Trainer Barças. Nach der ernüchternden Pleite gegen den Erzrivalen Real Madrid im Clásico vom vorvergangenen Sonntag zischten Barça-Insider hinter vorgehaltener Hand schon die ersten Namen möglicher Nachfolger. Hier und da in der Stadt wurde ihm vorgerechnet, dass er eine schlechtere Bilanz aufweise als der von ihm abgelöste Ronald Koeman.

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Doch das hat sich gelegt, weil Barça in seinen vergangenen beiden Spielen überzeugende Siege landete: am Donnerstag gegen den FC Villarreal (3:0) und am vergangenen Sonntag gegen Athletic Bilbao (4:0), das der frühere Barcelona-Trainer Ernesto Valverde anleitet.

Xavi hatte vor diesen beiden Spielen die Mannschaft daheim schlafen lassen, am Mittwoch wird er das vor dem Bayern-Spiel wieder so halten, aber nicht aus rituellen Gründen, "sondern weil ich es nicht mag, wenn die Spieler zu lange in einem Hotel herumhängen. Wäre ich abergläubisch, würde ich nicht mehr arbeiten kommen". Und so hat er die Mannschaft gebeten, zwei Stunden vor Spielbeginn ins zuletzt wieder ansehnlich gefüllte Camp Nou zu kommen.

Von keinem Klub hat sich Barça in den vergangenen Jahren so geärgert gefühlt wie vom FC Bayern

Man werde das Inter-Spiel gegen die Tschechen gemeinsam in der Kabine anschauen können, kündigte Xavi an. Und lachte laut auf, als er gefragt wurde, was er den Spielern von Viktoria mit auf den Weg geben würde, wenn er könnte. "Das fehlte gerade noch, Viktoria Anleitungen zu geben. Als ob ich hier nicht genug zu tun hätte."

Das Gefühl, vor einem Haufen Arbeit zu stehen, hat er in der Tat. Den FC Bayern zählte er voller Hochachtung zu den besten Mannschaften der Welt, es sei eine "sehr intensive, aggressive, taktisch sehr gut bearbeitete Mannschaft". Wie er ihr entgegentreten will, breitete er nicht im Detail aus. Nur so viel: Die Aufstellung werde durch das Ergebnis von Mailand nicht mehr verändert werden, er habe sie schon seit Montag im Kopf. Und wenn es am Mittwoch allenfalls noch darum gehen sollte, dem FC Bayern einen mitzugeben, so wäre es den Katalanen wohl genug. Denn von keinem Klub haben sie sich in den vergangenen Jahren so häufig geärgert gefühlt - fußballerisch und auch verbal.

Die überaus verdienten Äußerungen über die milliardenschweren Schulden Barças und beim Poker um den vormaligen Münchner Stürmer Robert Lewandowski sind in Barcelona nicht vergessen. "Es ist ein wichtiges Spiel für uns - unabhängig davon, was in Mailand passiert", sagte Xavi. "Wir stehen vor der Chance einer fußballerischen Revanche - auch Robert. Er hat in München gegen seine frühere Mannschaft nicht getroffen. Nun hat er eine neue Gelegenheit."

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