FC Bayern:Nur Sadio Mané ist traurig

FC Bayern: Zunächst nur Zuschauer: Sadio Mané bei seiner Einwechslung in Sinsheim.

Zunächst nur Zuschauer: Sadio Mané bei seiner Einwechslung in Sinsheim.

(Foto: Daniel Roland/AFP)

Während der vermeintliche Ersatzstürmer Choupo-Moting in Serie trifft, gelingt dem berühmtesten Sommer-Zugang des FC Bayern gerade wenig Mitreißendes. Die Rolle als Nachfolger von Robert Lewandowski ist für beide kompliziert.

Von Philipp Schneider, Sinsheim

Wie geht es eigentlich Robert Lewandowski? Am Mittwoch trifft er ja wieder auf seine alten Rasengefährten vom FC Bayern, und wer sich mal so gut kannte und dann etwas aus dem Blick verloren hat, der weiß ja immer ganz gerne im Voraus, wenn sich Lebensumstände großartig geändert haben.

Frühstückt Lewandowski sein Müsli noch immer lieber mit Mandel-, Kokosnuss- oder Reismilch anstelle von Kuhmilch, um sich vor dem Training nicht so schlapp zu fühlen? Gibt es überhaupt 1a-Müsli in Spanien? Hält er die Raumtemperatur auch in seinen Gemächern in Barcelona bei maximal 21 Grad Celsius und verzichtet für seine Schlafhygiene in den entscheidenden Minuten vor dem Wegdämmern ins Schlummerland auf blaues Licht von Handy und Fernseher? Man weiß es nicht. Aber man ahnt, dass er sein Leben nicht großartig umgekrempelt hat, seit seinem Wechsel zum FC Barcelona. Was man so sieht: Alles wie immer. Sogar der Torjubel. Er presst noch immer die Fäuste vor der Brust zusammen, wie seine Tochter Klara es gemacht hat, als sie zwei Jahre alt war und sich der Papa dachte: Das ist ja putzig, das kann ich auch.

Die Fäustchen gab es gerade erst wieder zu sehen. Anlässlich des 600. Tors im Leben des Robert Lewandowski. Erzielt hat er es bei einem 3:0 gegen Villarreal, dann schob er schnell Nummer 601 nach, vier Minuten später. So ein Lewandowski weiß schließlich nie, ob nicht vielleicht doch noch ein Hattrick drin ist. Seine Bilanz in Spanien bisher: 14 Pflichtspiele, 16 Tore. Vier Doppelpacks in der Liga, einer in der Champions League, gegen Pilsen traf er dreimal. Alles Wahnsinn schon wieder. "Er ist ein Killer", sagt sein Trainer Xavi, man muss das als Lob verstehen: "Wenn er etwas zu Ende bringen möchte, bringt er es zu Ende." Das Prinzip, wie man längst weiß, gilt bei Lewandowski nicht nur für seinen Zug zum Tor, sondern auch für wochenlange Transfer-Possen.

Dass bei Barcelona das Spiel komplett auf Lewandowski zugeschnitten ist, und dass es das auch beim FC Bayern einmal war, dieser Gedanke konnte einem mal wieder in den Sinn schießen am Samstagnachmittag in Sinsheim. Die Münchner hatten gerade die TSG 1899 Hoffenheim locker leicht mit 2:0 abgefertigt, das Ergebnis war zu niedrig, um den Klassenunterschied zu beschreiben. Gleichwohl: Sie hatten mal wieder ohne Profikiller gewonnen, beziehungsweise ohne einen, den sie nach Lewandowskis Abschied als solchen eingeplant hatten. Und nachdem der Schlusspfiff ertönte, da lief derjenige, der im Sommer unter großem Jubel und inflationärem Gebrauch des Wortes "Weltstar" als Lewandowskis Erbe präsentiert worden war, mit einem derart traurigen Gesichtsausdruck in Richtung Mittellinie, dass man ihn als Zuschauer auf den Arm nehmen wollte.

Sadio Mané hatte in den letzten Sekunden der Partie noch mal einen beherzten Schuss aufs Hoffenheimer Tor abgefeuert. Der Ball brachte zwar das Außennetz in Wallungen, nicht aber den Schützen. Zum ersten Mal in dieser Saison hatte der Stürmer, der wegen seines vorherigen Wirkens beim FC Liverpool bei der Verleihung des Ballon d'Or gerade als zweitbester Fußballer der Welt 2022 ausgezeichnet worden war, vom Spielfeldrand aus zusehen müssen, wie zu Spielbeginn an seiner Stelle Eric Maxim Choupo-Moting auf den Rasen trabte. Den 33-Jährigen aus Hamburg-Altona hatten die Bayern vor drei Spielen auf ihrer Reservebank entdeckt, seither hat er vier Tore erzielt und nun auch das zweite gegen Hoffenheim beigesteuert.

Trainer Nagelsmann klassifiziert Choupo-Moting plötzlich vom Neuner zum Zehner um.

Als Mané in der 61. Minute beim Stand von 2:0 für den angeschlagenen Kingsley Coman (Pferdekuss, nicht so schlimm) aufs Spielfeld durfte, da war aus dieser Partie bereits sämtliche Energie gefahren. Bayern musste nichts mehr, Hoffenheim konnte nichts mehr tun. Für einen Einwechselspieler, der gerne noch beweisen würde, was für ein Teufelskerl er sein kann, ist das eine undankbare Situation. Also trabte Mané nach dem Schlusspfiff voll Gram über die soeben vergebene Chance über den Rasen.

Der erste, der ihn abklatschte, war ein Hoffenheimer. Der zweite Joshua Kimmich. Der dritte einer, der aus der Richtung der Hoffenheimer Ersatzbank angestürmt kam: Brauner Hoodie, dichter Bart. Er nahm Mané in den Arm und holte ein Handy raus für ein Selfie. Mané lächelte. Dann wurde der fremde Mann, nennen wir ihn F. Litzer, von zwei Ordnern abgeführt. Und so verschwand So sad Sadio, der traurige Sadio, wie ihn der englische Boulevard längst getauft hätte, in der Kabine.

Das Aufeinandertreffen mit Lewandowski in der Champions League (Mittwoch, 21 Uhr) wäre nun der optimale Zeitpunkt für eine mitreißende Partie Manés. Zumal Nagelsmann anmerkte, Choupo-Moting sei in Hoffenheim müde gewesen - was so klang, als würde er in Barcelona, wo es für die bereits fürs Achtelfinale qualifizierten Bayern um nichts mehr geht, wieder auf die Bank rücken.

Die Traurigkeit Manés passt nicht so recht zu seiner Leistung. Für einen Goldenen Ball reicht es vielleicht gerade nicht, aber ihm droht ja auch nicht ein Verleihgeschäft in der Winterpause. Dass angeblich schon ein paar Grad Temperaturunterschied beim Einschlafen über die Kraft eines Spitzenstürmers entscheiden können, das lehrt der große Lewandowski. Vielleicht fehlt auch Mané nur ein kleines Detail, um wieder der große Mané zu werden, der in Liverpool spielte.

An der Wende zum Guten bei den Bayern in den vergangenen eineinhalb Wochen hatte er zumindest Anteil. In vier siegreichen Partien gegen Pilsen, Freiburg, Augsburg und nun Hoffenheim schossen die Münchner 16 Tore. Jeweils einmal trafen Müller, Davies, Gnabry, Kimmich, Sané und Sabitzer, zweimal Musiala, Goretzka und Mané - und viermal Choupo-Moting. Dass "auch ein Weltklassespieler wie Mané" mal verunsichert sei, habe ihn nicht verwundert, hatte Julian Nagelsmann kürzlich erklärt, schließlich habe auch dieser "Hirn, Emotionen und Herz". Einher ging seine Entscheidung, Mané fortan ausschließlich auf dessen Lieblingsposition am linken Flügel auflaufen zu lassen.

FC Bayern: Trifft munter vor sich hin: Eric Maxim Choupo-Moting (links) erzielt das 2:0 für die Bayern in Hoffenheim

Trifft munter vor sich hin: Eric Maxim Choupo-Moting (links) erzielt das 2:0 für die Bayern in Hoffenheim

(Foto: Sven Simon/Imago)

Nagelsmann wird gegen Barcelona wohl entweder Lewandowskis offiziellen Nachfolger (Mané) spielen lassen - oder seinen gefühlten (Choupo-Moting). Was den gerade besten Torschützen angeht, verkündete Nagelsmann nun plötzlich, der sei "kein klassischer Neuner, eher ein Zehner". Demnach wäre Choupo-Moting nicht ein Mittelstürmer, der auch Bälle verteilen kann. Sondern ein Ballverteiler, der auch mal Mittelstürmer sein kann.

Diese Umwidmung hätte praktischerweise nicht nur Folgen für die Interpretation von Nagelsmanns Werk bei den Bayern, sondern auch für Mané: Man könnte nicht mehr behaupten, dass die Bayern mit Choupo-Moting ihr System wieder auf jenes zurückgedreht haben, das sie mit Lewandowski spielten. Und dem berühmtesten Zugang des Sommers ließe sich nicht mehr so einfach vorwerfen, dass er den berühmtesten Weggang bislang nicht kompensieren kann.

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