FC Arsenal:Endlich wieder Spaß in Nordlondon

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Gabriel Jesus (li. im Spiel gegen ManCity) ist Arsenals bester Stürmer - der Brasilianer debütierte vor einem Jahr bei einem Test in Nürnberg. (Foto: PHIL NOBLE/REUTERS)

Unter Trainer Mikel Arteta verpasste Arsenal zwar knapp den Premier-League-Titel, doch das Team befeuert neue Sehnsüchte. Die vielen Millionen für Kai Havertz sind erst der Anfang einer illustren Shoppingtour.

Von Jonas Beckenkamp

Manchmal, für ein paar vergängliche Momente, ist der 1. FC Nürnberg vielleicht gar kein Depp. Das Volk hadert ja gerne mit seinem Club, aber vor einem Jahr stellte sich der Zweitligist gar nicht so schlecht an, als es bei einem Testkick gegen den ganz und gar nicht depperten FC Arsenal ging. 2:0 führte der Zweitligist gegen die Prominenz von der Insel, am Ende staunten die Besucher des Max-Morlock-Stadions trotzdem über ein 5:3 für die "Gunners".

Zwischen dem FCN und Arsenal liegen so große Welten, dass einem fast schwindelig wird. Das ändert nichts daran, dass man sich am Donnerstagabend (19 Uhr) erneut zum Test verabredet hat. Arsenals Profiabteilung war am Montag auf dem Nürnberger Flughafen gelandet, eine Bekanntheit nach der anderen stieg da vor den Augen der Lokalpresse aus dem Flieger: Kai Havertz, Martin Ødegaard und auch der Brasilianer Gabriel Jesus - sie alle schwitzen nun in Herzogenaurach.

Reiss Nelson und Tim Handwerker (li.) werden sich vielleicht erinnern an das 5:3 der "Gunners" beim Club im Juli 2022. (Foto: Daniel Marr/Imago)

Havertz, für geschätzte 70 Millionen Euro von Chelsea gekommen, könnte gegen den Club gar sein Debüt im neuen Leibchen geben. Seinen Wechsel begrüßt ein anderer deutscher Arsenal-Angestellter. "Ich freue mich für Kai, eine super Herausforderung zu haben", sagte Nachwuchsleiter Per Mertesacker zuletzt bei Sky, "jeder Spieler, den ich in den vergangenen zwei Jahren bei Arsenal gesehen habe, hat sich hier super entwickelt."

Mit Havertz an Bord soll der Trip ins Frankenland als Saisoneinstieg dienen - ehe kommende Woche eine Werbereise in die USA ansteht. Zu verkünden gäbe es dort vor allem eins: Arsenal ist endlich wieder eine richtig coole Mannschaft, vielleicht sogar so cool wie damals mit Thierry Henry, Jens Lehmann oder Robert Pirès. Mit solchen Protagonisten blieb Arsène Wengers Team 2003/04 beim bislang letzten Premier-League-Triumph sogar ungeschlagen.

Und heute? Prägt das Selbstverständnis des Klubs ein ähnlicher Überraschungsritt in der vergangenen Saison: Lange hatte Arsenal den Rest Englands mit einer mutigen Spielidee von Trainer Mikel Arteta dominiert, ehe zum Schluss doch Manchester City die größere Ausdauer hatte. Das tat weh - und befeuerte gleichzeitig Sehnsüchte. "Bis heute schmerzt es, dass wir nach zehn Monaten Kampf nicht die Premier League gewonnen haben", erzählte Arteta neulich in einem Interview mit der spanischen Sportzeitung Marca, "aber was wir mit einer so jungen Mannschaft erreicht haben, ist ein Verdienst." Verletzungen und ein 1:4 gegen Pep Guardiolas im Finish maschinengleiche City-Elf kosteten die Londoner den Titel.

Mikel Arteta trainiert mit Arsenal Englands vielleicht aufregendste Mannschaft - reicht es diesmal für den Titel? (Foto: Paul Childs/Action Images/Reuters)

"Wenn man die Liga gegen City gewinnen will, muss man im April und Mai alle Spieler zur Verfügung haben und in Bestform sein", bilanzierte Arteta, 41, der in diesem Sommer angeblich ein Angebot von Paris Saint-Germain ausschlug. Sein Projekt ist Arsenal - und wenn er eines Tages überhaupt weg wollte, dann zurück nach Spanien. Der Baske, großgeworden beim FC Barcelona und als Guardiolas Assistent bei City zum Visionär gereift, gilt als Restaurateur eines romantisch verklärten Fußballs: Arsenal ist wieder fun to watch, nachdem 2020 und 2021 mit zwei achten Plätzen in der Liga eine Sinnkrise ausgebrochen war. Artetas Meriten fußen einerseits auf Titeln, er bescherte dem Verein immerhin dreimal den FA Cup, zweimal als Spieler, einmal als Coach.

Andererseits hat er ein System erschaffen, das auf Jugendlichkeit setzt - und das er nun verfeinert. Um im 4-3-3 stabiler zu werden, gönnt sich der Verein des US-Besitzers Stan Kroenke in diesen Tagen Englands Königstransfer: Für an die 120 Millionen Euro kommt Declan Rice, 24, von West Ham United, den sich auch die Bayern gerne ins Schaufenster gestellt hätten. Seine Körperlichkeit, gepaart mit Organisationstalent und Angriffslust, geben dem Team noch mehr Optionen - und augenscheinlich setzt sich mit ihm eine Verjüngungskur fort.

So ist auch der Abschied des langjährigen Kapitäns Granit Xhaka, 30, zu deuten. Ihn gab man - unter anderem aus Altersgründen - nach Leverkusen ab. Als neuer Mann für die rechte Seite ist Ajax-Verteidiger Jurrien Timber, 22, vorgesehen, sein Transfer steht ebenfalls vor dem Abschluss, 51 Millionen soll er kosten. Und für den Fluss in der Vorwärtsbewegung baut Arteta auf Havertz, der in Verbindung mit Ødegaard, 24, und den Flügelspielern Bukayo Saka, 21, und Gabriel Martinelli, 22, Arsenals Zuliefer -und Vollstreckerkette bilden soll.

Für ganz vorne ist weiterhin Gabriel Jesus, 26, vorgesehen, der einzige Neuner neben dem aus Reims zurückgekehrten Folarin Balogun, 22. Dass es um den US-Stürmer (21 Saisontore in der Ligue 1) Gerüchte wegen eines Wechsels zu RB Leipzig gibt, macht die Sache etwas kompliziert. Denn im Arsenal-Angriff wird's dünn. Andererseits ist Jesus auch kein ganz untalentierter Mann: Er traf vor einem Jahr bei seinem Debüt prompt doppelt - und das gegen den großen, kleinen 1. FC Nürnberg.

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