Sieg gegen Chelsea:Arsenals flüchtiger Moment der Erhabenheit

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Arsenals deutscher Keeper Bernd Leno (rechts) hielt am Ende auch noch einen Elfmeter. (Foto: Julian Finney/AP)

Die Londoner durchleben eine Saison voller Wackler und Probleme, aber ausgerechnet im Derby gelingt ein großer Weihnachtsauftritt - bei Verlierer Chelsea gibt es Kritik an Timo Werner.

Von Sven Haist, London

Passend zu Weihnachten beschenkte der FC Arsenal seine Fans mit einer lang ersehnten Namensspielerei. Sie hat ihren Ursprung im 1960er-Jahre-Diskohit "I Want To Take You Higher" der Band Sly & The Family Stone, dessen Refrain die Stelle enthält: "Boom-Shaka-Laka-Laka!" Vor allem Basketball-Fans hatten bisher diesen Slang-Text adoptiert, weil dessen Aussprache dem Sound eines krachenden Dunkings ähnelt, bei dem der Ball mit beiden Händen von oben in den Korb gestopft wird.

Als sich Bukayo Saka vor zwei Jahren von den Junioren bei Arsenal zu den Profis hochspielte, kombinierten die Anhänger sofort seinen Nachnamen mit den Namen der Mitspieler Alexandre "Laca" Lacazette und Granit Xhaka. Hintereinander gesprochen klingen die Namen wie die Lautform des verehrten "Shaka-Laka-Laka". Allerdings boten die drei Arsenal-Spieler kaum Anlass zur intensiven Abwandlung des Refrains - bis zum Boxing Day am Samstagabend.

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Beim 3:1 im London-Derby gegen den aktuell weit höher eingestuften FC Chelsea trafen für Arsenal erstmals Lacazette (34./Elfmeter), Xhaka (44./Freistoß) und Saka (56./Kunstschuss) zusammen in einem Pflichtspiel. Und nun konnten Arsenal-Getreue fast gar nicht mehr anders, als zu rufen: Boom-Laca-Xhaka-Saka!

Diesen flüchtigen Moment der Erhabenheit kostete Arsenal mit seinen Fans in den sozialen Medien aus. Man kann das gut nachvollziehen, nachdem die bis dato letzte Meisterschaft des Klubs - Boom-Shaka-Laka-Laka! - mittlerweile 16 Jahre her ist. Damals verloren die "Invincibles", die Unbesiegbaren, kein Spiel in der Premier League.

Von einem solche Ausreißer nach oben hat sich Arsenal sukzessive weit entfernt. Nach drei Jahren ohne Champions League und in der grauen Gegenwart von sieben sieglosen Ligaspielen in Serie, mit lediglich drei Toren, haben die Gunners mit dem Prestigeerfolg über Chelsea zumindest ein weiteres Absinken in der Tabelle verhindert. Viel tiefer hätte es sowieso nicht mehr gehen können, weil der Klub vor dem Spieltag auf Platz 15 nur vier Punkte oberhalb der Abstiegsränge lag.

Das positive Derbyresultat könnte einen Heilungsprozess für den Klub einleiten - und Mikel Arteta entlasten, der auf den Tag genau vor einem Jahr am zweiten Weihnachtsfeiertag sein erstes Spiel als Arsenal-Trainer bestritt (1:1 in Bournemouth).

Stattdessen rücken die englischen Medien jetzt dem Chelsea-Coach Frank Lampard auf die Pelle. Sein Team hat den Sprung in die Spitzengruppe verpasst und weiterhin noch keinen Klub aus den Top-9 der Tabelle besiegt - deutlich zu wenig nach Transfers in Höhe von rund einer Viertelmilliarde Euro. Mit der Wahl der Startelf im Stadtduell mit Arsenal hat sich Lampard zudem zum wiederholten Male in dieser Saison, in der er bereits 27 Spieler einsetzte, keinen Gefallen getan.

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Trotz üppiger Alternativen liefen die angeschlagenen Verteidiger Reece James und Ben Chilwell von Beginn an auf, im Mittelfeld erhielt Mateo Kovacic überraschend den Vorzug vor dem aus Leverkusen geholten Kai Havertz, der lediglich für 16 Minuten mitmachen durfte. Und Timo Werner agierte gegen die Gunners erneut auf der ungeliebten Position des linken Außenangreifers. Schon zur Halbzeit wechselte Lampard den früheren Leipziger Torjäger aus - Begründung: Werner habe dem Team "mit und ohne Ball nicht genug" gegeben.

Seit zehn Pflichtspielen wartet der deutsche Nationalstürmer bereits auf ein Tor - so lange wie zuletzt zwischen März und September 2016, als Werner in zwölf Bundesliga-Partien in Serie nicht traf. Ebenfalls zur Pause musste Kovacic seinen Platz für Jorginho räumen, der in der 91. Minute seinen bereits dritten Elfmeter in dieser Saison vergab. Auf der Bank reagierte Frankreichs Nationalstürmer Olivier Giroud mit Sarkasmus auf seine Nicht-Berücksichtigung gegen seinen Ex-Verein Arsenal. Seinem internen Kontrahenten Tammy Abraham gelang der späte Ehrentreffer (1:3/85.).

Am schlimmsten dürfte für Lampard jedoch gewesen sein, keinen Vorteil aus dem geschwächten Arsenal gezogen zu haben -, aber vermutlich lag genau darin die Schwierigkeit des Tages für Chelsea. Denn während Arsenals zurückliegender Negativserie musste sich Arteta die Kritik anhören, zu oft an etablierten Spielern festzuhalten.

Diesmal nutzte er die Abwesenheit einiger Stammkräfte für einen Umschwung im Team, indem er auf Rekordzugang Nicolas Pépé und auf den angeschlagenen Kapitän, den früheren Dortmunder Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang, verzichtete. Als deren Vertreter tobten sich in der Offensive die jungen, unbelasteten Saka, 19, Martinelli, 19, und Rowe, 20, aus, deren Tatendrang das Team inspirierte.

Nach gutem Saisonstart schien Arsenal durch einige Unstimmigkeiten aus der Balance gekommen zu sein. Zunächst ging es um den Disput zwischen Arteta und Abwehrchef David Luiz (fehlte gegen Chelsea grippekrank). Im Herbst beklagte sich Luiz, 33, über seine Missachtung am Spieltag, weil er aus seiner Sicht nach auskurierter Verletzung wieder einsatzfähig gewesen wäre. Während den Länderspielen im November verpasste Luiz dann seinem Kollegen Dani Ceballos nach einem Trainingszwist eine blutige Nase. Zum Unmut von Arteta wurde der Vorfall an die Öffentlichkeit getragen.

Kürzlich dann prallte Luiz beim 1:2 mit einem Gegenspieler der Wolverhampton Wanderers heftig zusammen. In Abstimmung mit Arteta ließ die medizinische Abteilung des Klubs Luiz eine halbe Stunde lang weiterspielen, ehe später eine Kopfverletzung diagnostiziert werden konnte, die eine zweiwöchige Pause bedingte. Mit dem Brasilianer wollte sich Chelseas Coach Lampard einst im Sommer 2019 wohl nicht abmühen, woraufhin er entschied, den sehr fähigen, aber nicht leicht zu führenden Luiz lieber an Arsenal abzugeben.

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Neben der Luiz-Posse kassierte Arsenal vor Weihnachten drei Platzverweise in fünf Ligaspielen, darunter Tätlichkeiten von Xhaka und Pépé. Passend zur Gesamtsituation war auch die Ausbeute des Torjägers Aubameyang: Seit der kostspieligen Vertragsverlängerung im September bis 2023 gelangen ihm nur zwei Ligatreffer.

Zudem fehlt seit Wochen der für 50 Millionen Euro von Atlético fürs Mittelfeld geholte Thomas Partey, dessen alte Oberschenkelblessur aufgebrochen ist. Und die medialen Wortbeiträge des ausgemusterten Spielmachers Mesut Özil - gerade scheint er damit beschäftigt zu sein, seine Zukunft zu gestalten, Tendenz: türkische Liga - helfen Arsenal auch nicht, um endlich zur Ruhe zu kommen. Aber vielleicht hat der Klub das schlechte Karma nun zu Weihnachten erst mal verschrien: Boom-Laca-Xhaka-Saka!

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