Vor einem Jahr war Ante Rebic unter jenen Frankfurtern, die im Olympiastadion von Berlin bittere Tränen vergossen. Mit 1:2 hatten sie im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund verloren; Rebic ließ seinen Emotionen freien Lauf, und Trainer Niko Kovac hatte Mühe, ihn wieder zu beruhigen. Wer weiß, ob Rebic jene Szenen durch den Kopf schossen, als ihn plötzlich das Gefühl übermannte, zum Helden des Pokalfinales auserkoren worden zu sein: Nach sieben Minuten schoss er das 1:0, nach 82 Minuten das 2:1, das der Eintracht den Weg zum fünften Pokalsieg ihrer Geschichte ebnete. Und zum ersten seit 1988, als der Held ein Ungar namens Lajos Detari war.
Damals war Rebic, 24, noch nicht auf der Welt, geboren wurde er 1993 in Split. Und wer weiß, wann er von der Existenz der Eintracht erfuhr, der er seit 2016 angehört, und bei der er eine Heimat gefunden hat. Er kam zunächst zur Leihe an den Main; als er zu Beginn der abgelaufenen Saison bei seinem damaligen Hauptarbeitgeber AC Florenz nicht zum Einsatz kam, kehrte er nach Frankfurt zurück. Zu seinem Ziehvater Niko Kovac, der wie er Kroate ist - und ihn schon in der kroatischen U21-Nationalmannschaft betreut und zur Weltmeisterschaft 2014 nach Brasilien mitgenommen hatte. Nun hat er auch gute Chancen, zur WM nach Russland zu fahren: Er steht im vorläufigen WM-Kader der Kroaten.

Frankfurts Sieg im DFB-Pokal:Mit Herz und Härte
Frankfurt besiegt den hohen Favoriten FC Bayern und beschenkt Trainer Niko Kovac mit dem ersten Titel. Die Münchner verschwinden vor der Siegerehrung der Eintracht in der Kabine - Jupp Heynckes spricht von einem Versehen, Joshua Kimmich entschuldigt sich.
Alles, was Kovac an Rebic schätzt, kam in der Szene, die zum 1:0 der Frankfurter führte, formidabel zur Geltung. Rebic hatte darauf spekuliert, dass Bayerns Innenverteidiger Niklas Süle den Regisseur James Rodríguez anspielen würde - und Rebic vermutete natürlich auch, dass James nicht roch, dass er sich in seinem Rücken anschickte, auf ihn zuzuschnellen wie ein Raubtier. Was folgte, hatte die Zwangsläufigkeit von Naturgesetzen. Rebic jagte James den Ball ab und fand in Kevin-Prince Boateng, der so etwas wie die Sturmspitze spielte, einen kongenialen Partner. Boateng sah den Raum, der sich zwischen Süle und Innenverteidiger Mats Hummels auftat und bediente Rebic. Mit dem Willen, alles niederzuwalzen, was sich ihm in den Weg stellte, erlief er den Ball; legte ihn sich kurz zurecht und schoss dann aus kaum mehr als 16 Metern ein. Bayerns Torwart Sven Ulreich war ohne Chance. Und konnte nur noch dabei zusehen, wie Rebic sich selbst auf den mächtigen Brustkorb prügelte.
Für Rebic war das das siebte Pflichtspieltor der laufenden Saison. Wie wichtig er für die Eintracht ist, wurde in den Wochen deutlich, in denen die Eintracht ihre Optionen auf einen Champions-League-Platz verspielte. Eine Wadenverletzung setzte ihn wochenlang außer Gefecht, die Eintracht sackte sachte, aber sicher auf Tabellenplatz acht der Bundesliga ab. Nun war er rechtzeitig wieder da, sorgte dafür, dass Eintracht-Legende Alexander Meier in Berlin nur auf der Tribüne saß, und bewies, dass dies die richtige Entscheidung war.
Wie kein Zweiter verkörperte er, was Trainer Kovac vorab aus den vergangenen Tagen berichtet hatte: dass er nicht die geringste Anstrengung darauf verwenden musste, seine Mannschaft dazu zu bringen, "den Fokus (aufs Pokalfinale) zu suchen und zu finden". Rebic, den Kovac in der Vergangenheit immer wieder ermahnen musste, auch nach hinten zu arbeiten, war am Samstag ein Wiedergänger Stachanows - jenes Bergarbeiters, der in den Dreißiger Jahren von der Sowjet-Propaganda dafür gefeiert wurde, dass er als Hauer in einer Grube (angeblich) 102 Tonnen Kohle gefördert hatte. Nur einmal hatte er nicht auf seinen Gegenspieler Joshua Kimmich aufgepasst - und da legte der dann gleich den zwischenzeitlichen Ausgleich von Robert Lewandowski (53.) vor.
Ansonsten aber beackerte Rebic die linke Außenbahn im Stile von Hans-Peter Briegel. Und hatte nicht die geringste Scheu, seinen bulligen Körper einzusetzen. Das war bei seinem Siegtor nicht anders. Nach einem Befreiungsschlag von Verteidiger Danny da Costa von der rechten Abwehrseite, nahm er Hummels, der kurz zuvor per Kopf nur die Latte des Frankfurter Tores getroffen hatte, Meter um Meter ab - und überwand Ulreich erneut. Als der Ball im Netz lag, sprang er über die Werbebande, lief in die Kurve der Frankfurter Fans und riss sich das Trikot vom Leib - während Schiedsrichter Felix Zwayer den Videobeweis aktivierte und letztlich das Tor gab.
Rebic reißt nach dem Schlusspfiff Trainer Kovac um
Die Schlussminuten erlebte Rebic auf der Bank, er wurde ausgewechselt, um Zeit zu schinden. Er litt, als Referee Zwayer wieder den Videoschiedsrichter konsultierte, um eine mögliche Elfmeterszene aufzulösen. Und er schrie, als Mijat Gacinovic in den letzten Sekunden eines erinnerungswürdigen Finales über den ganzen Platz stürmte, um den 3:1-Endstand herzustellen; Gacinovic traf in das Tor, das Bayern-Torwart Ulreich verlassen hatte, um im Frankfurter Strafraum bei einem Eckball für Verwirrung zu sorgen.
Als dann gleich danach der Schlusspfif ertönte, sprang Rebic wieder auf - und bedankte sich bei seinem Ziehvater Kovac. Auf seine Art: Er nahm seinen Trainer in den Schwitzkasten und riss ihn um vor Freude.