Eintracht Frankfurt:Kovac wird vom Erfolg überwältigt

Bayern München - Eintracht Frankfurt

Zweimal Strahlen: Niko Kovac mit dem DFB-Pokal.

(Foto: dpa)
  • "Mit einer taktischen Meisterleistung" verabschiedet sich Nico Kovac als Trainer von Eintracht Frankfurt.
  • Nach dem Pokalsieg gegen seinen künftigen Klub FC Bayern wird er von seinen Gefühlen überwältigt und sagt: "Ich gehe und wir sind Pokalsieger und das ist, was bleiben wird."

Von Saskia Aleythe, Berlin

Der verletzliche Niko Kovac zeigte sich, als sein Hemd schon tropfte. Erst hatte es beinahe philosophisch geklungen, wie der Trainer von Eintracht Frankfurt diese Pressekonferenz startete, "das Denken beeinflusst das Handeln", hatte er gesagt, "das hat den Ausschlag gegeben, dass meine Jungs es unbedingt wollten." Mit 3:1 den FC Bayern zu besiegen, und dann auch noch im Finale des DFB-Pokals, das sorgte dann auch dafür, dass plötzlich Kevin-Prince Boateng mit Bierglas das Podium stürmte, begleitet von dem Rest der Mannschaft. Und als Kovac das durchnässte Jackett abgeworfen hatte, sagte er auf die Frage zu seinen vergangenen Wochen in Frankfurt: "Ich habe wirklich nichts verbrochen. Ich habe niemanden umgebracht - gar nichts." Und man merkte an der drastischen Wortwahl, wie es in ihm gearbeitet hatte.

Es war unmöglich, diesen Abend des überraschenden Frankfurter Pokalsiegs von der Geschichte des Niko Kovac zu trennen. Noch vor vier Wochen hatte er in Frankfurt ein mittelschweres Beben ausgelöst mit der Bekanntgabe, von 1. Juli an die Münchner zu trainieren - am Samstagabend war er im Berliner Olympiastadion dann doch wieder der Liebling der Frankfurter. "Unser Trainer hat eine taktische Meisterleistung vollbracht. Heute hat die Mannschaft ein Stück Geschichte geschrieben", sagte Sportdirektor Bruno Hübner. Doppeltorschütze Ante Rebic rang Kovac mit Schlusspfiff zu Boden, später stand der Trainer selber in der Fankurve und weinte vor Rührung ob der Sprechchöre, die ihm entgegen hallten.

"Wir haben einiges geschafft heute, das ist Wahnsinn. Wir sind Pokalsieger geworden, wir spielen international", sagte der 46-Jährige und verlor sich in der Analyse immer wieder in Gedanken an seine letzten zwei Jahre bei der Eintracht und seinen Abschied. Überwältigung hatte an diesem 19. Mai das Gesicht von Niko Kovac.

Wer die Statistiken über dieses Finale zu sehen bekam, sah unter dem Spielstand erstaunliche Zahlen: 22 zu acht Torschüsse, 77 Prozent Ballbesitz, 56 Prozent Zweikampf-Quote - alles für die Bayern, die am Ende trotzdem unterlegen waren. "Mit der Aufstellung 4-3-3 haben wir nicht passiv agiert, wir wollten schon auch nach vorne spielen", sagte Kovac, "hatten aber einen starken Gegner, der das nicht so zugelassen hat." Dass die Münchner zuletzt schon beim 1:4 im letzten Ligaspiel gegen den VfB Stuttgart empfänglich für Kontertore waren, hatte man sich in Frankfurt gut notiert. "Wir gingen durch ein Kontertor in Führung, das war auch unser Ziel", erklärte Kovac, "wir wussten, dass die Bayern sehr viel Ballbesitz haben würden, aber wenn sie den Ball verlieren, müssen wir umschalten." Und so war es halt zwei Mal Ante Rebic, der im Sprint der Münchner Innenverteidung enteilen und in der elften und 82. Minute seine Chancen nutzen konnte.

"Wir sind der glückliche, aber nicht unverdiente Sieger"

Beim letzten Aufeinandertreffen mit den Münchnern Ende April waren die Frankfurter noch mit 1:4 untergegangen, profitierten nun aber vor allem von drei Dingen: Dem wieder genesenen Rebic, der geschwächten Münchner Moral durch das Aus im Champions-League-Halbfinale - und vom Glück des Tüchtigen, wie Kovac selber befand. Zweimal hatte der Videoschiedsrichter in die Partie eingegriffen, zweimal jubelte Frankfurt. "Videobeweise sind immer... sehr sehr schwierig", sagte Kovac zu den Szenen und lachte kurz auf, "ich war froh, dass der Schiedsrichter zweimal die richtige Entscheidung für uns getroffen hat. Wobei beim zweiten Mal hätte es mit Sicherheit Elfmeter geben können." Und dann korrigierte er "können" sofort in "müssen".

In der 95. Minute hatte Boateng Javi Martinez im Strafraum am Knöchel getroffen, die Aktion blieb unbestraft. Ein Ausgleich wäre da noch möglich gewesen. "Wir sind der glückliche, aber nicht unverdiente Sieger", befand Kovac schließlich und lag damit ganz richtig: Zu viele Chancen hatte sich der FC Bayern vorher entgehen lassen. Siehe auch: 22 Torschüsse.

Als kurz vor 23 Uhr dann Alex Meier den Pokal in die Höhe strecken durfte, hüpften Frankfurter Herzen am höchsten. Erst im letzten Bundesligaspiel gegen den HSV konnte Meier sein Comeback nach langer Krankheit geben und bedankte sich mit einem Tor. Kovac hatte seinen Matchplan nun ohne ihn entworfen und berief ihn nicht in den Kader, zeigte sich aber als Mann, der Verdienste zu schätzen weiß. "Ich habe zu Alex gesagt: Wenn wir es schaffen - und ich gehe davon felsenfest aus, dass wir es schaffen - wirst du derjenige sein, der den Pokal in die Höhe trägt. Weil Alex ist eben Alex. Er hat in 14 Jahren eine super Arbeit geleistet."

Kovac lobt auch die Arbeit von Bobic

Und die attestierte der Trainer auch Sportvorstand Fredi Bobic, mit dem er in den vergangenen Wochen ob des Bayern-Vertrags nicht nur friedliche Momente erlebte. "Es freut mich auch für den Fredi", sagte Kovac also, "das sind zwei Jahre harte Arbeit gewesen. Das ist Planen, Organisierung und auch mal Hinfallen. Der Sieg ist auch ganz klar seiner." Im Liga-Endspurt 2016 hatte Kovac die Frankfurter übernommen und vermied mit ihnen gerade so den Absturz in die zweite Liga. "Wir sind vom Fast-Absteiger zum Sieger geworden", stellte er nun fest. Und sagte es stolz und nicht ungläubig.

Während in den Gängen Torwart Lukas Hradecky Bierflaschen verteilte, beinahe zwei Stunden nach Abpfiff noch immer ungeduscht, gedachte Kovac seiner letzten Stunden als Frankfurter. "Das ist ein schwerer Abschied, aber trotzdem ein schöner", sagte er und wählte dann schon vor dem Tag der Siegerfeier in Frankfurt die eigentlich perfekten Worte: "Ich gehe und wir sind Pokalsieger und das ist, was bleiben wird."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: