Affären um WM-Vergaben:Die Fifa-Nummer mit Afrika

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Der Weltfußball 2008 zu Gast in Ghana (von links): Afrikas Verbandschef Issa Hayatou, Fifa-Chef Sepp Blatter (derzeit gesperrt) und Uefa-Chef Michel Platini (derzeit gesperrt). (Foto: Bruno Domingos/Reuters)
  • Die Ermittlungen rund um die Fifa fügen sich zu einem Bild.
  • Mitarbeiter könnten das Korruptionsreich des Fußball-Weltverbandes mithilfe der WM-Konten gesteuert haben.
  • Über die Finanztransfers bei Großveranstaltungen ließ sich vieles tarnen.

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Schwarze Kassen haben meist die Eigenart, unsichtbar zu sein. Der Eingang des Geldes taucht weder in der Buchhaltung noch im Haushalt auf. "Cash in de Täsch", sagen rheinische Klüngler gern. Manchmal wird der Vorgang in den Büchern auch scheinbar sichtbar, aber der eigentliche Zweck der Zahlung und die Verwendung des Geldes werden verdeckt. Allenfalls ein paar Insider sind eingeweiht.

So was gibt es selbst bei kleinen Sportvereinen. Da kommt es schon mal vor, dass sich Mannschaften heimlich eigene Kassen zulegen, um ein großes Fest zu organisieren. Oder die Altherrenmannschaft bezahlt damit die Reise zum Ballermann. Solches Hantieren kann, auch bei den Kleinen, den Tatbestand der Untreue erfüllen. Der Vorstand hat dann gegen die Vermögensbetreuungspflicht verstoßen. Untreue in Form des Treuebruchtatbestandes - so sagen Juristen dazu.

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Zwei Wochen nach dem Beginn der Affäre um das deutsche Organisationskomitee (OK) für die Fußball-WM 2006 und die Weltregierung des Fußballs, die korrupte Fifa, ist zwar noch nicht vollständig geklärt, welche der beiden Organisationen die schwarze Kasse unterhielt, die mit 6,7 Millionen Euro ausgestattet war. Doch das meiste spricht dafür, dass sie bei der Fifa stand. Das "verdichtet sich immer mehr", sagt einer, der ganz nah dran ist am Geschehen. Die Fifa hat viele Jahrzehnte nach den Gesetzen Palermos funktioniert: Nur wer krumme Wege mitging, bekam eine WM. Mit Geld und Beziehungen war alles zu kaufen. Systemimmanente Korruption.

Für den Verdacht, dass es eine deutsche schwarze Kasse gab, mit der angeblich im Jahr 2000 Stimmen bei der WM-Vergabe gekauft wurden, spricht wenig. Wenn man Revue passieren lässt, was in den vergangenen zwei Wochen passiert ist und was es an unterschiedlichsten Erklärungen gab, muss man vielleicht sogar sagen: Gegen die Existenz einer deutschen schwarzen Kasse spricht vor allem, dass der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger nimmermüde von ihr redet. Er ist der Kronzeuge des Spiegel für die vermeintliche Existenz einer solchen Kasse. Doch bei den Zeitangaben, die Zwanziger macht - also den üblichen Fragen, wer wann was gewusst haben soll -, geht es drunter und drüber. Auffällig erscheint schon, dass er als Ex- Finanzverantwortlicher von dem echten (unlauteren) Zweck der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung des OK im April 2005 keine Ahnung gehabt haben soll. Aber die anderen, Wolfgang Niersbach vor allem, heute DFB-Präsident, sollen durchgeblickt haben.

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Man muss jetzt nicht über Moral sprechen. Aber wäre es eigentlich unmoralischer gewesen, selbst zu bestechen, als das Geld irgendwelchen Corruptis der Fifa zu überlassen? Dass die Fifa den Eingang des Geldes nicht bestätigen kann, spricht jedenfalls nicht dagegen, dass das Geld geflossen ist. Schwarzgeld geht eigene Wege. Und wer sich bei der Behauptung, alles sei mit rechten Dingen zugegangen, ausgerechnet auf Sepp Blatter beruft, ist entweder zynisch oder Kabarettist.

Bei der Frage, wie das mit den Millionen Euro bei der Fifa gelaufen sein könnte, gibt es zwei Spuren: Eine deutsche und eine südafrikanische Spur. Beide haben mit Afrika zu tun. Einmal geht es um "Solidarität mit Afrika". Das andere Mal um die "afrikanische Diaspora", der unbedingt mit Geld geholfen werden müsse.

Der Begriff von der afrikanischen Diaspora taucht auf in einer 161 Seiten starken Klage aus den USA gegen 14 Verdächtige im Fall Fifa. US-Justizministerin Loretta Lynch sprach im Mai von "systemischer" Korruption. "Wieder und wieder" hätten sich Verantwortliche bestechen lassen: "Jahr für Jahr, Turnier für Turnier."

Den Ermittlern zufolge war Jack Warner, ein Funktionär aus Trinidad und Tobago, die Hauptfigur in diesem Stück. Während Marokko vor der Vergabe der WM 2010 für Warners Stimme angeblich nur eine Million Dollar zahlten wollte, soll ihm Südafrika zehn Millionen Dollar geboten haben. Das Geld sollte als Gabe der Regierung Südafrikas an den karibischen Fußballverband CFU fließen, in dem Jack Warner Präsident war. Das angebliche Ziel war, "der afrikanischen Diaspora" zu helfen. Im Mai 2004 bekam Südafrika von der Mehrheit im Exekutiv-Komitee, darunter Warner, den Zuschlag für 2010.

Den Ermittlungen des FBI zufolge hatte die südafrikanische Regierung aber rechtliche Probleme, das Geld in die Karibik zu überweisen. Das hätte die Staatsanwälte alarmieren können. Laut Anklage soll dann ein hochrangiger Fifa-Mitarbeiter Anfang 2008, vier Jahre nach der Wahl Südafrikas, in drei Tranchen von einem Schweizer Konto exakt zehn Millionen Dollar auf ein Konto in New York überwiesen haben. Von dort soll das Geld auf Konten in der Karibik weitergeleitet worden sein, die zwar Fußballverbänden gehörten, aber von Warner kontrolliert wurden. Der soll sich, so US-Ermittler, reich bedient haben.

Das läuft so, wie man es sich vorstellt. In der Anklage wird aber darauf verwiesen, dass die Fifa das Geld nicht aus der eigenen Kasse gezahlt habe, es sei verrechnet worden. Mit zehn Millionen Dollar, die Südafrika eigentlich für ein Projekt zugestanden hätten. Passt die Version der amerikanischen Ermittler, würde sich eine alte Theorie erhärten: Bei der Fifa stimmte die Buchhaltung nur zum Schein. Mitarbeiter hätten das Korruptionsreich über WM-Konten gesteuert. Bei der Vielzahl der Transfers ließ sich nur schwer überblicken, was echt und was gefälscht war.

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Nicht nur wegen des Stichworts Afrika, das früher auch beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) häufig im Zusammenhang mit zweifelhaften Vorgängen auftauchte, fühlt man sich an einen rätselhaften deutschen Vorgang erinnert. Im Frühsommer 2003, also drei Jahre vor Beginn der Heim-WM, hatte die Fifa mit dem OK über "Accomodation und Ticketing" korrespondiert, also über Hotels und Eintrittskarten. Die Fifa bot dem Turnierausrichter die Abtretung bestimmter Rechte an und verlangte dafür, quasi zur Abtretung der Rechte, 40 Millionen Euro.

Auch dabei kam Afrika ins Spiel. Die Deutschen sollten einen Teilbetrag in Höhe von sieben Millionen Euro "zum Zeichen der Solidarität mit Afrika" überweisen. Zweck: "Sicherung von Know-how-Transfers für die Fifa-WM 2010", als deren Austragungsort dann, ein Jahr später, Südafrika gewählt wurde. Über die 40-Millionen-Euro-Forderung hat es damals erhebliche Kontroversen gegeben. Das deutsche OK war über die Forderung empört. Und was sollte die "Solidaritätsabgabe für Afrika"? Am Ende, so ein Kompromisspapier, mussten die Deutschen insgesamt 20 Millionen Euro zahlen, die mit eventuellen Gewinnen der WM 2006 verrechnet werden sollten. Das Stichwort Afrika kam bei der Einigung nicht mehr vor.

In DFB-Kreisen hat man mittlerweile den Eindruck, es sei ein Geschäftsmodell der Fifa und ihrer führenden Funktionäre gewesen, sich mit zweifelhaften Forderungen Geld zu besorgen. Die Nummer mit Afrika, die Nummer mit den 6,7 Millionen Euro, das passe gut zusammen. Und es passe gut zu vielen anderen Vorgängen bei der Fifa. Die Frage, wo die 6,7 Millionen Euro geblieben sind, beantwortet das aber nicht. Das wisse man nicht, sagen die deutschen Akteure in diesem Stück. Genau das kann das Problem sein.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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