Eine Villa am See und ein Fußballheld als Fahrer: Dreyfus, ein Lebemann, der gerne dicke Zigarren rauchte, scheint solche Auftritte genossen zu haben. Der 1946 in Paris geborene Sohn einer Händler- und Reederfamilie war reich, hart und durchsetzungsfähig. Wer sich mit ihm einließ, musste nach seinen Regeln spielen. Das lernten auch die beiden Emissäre des deutschen WM-OK; binnen fünf Minuten.
Die Anwaltskanzlei Freshfields, die im Auftrag des DFB die WM-Affäre aufklären soll, hat Schmidt, Zwanziger und Netzer inzwischen befragt und so das Treffen mit dem 2009 verstorbenen Dreyfus rekonstruiert. Und sie hat auch sonst vieles ermittelt, bis hin zu dem von OK-Chef Beckenbauer unterschriebenem Vertrag mit dem früheren Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner, der einer der wohl korruptesten Funktionäre im Fußball-Weltverband war. Die Legende des DFB, man habe die WM 2006 auf sauberem Wege nach Deutschland geholt, löst sich mehr und mehr in Luft auf.
Ob sich die Affäre jemals vollständig aufklären lässt, ist derzeit noch nicht absehbar. Besonders wichtig wäre es zu erfahren, wem aus dem Weltverband Fifa Dreyfus im Jahr 2002 die zehn Millionen Franken, die er dem deutschen OK vorstreckte, gegeben hat. Und warum. War das wirklich eine Art Gebühr dafür, dass die Fifa den Deutschen 250 Millionen Franken Zuschuss für die WM gab? Dann wäre die entscheidende Frage, in welche Kasse bei der Fifa das Geld floss - und warum so diskret. Oder war es vielleicht doch eine nachträgliche Schmiergeldzahlung an irgendwelche Fifa-Funktionäre, damit diese im Juli 2000 bei der Vergabe der WM 2006 für Deutschland stimmten?
Wenn es auf die Knochen geht, hält Netzer lieber Abstand
Diese Fragen stellt auch Freshfields - aber Dreyfus ist tot, und Netzer war nach eigenem Bekunden nur der Chauffeur. Der frühere Profi von Borussia Mönchengladbach und Real Madrid agiert im Geschäftsleben genauso elegant wie früher auf dem Spielfeld: überall dabei, aber wenn es auf die Knochen geht, hält er lieber Abstand. Netzer hat der ARD für viel Geld Fußballspiele verkauft, die er dort dann für viel Geld selbst kommentierte; er war Botschafter für die WM 2006 und später Aufsichtsrat im OK. Und um ein paar lukrative Freundschaftsspiele des FC Bayern München in Ländern wichtiger Fifa-Funktionäre, die bei der WM mit abstimmten, hat er sich als Sportrechtehändler auch gekümmert.
Netzer, der von sich selbst gerne sagt, er sei ja nur ein Angestellter von Dreyfus gewesen, konnte Freshfields außer von dem Treffen in der Villa am Luganer See offenbar nicht viel erzählen. Was es mit den zehn Millionen Schweizer Franken auf sich hatte und wo die geblieben sind: keine Ahnung. Von angeblichen Schmierereien hat er nach eigenem Bekunden nichts gewusst. Manchmal ist es ganz gut, nur der Fahrer zu sein.