Affäre um WM-Vergabe:Beckenbauer will sich erklären - aber nur intern

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ARCHIV - Franz Beckenbauer, Ehrenpräsident des FC Bayern, aufgenommen vor dem WM-Halbfinalspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien in Durban, Südafrika (Archivfoto vom 07.07.2010). Foto: Marcus Brandt/dpa Please refer to http://dpaq.de/FIFA-WM2010-TC (zu dpa-Meldung: ´Tag 1 nach Niersbach: DFB will aufklären - Beckenbauer rückt in Fokus" vom 10.11.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ (Foto: Marcus Brandt/dpa)
  • Der frühere Nationalspieler will den internen DFB-Ermittlern möglicherweise erneut Rede und Antwort stehen.
  • Öffentlich will sich Beckenbauer aber nicht äußern.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, München

Als Franz Beckenbauer mal Probleme mit dem deutschen Fiskus hatte, 1977, da wechselte er gerade zum Fußball-Verein Cosmos New York. Dort erreichte ihn das ZDF, das ein Interview mit dem Nationalspieler und Weltmeister führen wollte. Bevor es losging, fragte Moderator Harry Valerien im Studio in Mainz herum, was denn der Name Beckenbauer den Leuten sage. Die Antwort: "Ach, der Steuerflüchtling."

Gelächter. Beckenbauer, der das mitbekam, regte sich mächtig darüber auf, wie in der alten Heimat über ihn geredet werde. "In Deutschland, scheint's, werden die Dummen nie alle." Sieht er das heute genauso?

Der Mann, den alle den Kaiser nennen, ist in den Mittelpunkt der Affäre um die WM 2006 gerückt. Er hat sich zurückgezogen. Er sagt öffentlich kein Wort. Aber: Nach einer ersten Befragung durch die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zur Aufklärung der Affäre eingesetzten Anwaltskanzlei Freshfields vor wenigen Wochen will er möglicherweise erneut Rede und Antwort stehen. Das deutete der frühere Nationalspieler und Teamchef der Nationalelf am Mittwoch an. "Franz Beckenbauer steht den zuständigen Gremien weiterhin zur Verfügung und wird sich daher öffentlich nicht äußern", teilte das Management des früheren Präsidenten des Bewerbungs- und Organisationskomitees (OK) für die Weltmeisterschaft 2006 schriftlich mit.

Niersbachs Pressekonferenz warnt Beckenbauer

Zuvor hatten die neuen DFB-Granden den Kaiser flehentlich gebeten, doch zu sagen, wie es damals wirklich war. Aber Beckenbauer zögerte offenbar. Sein ehemaliger Freund Wolfgang Niersbach hat was gesagt - und sich bei einer Pressekonferenz prompt um Kopf und Kragen geredet. Beckenbauer hat das alles in seinem Domizil in Österreich verfolgt und er soll dabei Niersbach sehr unprofessionell gefunden haben. Das reichte ihm wohl erst mal.

Nach seiner ersten Befragung durch Freshfields soll Beckenbauer den Anwälten der Wirtschaftskanzlei noch eine schriftliche Erklärung überreicht haben. Es gibt Leute beim DFB, die zumindest die Zusammenfassung der Erklärung kennen und jetzt sagen, das reiche bei Weitem nicht. Vor allem sei überhaupt nicht klar, was es mit dem ominösen Vertrag auf sich habe, den Beckenbauer und sein Helfer Fedor Radmann im Juli 2000 mit dem damaligen Fifa-Strippenzieher Jack Warner geschlossen haben.

Bayern-Vorstandschef
:Rummenigge: "Wünsche mir sensibleren Umgang mit Beckenbauer"

Bayern Münchens Vorstandschef möchte seinem Freund zur Seite stehen.

Ist der Vertrag, den man als Dokument für eine versuchte Bestechung verstehen kann, später doch irgendwie erfüllt worden? Eine Dankeschön-Spende im Jahr 2002 vielleicht für eine gekaufte Stimme? Der anrüchige Vertrag bekam 2000 nicht den Segen des DFB. Kann es aber sein, dass später auf anderem Wege Schmiergeld bei Warner landete?

Mit Beckenbauer ist es ein bisschen so wie damals nach seinem Umzug in das Land, in dem Fußball nicht Fußball heißt, sondern Soccer. Der Kaiser verliert zunehmend an Reputation in der Republik. Er erinnert an Heinrich IV. in Canossa. Irgendwie verloren. Ob Beckenbauer den Ansehensverlust, den er gerade erleidet, bemerkt, ob der ihm egal ist oder nicht, das weiß man nicht. Der 70-Jährige hat vor ein paar Wochen seinen Sohn Stephan begraben müssen, und was ist der Verlust eines Kindes verglichen mit einer Affäre, die mit Namen wie Jack Warner oder Mohamed Bin Hammam verbunden wird?

Der DFB drängt enorm, und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München, der einst mit und später unter Beckenbauer kickte, tadelt den Verband deshalb: Er wünsche sich "einen etwas sensibleren Umfang mit der Person Beckenbauer", sagte Rummenigge am Mittwoch, "wenn ein Freund in schwierigen Zeiten steht, muss man ihm zur Seite stehen." Aber Ermittlungen dulden kaum Rücksicht auf Verdienste; und in der WM-Affäre gibt es immer mehr Ungereimtheiten, auf allen Seiten.

Freshfields kommt der Wahrheit auf die Spur

Am Anfang drehte sich die Affäre um die ominösen zehn Millionen Schweizer Franken beziehungsweise (inklusive Zinsen bei der Rückzahlung) 6,7 Millionen Euro, die der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus den Deutschen geliehen hatte und die irgendwo bei der Fifa gelandet sein sollen. Es hieß, Beckenbauers Mitstreiter im OK hätten erst Ende 2004 davon erfahren. Diese Version der späten Erkenntnis ist offenbar falsch. Freshfields förderte im DFB Papiere zutage, die eine andere Geschichte erzählen; Notizen, Vermerke, Aufzeichnungen. Sie erzählen die Geschichte, dass bereits ab Anfang 2003 im OK über dieses Thema gesprochen worden sei. Wie das denn sei mit Dreyfus und den zehn Millionen. Es handelt sich, was in diesem Fall nicht ohne Bedeutung ist, um mehrere Vermerke, die sich über das Jahr 2003 ziehen.

Keiner kann also eigentlich so tun, als hätte er von nichts gewusst. Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt, der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger und der in diesem Sommer verstorbene DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder sollen informiert gewesen sein. Was in diesem Zusammenhang das Wort "Information", das der Duden mit "Auskunft, Belehrung" übersetzt, wirklich bedeutet, ist allerdings nicht klar.

Affäre um Fußball-WM 2006
:Ein Papier, das alles verändert

Nun gibt es in der WM-Affäre erstmals einen schweren Bestechungsverdacht. Ganz tief verstrickt: Franz Beckenbauer.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Fest steht aber, dass bei diesen zum Teil mit Hand geschriebenen Notizen im Jahr 2003 der Name des aus Katar stammenden Funktionärs Mohamed Bin Hammam auftaucht, der sich bei der Fifa um die Sache gekümmert habe. Welche Sache? Der Katarer Hammam soll eines der Mitglieder der Fifa-Exekutive gewesen sein, die für die Vergabe der WM nach Deutschland gestimmt haben. Auch Warner hat möglicherweise doch für Deutschland votiert.

Angesichts der bisherigen Ermittlungsergebnisse ist nicht klar, warum den alten DFB-Verantwortlichen jetzt nicht gleich wieder eingefallen sein soll, was man damals schon alles wusste.

Angeblich ist bei einer internen Sichtung im DFB, vor Beginn der Affäre, auch der Vertrag von Beckenbauer mit Warner entdeckt worden, aber das Papier soll beiseitegelegt worden sein. Gut, dass es nicht geschreddert wurde.

Nun heißt es beim DFB: Alles wird untersucht, alles kommt auf den Tisch.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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