Start der dritten Liga:Dorado für Fußball-Traditionalisten und Nostalgiker

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Eines der bekannteren Gesichter in der dritten Liga: Michael Köllner, mittlerweile Trainer des FC Ingolstadt. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Zuschauerrekorde, TV-Übertragungen, bekannte Klubs: Deutschlands dritthöchste Spielklasse hat an Attraktivität dazugewonnen - doch das große Problem bleibt die Wirtschaftlichkeit des Betriebs.

Von Ulrich Hartmann

Pavel Dotchev wirkt nicht gerade sehr betrübt darüber, dass ihn seine Trainerkarriere in die dritte Fußball-Liga geführt hat. Der 57 Jahre alte gebürtige Bulgare hat zwar auch ein paar Zweitligaspiele auf dem Buckel, aber er hat nie einen Klub in der Bundesliga trainiert und auch nie eine Nationalmannschaft. Mit 315 Spielen ist der Coach vom FC Erzgebirge Aue der Rekordtrainer der eingleisigen dritten Liga. Diese Liga geht am Wochenende in ihre 16. Saison - und Dotchev ebenda in seine dreizehnte.

Sieben Klubs, nämlich: Paderborn, Sandhausen, Münster, Rostock, Viktoria Köln, Duisburg und Aue hat Dotchev in der dritten Liga schon trainiert. "Die Arbeit mit den Fußballern hält mich jung", sagt er vergnügt, "und die dritte Liga hat sich qualitativ brutal gut entwickelt." Für die Schiedsrichter, die dort bis jetzt nicht mal einen Vierten Offiziellen am Spielfeldrand zur Unterstützung hatten, macht das die Sache zunehmend schwierig. Den Vierten Offiziellen bekommen sie zwar von der neuen Saison an, aber dass es in der dritten Liga vor allem aus Kostengründen weiterhin keinen Video-Assistenten gibt, findet Dotchev sogar gut. "Ich brauche das nicht, dass man zwei Minuten warten muss, ehe man ein Tor bejubeln kann", sagt er, "der Fußball lebt von den Emotionen, und vielleicht bin ich da ein bisschen altmodisch, aber ich finde: Zu viel Technik ist nicht gut."

Aues Coach heißt weiterhin Pavel Dotchev - er ist kein großer Freund des Videoschiedsrichters. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Profifußball ohne Videobeweis - das gibt es nur noch in der dritten Liga. Ein Dorado für Fußball-Traditionalisten und Nostalgiker. Davon gibt es immer mehr. Im Schnitt knapp 25 000 Zuschauer kamen in der vergangenen Saison zu den Heimspielen von Dynamo Dresden, mehr als 16 000 zu Rot-Weiss Essen, 15 000 zu 1860 München. Mit den Aufsteigern Unterhaching, Ulm, Lübeck und Münster kommen weitere Traditionsvereine hinzu. Doch die Unterschiede zwischen den Klubs sind groß. Mit dem SC Freiburg II und Borussia Dortmund II spielen auch zwei weniger magnetische Mannschaften mit. Im Schnitt exakt 8199 Zuschauer kamen in der vergangenen Saison zu den Drittliga-Spielen - das ist Rekord in 15 Jahren Eingleisigkeit.

In der letzten kompletten Saison (2018/19) vor dem Corona-Ausbruch war die Liga mit durchschnittlichen 8132 Zuschauern bereits auf einem guten Weg, jetzt setzt sie mit dreijähriger Verzögerung ihre Entwicklung fort: die meisten Zuschauer jemals und in der kommenden Saison die meisten TV-Erlöse (34 Millionen zur Verteilung an die Klubs). Die Spiele der nicht von der Deutschen Fußball-Liga, sondern vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) selbst organisierten dritten Liga werden vom Telekom-Sender Magentasport übertragen, ausgesuchte Partien zeigen die dritten Programme der ARD.

Für einen Klub wie den Zweitliga-Absteiger Arminia Bielefeld sind die Erlöseinbußen in der dritten Liga trotzdem dramatisch. Vor zwei Jahren in der Bundesliga erhielt der Klub 35 Millionen Euro Fernsehgeld, vor einem Jahr in der zweiten Liga 19 Millionen - und jetzt in der dritten Liga 1,3 Millionen Euro. Ihren komplett neuen Kader stellte die Arminia nach dem Abstieg vor zwei Monaten deshalb ausschließlich mit ablösefreien und ausgeliehenen Spielern zusammen.

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Es ist nicht der fehlende Videoassistent, es ist nicht die Stimmung in den Stadien, es ist nicht die fußballerische Qualität, die die Klubs bisweilen hektisch antreibt, aus der dritten Liga nach oben ausbrechen zu wollen - es ist das Geld. Mit Ticketverkäufen ist nicht genug zu verdienen. Das Missverhältnis aus geringen Einnahmen und der nicht ganz billigen Zusammenstellung eines aufstiegsfähigen Kaders war der Grund dafür, dass in der dritten Liga bereits zehn Mal allzu riskant kalkulierende Klubs in die Insolvenz mussten. Das stört den Spielbetrieb, das Liga-Image und die Leute beim DFB. Um Ausfälle im laufenden Spielbetrieb zu vermeiden, gibt es neuerdings strengere Auflagen beim Eigenkapital und die Anforderung zusätzlicher Liquidität. Das sind die Ergebnisse einer "Taskforce wirtschaftliche Stabilität dritte Liga". Bei Nichtbeachtung drohen Geldstrafen und Punktabzüge, was schwach kapitalisierten Klubs zwar auch nicht hilft, die Liga aber sauber halten soll.

"Wir versuchen, die Einnahmen weiter zu steigern", sagt Manuel Hartmann als Geschäftsführer Spielbetrieb beim DFB, "denn die Kluft zwischen zweiter und dritter Liga darf nicht zu groß werden." Betrachtet man die TV-Erlöse von Arminia Bielefeld, dann kann die dritte Liga mit der zweiten nicht annähernd mithalten, berücksichtigt man hingegen, dass die SV Elversberg in der vergangenen Saison als Aufsteiger in der dritten Liga direkt durchmarschiert ist in die zweite Liga, dann hat der Darmstädter Tom Eilers als Vorsitzender des DFB-Ausschusses Dritte Liga durchaus Recht, wenn er sagt: "Die Durchlässigkeit wird größer."

Zum Zwecke der Popularität drehen sie in der neuen Saison an ein paar weiteren Stellschrauben: Das bei Fans unbeliebte Montagsspiel wird abgeschafft, der Vierte Offizielle wird eingeführt, und fortan werden statistische Daten zur zentralen Auswertung gesammelt. Damit nähert sich die dritte Liga im Erscheinungsbild der zweiten und der ersten Liga weiter an.

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