TSV 1860 München:Aufbruch ins Ungewisse

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Mit 34,7 km/h unterwegs: Morris Schröter soll bei 1860 mit seiner Erfahrung vorangehen. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Die Torwartfrage ist offen, der gesuchte Mittelstürmer noch nicht da, eine Startelf noch nicht erkennbar: Eine Woche vor dem Saisonstart rätseln die Löwen über ihr Potenzial.

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Maurizio Jacobacci weiß vorne und hinten nicht, was passieren wird. "Ich habe ja noch eine Woche Zeit", sagt der Trainer des TSV 1860 München etwa zur Torwartfrage. Er werde sich auch noch mit dem Torwarttrainer beratschlagen, ob David Richter oder Marco Hiller zum Saisonstart auf dem Platz stehen wird. Und vorne könnte es passieren, dass der gewünschte Strafraumstürmer mit Torgarantie auch zum Drittligabeginn am Samstag gegen Waldhof Mannheim (14 Uhr, Grünwalder Stadion) noch nicht in München angekommen ist. "Viele Spieler, die wir kontaktiert haben, warten auf ein Zweitliga-Engagement", erklärt der 60-jährige Trainer, dann sei es eben schwer. "Wir sind nicht Ingolstadt, das Löhne zahlen kann, die fast mit einer Zweitliga-Mannschaft zu tun haben. Wir sind eine Drittliga-Mannschaft. Wir müssen das auch so akzeptieren."

Jacobacci steht nach den letzten beiden Vorbereitungsspielen gut 20 Minuten auf dem Rasen des SV Heimstetten und gibt noch weitere Ungewissheiten von sich. In den 60 Minuten gegen Borussia Mönchengladbach und in jenen gegen den VfB Stuttgart standen sechs Spieler zwei Mal in der Startelf, ob sich daraus aber auch ein Stamm für eine mögliche Pflichtspiel-Startelf ablesen lassen könne, sagt er nicht so genau. Gegen Gladbach ließ Jacobacci mit einer Viererkette spielen, gegen Stuttgart mit einer Dreierkette, was auch er selbst nicht so gelungen fand. Mit Albion Vrenezi experimentiert Jacobacci im offensiven, zentralen Mittelfeld statt auf der Außenbahn, und der bislang neueste Zugang, Abwehrspieler Leroy Kwadwo, war am Samstag noch gar nicht mit dabei.

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Schon am Mittwoch steht das erste Pflichtspiel an, erste Runde Landespokal beim 300 Kilometer entfernten Achtligisten FC Stockheim. Aber Jacobacci wusste am Samstag noch nicht, ob da verstärkt Stammspieler auflaufen oder nur eine B-Elf. Mit Tendenz freilich zu Letzterem. Das Fazit des Trainers zur Vorbereitung: "Es haben alle gut mitgezogen, jetzt kommt langsam auch diese Frische hinzu. Auch wenn das Niveau noch nicht das ist, das wir haben wollen, das ist klar." Zur Sicherheit jagt Jacobacci auch noch die Bitte nach: "Die Fangemeinschaft muss verstehen, dass wir auch auf sie angewiesen sind." Also: Bitte nicht pfeifen, wenn es gegen Mannheim noch nicht so rund läuft.

Ein Ziel dieser Vorbereitung, wenn wohl nicht explizit auf einen Zettel geschrieben, haben sie sehr gut hinbekommen. Es ist wirklich schwer zu sagen, wann zum letzten Mal die Erwartungen an eine Sechzig-Spielzeit so niedrig waren. Und das muss man in diesem euphorisch-hektischen Klub erst einmal hinbekommen. Es gelang vor allem dank einer immer noch ein bisschen nebulösen Kaderplanung, weil es keinen offiziellen Kaderplaner gibt. Der Sportdirektor, der später einmal die Verantwortung für diesen, von ihm nicht zusammengestellten, Kader übernehmen muss, lässt ähnlich wie der erfahrene Angreifer weiter auf sich warten.

Beim TSV 1860 München fehlt ein Kaderplaner vor dem Saisonstart

Immerhin: Beim Testspiel-Turnier in Heimstetten fielen einige Zugänge sehr viel positiver auf als noch eine Woche zuvor in Unterhaching. Fast alle Außenverteidiger, darunter die Neuen Kaan Kurt oder Kilian Ludewig, zeigten selbstbewusste Ansätze, beim 1:2 gegen Gladbach gelang nach einem Eckball sogar ein Tor durch Manfred Starke, und ab und zu sorgten Spieler sogar für Szenenapplaus, wie zum Beispiel Tarsis Bonga mit einem 60-Meter-Solo auf der rechten Außenbahn.

Einer, der nach eigener Aussage auch vorangehen will, wenn die Fans mal pfeifen sollten, konnte das in den letzten Tests zumindest schon einmal andeuten. "Der Trainer hat gesagt, ich soll eine gewisse Führungsrolle einnehmen, darauf hatte ich einfach Lust", sagt Morris Schröter, der vom Zweitligisten Hansa Rostock kam. Bereits am Freitag saß er im Pressestüberl auf dem Vereinsgelände, direkt vor einer neuen Leinwand, die ihn, Schröter, hochauflösend und fokussiert im ansetzenden Sprint zeigte. Der 27-Jährige findet, er sei im besten Fußballeralter, zudem immer noch einer der schnellsten (in der Spitze 34,7 km/h). Er bringt verhältnismäßig viel Erfahrung mit und erhofft sich vom persönlichen Abstieg in die dritte Liga selbstredend mehr Einsatzzeit.

Aber auch bei Schröter klingt Ungewissheit durch: Viele Mitspieler kenne er fast noch gar nicht, ergo auch nicht das Potenzial der Mannschaft. Obendrein lebe er aktuell noch mit seinen zwei Hunden im Hotel, die Freundin kommt erst noch nach. "Das war alles ein bisschen anders geplant", räumt Schröter ein. Jacobacci sagt: "Es geht nicht nur um das Kennenlernen der Mitspieler. Es geht auch um das neue Umfeld. Man sucht sich eine Wohnung, wo man sich zu Hause fühlt. Das ist noch nicht bei jedem der Fall." Also schwappe auch diese Phase noch in die neue Saison rein, deshalb müsse man auch "ein bisschen Glück auf unserer Seite haben", sagt der Trainer. Also dann: Viel Glück, Löwen!

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