2. Bundesliga:Wieder so 'ne Phase

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Gleich schlägt der Ball im Regensburger Tor ein: Enrico Valentini trifft zum Sieg gegen den Jahn. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Mit dem 1:0-Heimsieg gegen Regensburg verschafft sich der 1. FC Nürnberg weitere Entlastung - und verschärft die Krise beim Jahn.

Von Christoph Leischwitz

Wenige Minuten vor dem Schlusspfiff erhob sich Hans Rothammer von seiner Sitzschale auf der Haupttribüne des Max-Morlock-Stadions und ging hinunter zu der Treppe, die zum Innenraum führt. Er bat den Ordner, die Tür zu öffnen, dann ging er zur Ersatzbank und setzte sich auf den Platz von Trainer Mersad Selimbegovic, der sich freilich gar nicht mehr hinsetzen wollte, es stand ja 1:0 für die Heimelf, den 1. FC Nürnberg; seine Mannschaft versuchte verzweifelt, auf den Ausgleich zu drücken. Nach dem Schlusspfiff blickte Regensburgs Präsident Rothammer zunächst auf sein Handy, dort dürfte er gesehen haben, dass sein SSV Jahn auf den letzten Tabellenplatz der zweiten Bundesliga abgerutscht ist. Dann sah er, wie Mannschaft und Trainer vor der Gästekurve standen und sich alles in Ruhe anhörten, Kritik wie auch Aufmunterungen, Dinge wie: Weiter Vollgas geben, ihr schafft das!

Ein Präsident, der sich während des Spiels auf den Trainerstuhl setzt - bei so manch anderem Verein müsste sich der Coach spätestens dann ernsthafte Gedanken um seine Zukunft machen. In Regensburg allerdings nicht, zumindest noch nicht. Dort haben sich unter der Woche Verein und Co-Trainer Sebastian Dreier auf eine Vertragsauflösung verständigt, und ja, im Umfeld des Vereins wird Unruhe vernommen. Aber "Selimbegovic raus"-Rufe wollen nicht so recht zu einem Oberpfälzer Versmaß passen.

"Wenn du jahrelang so gut arbeitest wie der Mersad und der Jahn, und jetzt einmal so 'ne Phase hast und hinten drin bist, dann ist das eine schwierige Situation. Aber da werden die gemeinsam rauskommen." Das sagte nach dem Spiel ausgerechnet der Trainer des Gegners, der auch gerade so 'ne Phase hatte. Markus Weinzierl war von 2008 bis 2012 Cheftrainer beim Jahn, Selimbegovic einer seiner Spieler. Vor dem Anpfiff des Abstiegskampf-Derbys hatten sich die beiden auch innig auf der Laufbahn umarmt. Es war zudem nur bedingt Weinzierls Mannschaft, die eine Krise der Regensburger verschärft hatte mit dem 1:0-Endergebnis. Das Tor, erzielt durch den Rechtsverteidiger Enrico Valentini per Distanzschuss (56.), hatte Regensburgs Sebastian Nachreiner mit einem verunglückten Befreiungsschuss aufgelegt, Jahn-Keeper Jonas Urbig dürfte den strammen Schuss einfach nicht gesehen haben, jedenfalls bewegte er sich bis zum Einschlag im Tor gar nicht.

"Wenn wir heute verloren hätten, wäre es unruhig geworden", sagt Club-Sportvorstand Dieter Hecking

Der Sieg war insofern nicht unverdient, als dass die Mittelfranken ihre Nervosität ein kleines bisschen besser im Griff hatten als die Oberpfälzer. "Ein schönes Spiel war es nicht", sagte Nürnbergs Florian Flick in seiner Analyse, aber das sei jetzt gerade auch überhaupt nicht wichtig. "Es war aber auch Zeit", merkte Club-Sportvorstand Dieter Hecking an, "wir wissen, wenn wir heute verloren hätten, wäre es unruhig geworden".

Demnach auch für den Cheftrainer. Der sagte, ihm gehe es jetzt, nach dem knappen Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale und dem ersten Dreier des Kalenderjahres, deutlich besser als noch vor wenigen Tagen. Viele Probleme bleiben allerdings bestehen. Der Club hat immer noch die wenigsten Tore geschossen (17), auch der überraschende Startelf-Einsatz von Lukas Schleimer war nicht zwingend geeignet, das Harmlosigkeitsproblem im gegnerischen Strafraum für beendet zu erklären.

Aber aktuell sind die Sorgen in Regensburg freilich größer. Wobei, eigentlich sind sie schon chronisch. Denn Selimbegovic und der Verein betonten seit Beginn der Saisonvorbereitung pausenlos, wie schwer es werden würde, diesmal in der Klasse zu bleiben. "Wir denken positiv", darauf besteht Selimbegovic nun aber, denn "sonst würden wir jetzt mit zwei oder drei Punkten dastehen." Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass dem Jahn im zweiten Anzug entscheidende Qualitäten abgehen. Diesmal fehlten in der Abwehr Benedikt Saller, Steve Breitkreuz und Scott Kennedy, Angreifer Prince Owusu fällt nach dem 1:3 im Heimspiel gegen Bielefeld wegen einer gebrochenen Augenhöhle aus.

Ebenfalls ungewöhnlich ist in Regensburg, dass ausgerechnet auf der Torwart-Position der bedeutendste Personalwechsel vorgenommen wurde - der sich immerhin auszahlt. Jonas Urbig ist ein 19-jähriger Leihspieler vom 1. FC Köln, wo der langjährige Regensburger Sportchef Christian Keller Geschäftsführer ist. Obwohl Urbig noch nie im Profifußball spielte, gibt er bereits die Kommandos und zeigt auffällig wenig Nervosität.

Natürlich dürfte bei anhaltender Erfolglosigkeit selbst beim Jahn der Trainer irgendwann in Frage gestellt werden. Ob man miteinander gesprochen habe, wie es weitergeht? "Wir haben nur ganz grundsätzlich gesprochen", antwortete Selimbegovic, Dinge wie: "Was können wir besser machen, wie können wir enger zusammenrücken." Solange man zueinandersteht, ist ein engeres Zusammenrücken ja auch nicht gleichbedeutend mit Stühlerücken.

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