1. FC Nürnberg:Meppen ist näher als Madrid

1. FC Nürnberg: "Ich hoffe wirklich und bitte darum, dass die Fans den Jungs, die sich zerreißen werden, auch die Unterstützung geben." - Trainer Markus Weinzierl.

"Ich hoffe wirklich und bitte darum, dass die Fans den Jungs, die sich zerreißen werden, auch die Unterstützung geben." - Trainer Markus Weinzierl.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Obwohl der 1. FC Nürnberg zum ersten Mal seit zwölf Jahren im Viertelfinale des DFB-Pokals steht, steckt der Club in einer tiefen Krise. Beobachtungen rund um einen rätselhaften Verein.

Von Sebastian Leisgang

Auf den ersten Blick war alles wie immer. Markus Weinzierl saß in einer schwarzen Trainingsjacke vor der Werbewand, auf der Brust die Initialen und das Wappen des 1. FC Nürnberg. Weinzierl schaute in den Kreis der Reporter, und als er dann die ersten Fragen hörte, erklärte er dies und sagte jenes. Am Ende der Pressekonferenz war es allerdings ein anderer Markus Weinzierl, der sich da erhob und das Podium verließ.

Weinzierl, 48, handelt Medienrunden in aller Regel eher geschäftsmäßig ab, doch dieses Mal war es ein ziemlich energischer Weinzierl gewesen, der da am Freitagnachmittag im kleinen Presseraum am Valznerweiher gesessen hatte. Dieses Mal war Nürnbergs Trainer daran gelegen, eine Botschaft loszuwerden. Er weiß ja, welch große Wucht von der Nordkurve ausgehen kann - er weiß aber auch, dass seine Mannschaft die Saison nur dann zu einem versöhnlichen Ende bringen wird, wenn sich die Wucht gegen die Gegner und nicht gegen die eigenen Spieler richtet.

"Ich hoffe wirklich und bitte darum, dass die Fans den Jungs, die sich zerreißen werden, auch die Unterstützung geben", sagte Weinzierl. Es waren zwar eindringliche Worte, die Nürnbergs Trainer da formulierte, doch er hatte nichts Flehendes an sich wie Christopher Schindler eine Woche zuvor. Als der Kapitän nach dem 0:1 beim Frankenderby in den Katakomben des Fürther Stadions über den mut- und hilflosen Auftritt gesprochen hatte, bettelte er beinahe. In der Stunde der Niederlage kam Schindler wie ein gebrochener Mann daher, doch vier Tage später war er plötzlich einer der gefeierten Elfmeterschützen im Achtelfinale des DFB-Pokals.

Durch die Dramaturgie könnte der Triumph gegen Düsseldorf tatsächlich die Kraft haben, um etwas in Gang zu setzen

Das Max-Morlock-Stadion am Mittwochabend, der Club hat es mit Fortuna Düsseldorf zu tun. Vor dem Spiel bittet der Stadionsprecher die Zuschauer um einen Moment des Innehaltens, Syrien, Türkei, das Erdbeben, es sind schlimme Tage und furchtbare Bilder, die da um die Welt gehen. Auch Nürnberg ist jetzt in Gedanken bei den Opfern. Es ist etwas sehr Spezielles, wenn mehr als 25 000 Menschen versammelt sind und das Einzige, was die Masse in der Februarkälte von sich gibt, Atemwolken sind. Die Stille hat etwas Wohltuendes, weil sie sich wie ein Mantel um einen legt. Das Schweigen der Menge ist nicht nur deshalb irgendwie mystisch, weil es im Kontrast zu dem Lärm der 120 Minuten steht, sondern auch, weil 25 000 Menschen für ein paar Sekunden auf einer Linie sind. Alle sind eins, niemand schert aus, bis man in den Räumen, in denen sich die sehr wichtigen Personen vor dem Spiel verpflegen lassen, eine Gabel fallen hören kann.

Dann rollt der Ball, und am Ende liegen sich die Nürnberger in den Armen. Das Spiel war zäh, und die Fortuna hätte es in der Verlängerung auch für sich entscheiden können, doch in Nürnberg hoffen sie jetzt trotzdem, dass der Sieg etwas auslöst. Durch die Dramaturgie könnte der Triumph ja tatsächlich die Kraft haben, um etwas in Gang zu setzen, der Punkt ist nur, dass er eigentlich etwas in Gang setzen muss, weil sich die Mannschaft längst in eine bedrohliche Lage manövriert hat.

"Dass nicht alles klappt, dass wir nicht über den Dingen stehen, dass wir eine schwierige Situation haben, das müsste jetzt jeder kapiert haben", sagt Weinzierl, "vielleicht können wir es nicht besser oder vielleicht machen wir es im letzten Detail nicht richtig, weil das Selbstvertrauen momentan nicht da ist, aber ganz entscheidend für den Verlauf der nächsten Monate ist die Geschlossenheit im Verein." Er habe auch gegen Düsseldorf wieder Pfiffe gehört, meint Weinzierl: "Und das zieht die Jungs runter."

Auch Sportvorstand Dieter Hecking steht längst in der Kritik

Als es dann trotz der Unmutsbekundungen geschafft ist und der Club zum ersten Mal seit zwölf Jahren im Viertelfinale des Pokals steht, macht sich eine merkwürdige Stimmung breit. Manche sehen erleichtert aus, andere wissen, wie viel Glück dem Triumph zugrunde liegt, ein paar Einzelne singen vom Europapokal, als ob sie nicht wüssten, dass Meppen deutlich näher ist als Madrid.

Die Krise ist mittlerweile so tief, dass sie den Blick in die Geschäftsstelle lenkt. Auch Sportvorstand Dieter Hecking steht längst in der Kritik, weil die Mannschaft, die er mit Sportdirektor Olaf Rebbe zusammengestellt hat, schon seit dem ersten Spiel hinter den Erwartungen bleibt. Auf seinem Weg hat der Club inzwischen derart viele Punkte liegen lassen, dass es jetzt darum geht, nicht schon wieder auf ein Herzschlagfinale um den Klassenverbleib wie 2020 hinzusteuern.

An diesem Samstag haben es die Nürnberger mit Jahn Regensburg zu tun, Weinzierls früherem Verein. Es ist das Duell zwischen dem Vorletzten und dem Vorvorletzten. Der Club kämpft wieder um drei Punkte und doch um so viel mehr. Alle müssen eins sein, niemand darf ausscheren, sonst wird die bedrohliche Lage noch bedrohlicher werden.

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