Kolumne: Hin und weg:Der Selfie-Brief

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Tendenziell sind Reisende viel zu beladen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Passagiere müssen sich während der Sicherheitskontrolle an Flughäfen manchmal von liebgewonnenen Dingen trennen. In Warschau gibt es jetzt einen Service, der das ändern soll.

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Klar, es gibt auch Asketen und Minimalisten. Aber mehrheitlich neigt der Wohlstandsmensch nur zu gerne dazu, allzu viele Dinge mit sich herumzuschleppen. Durchs Leben im Allgemeinen und auf Reisen im Speziellen.

Mitunter immerhin wird der Mensch zum Ausmisten gezwungen, etwa an der Sicherheitskontrolle am Flughafen. Bestimmte Flüssigkeiten und Cremes sowie spitze Gegenstände im Handgepäck oder in den Hosentaschen dürfen nicht mit an Bord der Maschinen. Denn es grassiert die Angst, dass es sich bei dem Mineralwasser eben doch um Flüssigsprengstoff handelt oder einzelne Passagiere in der Lage sein könnten, allein mit Hilfe einer Nagelfeile die Besatzung eines Flugzeugs in ihre Gewalt zu bekommen.

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Über den Sinn und Unsinn solcher Vorschriften kann man unter Sicherheitsaspekten durchaus streiten. In Sachen Entschlackung des Daseins ist es in jedem Fall nur zu begrüßen, dass Menschen sich von Dingen aus ihrem überbordenden Besitz trennen. Vieles davon ist vor allem eine Last, ganz unmittelbar auf Reisen, auf denen man seine Wirbelsäule tendenziell mit viel zu viel Zeug behängt.

Die Kehrseite dieses Kleinreinemachens an der Sicherheitskontrolle ist, dass Tonnen von an sich noch benutzbaren Dingen, seien es gefüllte Bierdosen oder das Strickzeug, im Müll landen. Das ist misslich für die Umwelt, teuer für die Flughäfen - und mitunter sehr ärgerlich für die Passagiere. Und zwar desto ärgerlicher, je höher der materielle und vor allem der ideelle Wert des Gegenstandes ist, von dem man zwangsweise enteignet wird.

An Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main gibt es die Möglichkeit, solche Besitztümer gegen eine Gebühr zu lagern und sie nach der Rückkehr wieder einzusammeln. Das hat im Einzelfall seinen Preis, je nachdem, wie lange man unterwegs ist, erscheint aber durchaus praktikabel.

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Einen anderen Weg geht nun der Flughafen in Warschau: Dort kann man künftig das verbotene Taschenmesser, Erbstück des Großvaters und damit ein unersetzliches Erinnerungsstück, oder aber die mehrere Hundert Euro teure Anti-Aging-Creme mit der Post verschicken. Direkt vom Schalter an der Sicherheitskontrolle zu sich nach Hause. Klingt gut, dürfte auch günstiger sein als die Lagerung am Flughafen. Hat jedoch den einen oder anderen Haken. Der geringste ist, dass der Service zumindest erst einmal nur innerhalb Polens angeboten wird. Berliner beispielsweise, die mangels eines eigenen funktionsfähigen Flughafens auf den in Warschau ausweichen, müssten sich einen Bekannten in Słubice zulegen, an den sie das Päckchen adressieren, und dieses gelegentlich abholen, wenn sie ohnehin gerade in Köpenick zu tun haben.

Vor allem aber ist die Prozedur umständlich: Wer den Service in Anspruch nehmen möchte, muss ein Ticket für die Fast-Track-Kontrolle kaufen. Denn nur an diesem Schalter steht die betreffende Postbox. Ein Sicherheitsbeamter kontrolliert dann den zu versendenden Gegenstand, begleitet einen zur Post, überwacht Verpackung und Abgabe. In derselben Zeit ist man wahrscheinlich noch einmal nach Hause gefahren, um das Taschenmesser in die Wohnung zurückzubringen. In der ansonsten die nächsten Tage niemand ist. Also auch niemand, der die Sendung annehmen könnte, die man sich selbst geschickt hat.

Stefan Fischer ist kein Freund von Heldenverehrung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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