Kolumne: Hin und weg:Fahr mal rüber

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Schnell mal den Fahrstreifen wechseln? Kann sein, dass man so schneller ans Ziel kommt. Muss aber nicht. (Foto: imago stock&people/imago/Frank Sorge)

Gefühlt ist man immer in der falschen Spur - im Supermarkt, am Skilift, und natürlich bei der Grenzkontrolle. Da heißt es: Nerven behalten.

Glosse von Christian Mayer

Es gibt eine alte Supermarktregel, die weder durch Studien noch durch Statistiken belegt ist, sondern durch pure Erfahrung: Stelle dich niemals an der Kasse an, an der ein junger Mann sitzt und die Lebensmittel gemächlich über den Scanner zieht. Das ist mit Sicherheit die Schlange mit der längsten Wartezeit. Reihe dich ein bei den fixen Supermarktheldinnen, den Frauen mittleren Alters, die keine Zeit zu verlieren haben, aber zugleich in jeder Lebenslage die Nerven behalten. Während der junge Mann an der Kasse daneben gerade verzweifelt versucht, den Preis für den Frischkäse zu überprüfen, der vorgestern noch im Sonderangebot war.

Leider ist die Sache im Straßenverkehr nicht ganz so einfach wie im Supermarkt. Und es gibt im Stau auf der Autobahn, bei der Abfertigung an der Grenze oder an der Mautstelle nur eine Konstante: Man steht gefühlt immer in der falschen Spur, denn links und rechts kommen die Autos viel schneller voran. Das Gesetz der Trägheit. Einfach Käse.

Kürzlich etwa an der Grenze zwischen Rumänien und Ungarn, mitten im Urlaubsverkehr: Schon fünf Kilometer vor der Kontrollstation wird man unsanft aus der Ferienruhe gerissen, denn eine Kolonne von Monster-Trucks belegt die rechte Spur, offenbar in einer Endlosschleife gefangen, einige todesmutige Lkw-Fahrer vertreten sich kurz vor der Grenze auf der Fahrbahn noch die Beine. Würde man ja selbst auch gerne machen, ein bisschen Gymnastik, aber dazu ist es zu spät - da vorne ist schon der Endpunkt des fließenden Verkehrs, jene rot markierte Stelle auf der App, der Horror für jeden Menschen mit Bewegungsdrang. Dabei will man doch nur von einem EU-Land in ein anderes EU-Land, die Ausweise liegen griffbereit im Handschuhfach. Und schon ist man im Stau des Sommers, trotz der sechs Spuren, auf denen sich das Elend verteilt.

Man weiß nie, wie aggressiv andere Fahrer ihre Position verteidigen

Autofahrer mit niedriger Frustrationstoleranz fangen jetzt sofort an zu kalkulieren, blitzschnell wägen sie ab: Geht es nicht auf der Außenbahn am schnellsten, ähnlich wie beim Skilift, wo sich die ganz Dreisten von scharf links oder rechts in die Warteschlange hineinpressen? Andererseits ist das ein riskantes Verfahren, weil man nie weiß, wie aggressiv andere Fahrer in der Schlange ihre Position verteidigen. Die Spur in der Mitte, die man als solide Kompromisslösung gewählt hat, erweist sich jedenfalls als totales Desaster, als Dead End.

Und schon meldet sich, leicht schläfrig, aber dennoch mit einer gewissen Schärfe, die Beifahrerin: "Warum stehst du wieder da, wo nichts vorangeht?" Trotz des Stillstands steigt beim Fahrer nun der Puls, er will ansetzen zum klassischen Manöver aller Stau-Geplagten: dem spontanen Spurwechsel. Aktionismus gegen den Frust, zumindest demonstriert man dadurch Handlungsfähigkeit, obwohl man schon hundertmal erlebt hat, wie sinnlos dieser Versuch ist. Ha, der Nebenmann hat eine Sekunde nicht aufgepasst - schon steht man in der Reihe, in der es gerade noch voranging. Doch auch in der neuen Spur bleibt man sofort stecken, während alle anderen Autos ganz langsam Richtung Grenze rollen.

"Hat ja super geklappt", kommentiert die Beifahrerin. Sie klingt jetzt sarkastisch, aber vielleicht muss sie nur dringend auf die Toilette. "Die Letzten werden die Ersten sein", erwidert man schlaff. Auch die Grenzbeamten da vorn scheinen ein Nickerchen zu halten oder sie machen ihre Arbeit einfach nur sehr akribisch. Man selbst ist jedenfalls völlig neben der Spur. Und keine dynamische Supermarktheldin in Sicht, um einen nach vorne zu bringen.

Christian Mayer begnügt sich im Auto gerne mit der Rolle des hilfreichen Beifahrers. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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