Saison 2016/17:Schneller, größer, verrückter - das ist neu in den Wintersportgebieten

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Schlepplifte sterben aus - der Trend geht zu Umlaufbahnen mit beheizten Ledersitzen.

(Foto: imago/Westend61)

Von Jukebox-Apps im Lift bis zur Theaterchoreografie auf der Piste: Die Innovationen treiben in dieser Saison bunte Blüten. Ein Überblick.

Von Dominik Prantl

Darwinismus im Allgäu

Der Schlepplift zählt eindeutig zu den bedrohten Liftarten im Wintersportkosmos, jedenfalls ist sein Bestand seit Jahren rückläufig. Besonders deutlich zeigt sich der Skigebietsdarwinismus (Survival of the Fastest) diesen Winter in den Allgäuer Alpen. Im Skigebiet Balderschwang fiel der 41 Jahre alte Schlepplift einer fünf Millionen Euro teuren Hochgeschwindigkeits-Sesselbahn zum Opfer, auch am nicht weit davon entfernten Fellhorn bei Oberstdorf nimmt eine Sechsersesselbahn mit Haube, Ledersessel und Sitzheizung den Platz der ungeschützt zuckelnden Bügelvorrichtung ein. Der Austausch ist Teil eines 50-Millionen-Euro-Programms der Bergbahnen Oberstdorf und Kleinwalsertal, in dessen Rahmen das Nebelhorn ein neues Gipfelrestaurant erhielt und auch der Skiberg Ifen aufgepeppt werden soll. Im Vergleich mit den Nachbarn aus Tirol wirken die Seilbahnneuerungen im Allgäu aber nahezu putzig.

Giganten in Tirol

Während rund um Oberstdorf noch die letzten Schlepper abgeschraubt werden, haben die Herren der Lifte in den Stubaier und Ötztaler Alpen schon die nächste Stufe der Bergbahn-Evolution erklommen: Der Superlativ ist hier gerade noch gut genug. Die komplett erneuerte Giggijochbahn in Sölden schaufelt mit Hilfe von 134 Kabinen stündlich 4500 statt der zuvor 2800 Personen ins Skigebiet und firmiert deshalb unter "leistungsstärkste Gondelbahn der Welt".

Nur ein Tal weiter östlich avancierte die Eisgratbahn am Stubaier Gletscher dank 64 Millionen Euro zur größten Einzelinvestition eines Skigebiets. Mit 4,7 Kilometern Länge ist sie außerdem die längste 3-S-Bahn der Alpen. Das bezieht sich nur auf die drei Seile, macht aber fast noch mehr her als der Hinweis, dass beim Design der Gondeln die gleichen Gestalter die Finger im Spiel hatten wie bei den Autos von Ferrari, Maserati und Alfa Romeo.

Gleichberechtigung in Österreich

Zwei Jahre lang war die sogenannte Ladies Week des Skigebiets-Verbunds Ski Amadé abgeschafft gewesen, nachdem die Österreichische Gleichstellungsbeauftragte den kostenlosen Wochenskipass für Frauen wegen der Diskriminierung von Männern zurückgepfiffen hatte. Nun kommt das Angebot unter der sonst aus österreichischen Supermärkten bekannten Mengenrabatts-Bezeichnung "1+1 gratis" wieder auf den Markt.

Wer in der letzten Märzwoche im Doppelpack anreist, egal ob Mann und Mann, Frau und Frau oder Lady und Mister, erhält einen der beiden Sechstagesskipässe gratis. Wir jedoch warten auf das kostenlose Refugee Snowcamp am Brenner sowie die Europawoche für alle Brexit-Gegner mit Skipasspreisen wie zu Zeiten des britischen EU-Beitritts 1973 - und auf einen österreichischen Bundespräsidenten, der diese Angebote nicht rückgängig machen möchte.

Ihr Kinderlein kommet

Erwachsene Skifahrer in ein Skigebiet zu locken, ist relativ einfach; im Notfall genügt die Effekthascherei von dreistelligen Pistenkilometer-Zahlen, teuren Liften und 1+1-Gratiswochen. Für Heranwachsende muss nachhaltiger in Pistenarchitektur und Skigebietsvokabular eingegriffen werden. Am Kitzsteinhorn ergeben Steilkurven, kleine Sprünge und Spezialhindernisse deshalb die brandneue "Eagle Line" (Rentnerdeutsch: Abenteuerpiste), während am Kaunertaler Gletscher ab diesem Winter ein 800 Meter langer Run namens Half-Mile-Jib-Line mit verschiedenen Obstacles den Gast jenseits der Tripadvisor- und Snapchat-Generation vor etymologische Rätsel stellt. Fast schon wieder schweizerisch zurückhaltend wirkt da die neue "Funslope" auf der Fiescheralp mit "Steilwänden in Schneckenform, Tunnels, Sprungschanzen, Bodenwellen". Gänzlich ohne Anglizismus kommt die erste kinder- und körperbehindertengerechte Sechsersesselbahn der Schweiz mit vollautomatisierter Bügelverriegelung durch Lasermessung am Schaffürggli aus. Pokémonslopes gibt es keine.

Große Helden und gute Feen

Retter fürs Stubaital

Traditionell erfährt die Skigebietssprache nicht durch den Jugendslang die wundersamsten Verballhornungen, sondern durch Veranstaltungen, also Events. Eine Mischung aus Skibergsteigen, Bergradeln und Gleitschirmfliegen bietet das "Rise & Fall" in Mayrhofen. Die vor allem für Flugakrobaten ausgelegte "Välley Rälley" in Hintertux sowie das mit Hilfe von Pistenbullys und Helikoptern betriebene Gletscherschauspiel "Hannibal" bei Sölden gibt es schon länger. Nun bedient sich ausgerechnet das auf Ferrari-Designer setzende Stubai der griechischen Mythologie und bereichert den inneralpinen Zirkus im Februar um das Ski-und Eventerlebnis "Gaia - Stubai Mutter Erde". Dabei soll das Skigebiet zur Bühne für eine multimediale Ski-Tanzperformance unter der Leitung des Choreografen und Ballettdirektors des Tiroler Landestheaters werden. Die Kurzform der Handlung: "Die Erde ist vom Untergang bedroht. Überindustrialisierung, Umweltverschmutzung, Gier und Korruption regieren die Welt, die vor der Machtübernahme durch die dunkle Armee steht. (...) Einer Frau - Gaia - gelingt gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Retter der Erde, die Flucht ins Stubaital." Ja, es gibt dort jede Menge zu tun.

Gute Feen in Kitzbühel

Im Grunde ist so ein Skigebiet nichts anderes als die Summe aus Liften und Pisten, bereichert durch die Potenz der Unterkünfte und Restaurants. Diese gilt es ständig zu steigern, und zwar dem Image entsprechend. Während in der Schweiz mit einer fast schüchternen Sachlichkeit auf das renovierte 360-Grad-Restaurant Piz Gloria am Schilthorngipfel - immerhin historischer James-Bond-Schauplatz! - hingewiesen wird und die moderne Skihütte in der Region Hochkönig den eher bodenständigen Namen "Die Deantnerin" trägt, müssen es in Kitzbühel schon sieben neue Lodges in der Penthouse-Etage des Kitzbühel Country Clubs (KCC) sein - mit Premium-Service versteht sich. Statt der Wirtin oder der Mitarbeiterin an der Hotelrezeption ruft man in der KCC-Lodge heute die "Gute Fee" (so heißt die wirklich), die einem all diese kaum mehr zu bewältigenden Herausforderungen wie Buchungen von Restaurants, Transfers oder Skipässen abnimmt. Ein ähnliches Chalet-Konzept gibt es übrigens bereits in Lech-Zürs, das heuer freilich ganz andere Neuigkeiten melden kann.

Gut verbunden I

Feierten im vergangenen Winter die Skigebiete Saalbach Hinterglemm / Leogang und Fieberbrunn mit Hilfe einer Zehn-Personen-Umlaufkabinenbahn den Bund für mehr Pistenkilometer und die Ernennung zum größten zusammenhängenden Skigebiet Österreichs, so sind heuer St. Anton (Tirol) und Lech-Zürs (Vorarlberg) an der Reihe. Kerninvestition eines 45 Millionen teuren Bergbahnquartetts ist die Flexenbahn, die den Trittkopf mit der Alpe Rauz verbindet und damit die Skibuslinie zwischen den beiden Orten stilllegt. Erst vor drei Jahren war das Skigebiet Warth-Schröcken durch den ein ganzes Tal überquerenden Auenfeldjet an Lech-Zürs angedockt worden. Insgesamt 305 Pistenkilometer lassen sich damit auf Skiern erschließen.

Gut verbunden II

Noch viel krakenarmiger als Pisten und Lifte erstrecken sich Internet und soziale Medien in die Täler und auf die Gipfel der Alpen - gerne mal in Liften und auf Pisten. Die neue Seilbahn von Solaise, Val d'Isère, ist ebenso mit Wlan ausgestattet wie der neue "ZellamseeXpress". In Letzterem kann man sich in sechs Gondeln zudem über eine Jukebox-App in das Soundsystem der Bahn einloggen und den anderen neun Mitfahrern seinen Musikgeschmack aufdrängen.

Im Val Thorens, Frankreich, feiert das Ski-Flux-System Premiere, welches das Verkehrsaufkommen in Echtzeit auf Bildschirme im Skigebiet übermittelt und Ausweichrouten vorstellt. Châtel, ebenfalls Frankreich, erleichtert Dauernutzern von Handykameras wiederum ihre Selfie-Tour, indem es zehn Instagram-Hotspots auf der Piste ausschildert. Die Krönung der digitalen Neuerungen aber präsentiert Adelboden auf der Tschentenalp. Dort sollen sich Skifahrer künftig für 25 Schweizer Franken von einer Drohne verfolgen und filmen lassen können, wobei es bei dem Angebot derzeit noch Anlaufschwierigkeiten gibt. Vielleicht ist es auch einfach mal wieder an der Zeit, eine Runde Schlepplift zu fahren.

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