Reisebuch: "Great Pubs":Noch ein Pint, bitte!

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Mehr als ein Dutzend Katzen leben im Pub "The Bag of Nails" in Bristol. "Der Laden gehört eigentlich ihnen", sagt der Wirt Luke Daniels. (Foto: Horst A. Friedrichs)

Im vergangenen Jahrzehnt hat jedes vierte Pub in England geschlossen. Umso nachdrücklicher feiert ein Buch diese Institution und stellt besonders bemerkenswerte Lokale vor.

Rezension von Stefan Fischer

Es gibt keinen Grund zu der Annahme, man könnte mit Ivor Braka nicht gut auskommen. Auch wenn er sich nicht sonderlich viel Mühe gibt, auf der Fotografie von Horst A. Friedrichs sympathisch zu wirken. Schwer einzuschätzen ist außerdem, was man von dem Hund zu seinen Füßen zu halten hat, einem Windspiel in Habachtstellung. Braka ist der Wirt des Pubs "The Gunton Arms" in Norwich, und er sagt: "Ich wollte einen Pub, den ich selbst gern besuchen würde. Mir wurde sehr eindringlich geraten, beim Konzept des Lokals an die Gäste zu denken. Aber ich war immer der Meinung, dass man genau das Gegenteil tun sollte. Dass der Kunde König sein soll, hat mir nie eingeleuchtet."

Das Gunton Arms ist eines jener knapp drei Dutzend "Great Pubs" in England, die der Fotograf Horst A. Friedrichs und der Autor Stuart Husband für ihren Band dieses Titels ausgewählt haben. Und Ivor Braka ist nicht der einzige eigenwillige Wirt, den man in dem Buch kennenlernt. John Warland, der das Unternehmen Liquid History Tours gegründet hat, das Spaziergänge zu Londons Pub-Kultur anbietet, schreibt in seinem Vorwort von einer "wunderbaren Auswahl an eklektischen, oftmals exzentrischen Lokalen". Deren Betreiber haben sie dazu gemacht.

Ivor Braka etwa ist zugleich Kunsthändler, und sein Pub, das an einen Landgasthof erinnert, ist so etwas wie seine Galerie. Die Einrichtung ist so gediegen, wie man das wohl vermutet: Es gibt einen Kamin, Ledersessel, viel dunkles Holz, an einer Wand hängt ein Elchschädel. Andererseits sind da Kunstwerke, wie man sie an einem solchen Ort eigentlich nicht erwartet, darunter in einem Raum etliche Neonwerke von Tracey Emin.

Eigentlich ist ein Pub ein vertrauter Ort. Man weiß in der Regel, was man dort zu trinken und zu essen bekommt. Gute Pubs bieten Geborgenheit, sogar Zuflucht. "Sie sind der Dreh- und Angelpunkt des örtlichen Lebens", so Warland in seinem Vorwort. In dem er zugleich Alarm schlägt. Denn nicht erst während der Corona-Pandemie haben die Pubs einen schweren Stand, bereits in dem Jahrzehnt zuvor haben ein Viertel aller Pubs in England geschlossen.

Stuart Husband beschreibt in seinen Texten ein Paradox. Zum einen fahren viele Pub-Betreiber und -Betreiberinnen sehr gut damit, wenn sie sich auf Traditionen berufen. Zum anderen sind sie auch deshalb erfolgreich, weil sie sich in wenigen entscheidenden Dingen verändern und sich damit ein neues Publikum erschließen, ohne das alte zu vergraulen.

Immer wieder stößt man in dem Buch auf Pubs, die vor nicht allzu langer Zeit neu übernommen worden sind. Und deren Wirte erst einmal die alten Tresen und Kacheln und Möbel und Buntglasfenster wieder auf Vordermann gebracht haben. Nicht wenige der Pubs sind bereits im 19. Jahrhundert eröffnet worden, manche noch weitaus früher. Über der Tür des "Ye Olde Cheshire Cheese" in der Fleet Street in London steht: "Rebuild 1667" - wiederaufgebaut nach dem großen Brand ein Jahr zuvor.

Diese gediegene Atmosphäre vieler älterer Pubs, wenn sie denn gepflegt wird, verströmt Behaglichkeit. Es geht nicht um Trends und Moden, sondern um Verlässlichkeit. Etwas anders ist das jedoch bei der Frage, was in die Gläser und auf die Teller kommt. Viele dieser "Great Pubs" bieten Biere von kleinen Brauereien an, einige Gärungen werden ausschließlich in einem bestimmten Lokal ausgeschenkt.

Auch ist die Küche in etlichen der vorgestellten Pubs ambitionierter als in der Regel. "The Butcher's Tap and Grill" in Marlow westlich von London ist angeblich weltweit das einzige Pub mit Zwei-Sterne-Küche. Aber selbst die orientiert sich an klassischen Pub-Gerichten, es gibt Schweinskopfsülze mit Senfmayonnaise und Gurken für fünf Pfund fünfzig oder Gegrilltes mit Pommes - indes von Fleisch aus dem Reifeschrank. Ben Tunnicliffe hat früher in Sterneküchen gearbeitet, nun betreibt er in Penzance das "Tolcarne Inn". Im Hafen der Stadt werden 53 Fischarten umgeschlagen, die sich auf Tunnicliffes Speisekarte wiederfinden.

Natürlich gibt es auch viele Geschichten aus den geschichtsträchtigen Pubs: Vor allem solche darüber, wer wann wo vielleicht zu Gast war. Husband erzählt viele, verbürgt sich aber nicht für deren Wahrheitsgehalt. Am Ende hat man mehr als 30 charmante Porträts gelesen und gesehen, von Orten und Menschen. Hat Kurioses und Widersprüchliches erfahren. Wie sagt zum Beispiel Nancy Swanick, die älter als 90 Jahre ist und seit 1971 das "Peveril of the Peak" in Manchester betreibt: Ein Gastwirt müsse zugleich Demokrat und Autokrat sein.

Horst A. Friedrichs, Stuart Husband : Great Pubs. Eine Reise durch Englands Pub-Kultur. Aus dem Englischen von Cornelius Hartz. Prestel Verlag, München / London / New York 2022. 240 Seiten, 40 Euro.

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