Handtuchstreit am Pool:Der Pool-Paragraf

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Oft ein Ärgernis: stundenlang mit Handtüchern besetzte Liegen am Pool. (Foto: imago stock&people/Waldmüller)

Weil ein Urlauber in einem Hotel auf Rhodos nie eine freie Liege vorgefunden hat, klagte er gegen den Reiseveranstalter. Und siehe: Das Gericht hat ihm ein Handtuch ausgebreitet.

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Wenn die Menschen verreisen, teilen sie sich noch vor dem Ortsausgang in zwei Gruppen. Die einen haben es unterwegs gerne anstrengend. Mindestens kümmern diese Menschen sich - das ist die harmlose Variante - auch in den Ferien selbst ums Frühstück und ums Bettenmachen. Die Hartgesotteneren schultern einen Rucksack und überschreiten ganze Gebirge.

Die anderen indessen haben es unterwegs gerne gemütlich. Sie nehmen im Urlaub deutlich mehr Serviceleistungen in Anspruch als im Alltag. Weil sie es schätzen, wenn sich wenigstens für zwei, drei Wochen im Jahr einmal andere um die lästigen Dinge kümmern. Und sie es sich derweil bequem machen können. Auf einer Pool-Liege etwa.

Aber die sind bekanntlich ein leidiges Thema. Man mag es kaum glauben angesichts einer Hotelanlage mit sechs Pools und rund 500 Liegen rundherum. Aber eine deutsche Urlauberfamilie hat auf Rhodos doch tatsächlich beinahe nie eine freie Liege vorgefunden - geschweige denn mehrere für die gesamte Familie. Morgens nicht, mittags nicht, nachmittags nicht. Nicht am Dienstag, nicht am Mittwoch, nicht am Donnerstag.

Auf den wenigsten Liegen simmerten jedoch andere Urlauber in der Sonne. Sondern stattdessen lagen auf ihnen Handtücher oder Badetaschen. Meins!, signalisieren diese Habseligkeiten. Und: Komme gleich!! Es kam aber meistens niemand. Nicht nach zehn Minuten, nicht nach einer halben Stunde - das hätte die Hotelordnung noch erlaubt -, auch nicht nach mehreren Stunden.

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Der liegenlose Hotelgast wechselte deshalb in die Gruppe jener Reisenden, die Anstrengungen nicht scheuen. Er wurde zwar nicht zum Hausmann, aber zum Hausmeister. Einer von jenen, die vor lauter Kontrollen selbst nicht zum Arbeiten kommen. Streng protokollierte er die Verfehlungen der anderen Urlauber gegen den Pool-Paragrafen der Hausordnung, legte ein ums andere Mal Beschwerde an der Hotelrezeption ein.

Einem Platz auf einer Liege brachte ihn und die Seinen das nicht näher. Denn das Hotelpersonal unternahm in dieser Angelegenheit: nichts. Dies hat das Amtsgericht Hannover nun als ein gravierendes Versäumnis des Reiseveranstalters bewertet. Stünden zwar genug Liegen zur Verfügung, seien diese aber faktisch nicht nutzbar, weil andere Hotelgäste sie entgegen den Verhaltensregeln reservierten, ohne sie zu nutzen, sei der Reiseveranstalter zum Einschreiten verpflichtet. Das Gericht hielt obendrein fest, dass es nicht Sache der Urlauber sei, fremde Handtücher eigenmächtig zu entfernen.

Ein womöglich wegweisendes Urteil, das Reiseveranstalter in Summe teuer zu stehen käme: sofern es Schule macht, weil sich genügend penibel Beweismittel sammelnde, klagewillige Urlauber finden, woran man schwerlich zweifeln möchte. Um mehr als 300 Euro hat das Gericht den Reisepreis immerhin gemindert. Genügend Geld übrigens, um sich dafür eine eigene Liege zu kaufen, die einem niemand streitig macht.

Stefan Fischer ist kein Freund von Heldenverehrung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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