Privatinseln für Kreuzfahrten:Venedig, Barcelona und Dubrovnik endlich touristenfrei

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Superlativ: Auf der Insel vergnügen sich zusatzzahlende Kunden in der höchsten Wasserrutsche Nordamerikas. (Foto: AP)

Es mutet seltsam an, wenn Reedereien Inseln für ihre Passagiere zu Funparks umbauen. Aber wäre dies nicht das perfekte Mittel gegen Overtourismus?

Glosse von Katja Schnitzler

Als Pinocchio und die anderen Jungs im Disney-Filmklassiker an der Vergnügungsinsel anlegen, wissen sie nicht, dass dies ihr Ruin sein wird. Nicht wegen der Kosten für Karussell, Riesenrad und Eiskugeln en masse, nein, das gibt es alles frei Haus, es ist schließlich ein Märchen. Doch nach einer Nacht hemmungslosem Spaß verwandeln sich die Jungen in Esel, die gewinnbringend verkauft werden.

Wer als Kind Pinocchio gesehen hat, dem dürfte es selbst in der warmen Karibik kalt über den Rücken laufen, wenn am Horizont die neu gestaltete Privatinsel des Kreuzfahrtanbieters Royal Caribbean auftaucht: knallbunte Rutschen, ein Piratenschiff mit Wasserkanonen, ein Pool neben dem anderen - zum Glück gleichen sich die reale und die fiktive Insel nicht bis ins letzte Detail.

Denn zum Geschäftsmodell von Royal Caribbean gehört nicht das Verfluchen der Kundschaft. Sonst könnte die Reederei ihren Gästen auf dem Eiland "Perfect Day at Coco Cay" (sic!) das Geld nicht mehr aus den Taschen ziehen. Schließlich steht "perfect" nicht für "all inclusive".

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Als die Insel noch "Little Stirrup Cay" hieß, sah es dort fast überall so aus, wie man sich Karibik vorstellt: Palmen (gepflanzt), weißer Sand, blaues bis türkises Wasser. Doch das bot die Konkurrenz auch, außerdem animiert hier wenig zum Geldausgeben. Daher gibt es zwar weiterhin Karibikstrände auf dem Eiland, doch die volle Aufmerksamkeit bekommen sie nicht mehr.

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Für 250 Millionen Dollar wurde die Karibikinsel überarbeitet: Ein Teil der Insel sieht nun aus, als wären erst die Goldgräber darüber hergefallen und dann die Gruben mit Pools gefüllt worden.

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Dazwischen stehen ein bunter Turm mit der höchsten Wasserrutsche Nordamerikas, 41 Meter ist er hoch, und ein Rutschenpark samt "Adventure Pool" und Wellenbad daneben (Eintritt ganztags 44 bis 99 US-Dollar). Noch höher steigt ein Aussichtsballon (39 bis 99 US-Dollar), wer es rasanter mag, leistet sich die Zipline (je nach Saison 79 bis 139 Dollar).

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Für den großen zentralen Pool namens "Oasis Lagoon" müssen die Kunden nicht zusätzlich Eintritt zahlen, können aber zur Bar schwimmen und dort ihr Bordguthaben belasten.

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Im "Adventure Pool" balancieren Kinder über künstliche Seerosen-Blätter, bis es sie zur vollen Stunde wieder zum benachbarten Wellenbad zieht: Dann rollen die Wogen durchs Becken. Oder die Eltern verderben den Spaß, verweigern das Eintrittsgeld zum Wasserpark und bevorzugen die Rund-um-die-Uhr-Wellen am wenige Meter entfernten Meer. Die gibt es umsonst. Den Ärger mit dem quengelnden Nachwuchs auch.

Damit die Urlauber gerne ihr Bordguthaben belasten, wurde die Karibikinsel für 250 Millionen Dollar naturfern optimiert.

Früher hieß das Eiland mal "Little Stirrup Cay", es gehört weiterhin zu den Bahamas und ist immer noch von Stränden gesäumt: Diese entsprachen mit weißem Sand und türkisfarbenem Wasser sowieso schon dem Karibiktraumbild, jedenfalls beinahe. Nur Palmen mussten noch gepflanzt werden. Vor dem neuesten Insel-Upgrade bot Royal Caribbean hier für einen perfekten Tag Sonne, Strand und ein paar aufblasbare Wasserrutschen, die auch schon etliche Dollar Nutzungsgebühr kosteten.

Doch das war der Reederei nicht mehr genug - an Einnahmen als auch an Unterscheidungsmerkmalen zur Konkurrenz, die ebenfalls mehr oder weniger private Inseln anläuft. Karibik pur zieht nicht mehr, genauso wenig wie die Aussicht auf die Weite des Meeres.

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Von den Schiffen sind die Passagiere schon ein Wettrüsten der Attraktionen gewöhnt: Nervenkitzel-Rutschen mit Glasboden, Kletterwände oder Go-Kart-Bahnen. Und auf all das sollen die Kunden verzichten, wenn sie festen Boden unter den Füßen haben?

Also machte Royal Caribbean aus dem Natur-Freibad eine Spaßerlebniswunderwasserwelt mit garantiertem Fun-Faktor.

Um sparsame Passagiere nicht zu verärgern, gibt es die zusatzkostenfreie "Oasis Lagoon". Statt am ebenfalls kostenlosen Strand mit Blick auf das völlig designfreie Meer können die Gäste in Bar-Reichweite am zentralen Pool liegen.

Überhaupt, das Meer mit seinen rollenden Wogen, die mal zu hoch und mal zu niedrig sind! Da zahlt man gerne für das neue Wellenbad: "Das größte, das es je in der Karibik gab", wirbt die Reederei - dafür muss es aber nicht viel größer sein als das Becken im deutschen Kleinstadt-Freibad. Was will man mehr auf einer Karibikreise?

Vielleicht Exklusivität. Die ist von Dezember 2019 an mit der Fertigstellung von Strandhütten im Angebot, den ersten auf den Bahamas, die auf Stegen und Stützen über dem Wasser stehen. Wem das ein paar Hundert Dollar mehr wert ist, darf auch den selfietauglichen Infinity-Pool nutzen. Damit ist nicht das wenige Schritte entfernte Meer gemeint.

Aber bitte nicht falsch verstehen: Auf keinen Fall soll hier der Eindruck vermittelt werden, diese Inseln seien kommerzialisierte Nonsens-Ziele. Sie sind das Sinnvollste, was es gerade auf dem Kreuzfahrt-Markt gibt.

Für gebeutelte Städte wie Barcelona, Dubrovnik und Venedig, die von Kreuzfahrern überrannt werden, wären künstliche Inseln die Lösung: aufgeschüttet fern der Altstadt, am besten wetterfest mit Glaskuppel darüber, die sich bei Regen, Sturm oder gar Schnee schließen lässt.

Statt also die engen Gassen zu verstopfen und den verbliebenen Einheimischen auf die Nerven zu gehen, könnten Schiffsurlauber einige Seemeilen entfernt auf den neuen Eilanden vergnügt die Sagrada Família als Sandburg nachbauen (für die Türmchen empfehlen wir die Tröpfeltechnik) und über Gaudí-Rutschen durch Häuser schlittern, die wie steingewordener Wellengang aussehen.

Die Altstadt von Dubrovnik ist sowieso klein genug, um sie als Kopie auf einer Insel nachzubauen, nur leicht verbessert im Original-Game-of-Thrones-Look.

Und vor Venedig lassen die Reedereien eine Insel mit künstlichen Kanälen zerfurchen; ein Rialto-Nachbau spannt sich über dem Canal Rondo, auf dem Stehpaddler o-sole-mio-singend auf schwarz lackierten Boards kreisen.

Wer braucht schon Markusplatz, Campanile und Gondeln, wenn er Strand und Rutschen haben kann - und eine Fotoleinwand, als Hintergrund für den Urlaubspost auf Instagram.

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