Die Anrede Sie denken, Sie sind mit "Lieber Herr X" oder mit "Sehr geehrte Frau Y" höflich genug? Nicht in Österreich. Hier wird viel Wert auf die richtige Anrede gelegt - und dazu gehört der Titel. So grüßt der "Herr Magister" die "Frau Oberstudienrätin". Diese äußere Form wird selbst in höchster Aufregung gewahrt, wie Sportkommentator Edi Finger beim Fußball-WM-Spiel 1978 Österreich gegen Deutschland bewies (bekannt je nach Land als "Wunder" oder "Schmach" von Córdoba). Als kurz vor Schluss das 3:2 für Österreich fiel, frohlockte Finger: "Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer' narrisch! Krankl schießt ein - 3:2 für Österreich! Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals; der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch - wir busseln uns ab." So viel Zeit muss sein, der Herr Diplom-Ingenieur wusste es bestimmt zu schätzen. Wenn Sie den richtigen Titel aber gar nicht kennen? Mit "Herr Doktor" oder "Frau Magister" können Sie nicht viel falsch machen - ein Vorteil, wenn einem der Nachname des Gegenübers entfallen ist. Die Herren Ober (niemals "Kellner") in traditionellen Kaffeehäusern neigen zur charmanten Übertreibung und titulieren gleich mal mit "Herr Ministerialrat". Im Bild: Stürmer Hans Krankl steuert mit dem Ball am Fuß auf das deutsche Tor zu, die Gegenspieler Rolf Rüssmann (ganz rechts) und Manfred Kaltz (links) versuchen ihn zu stoppen.
"Küss die Hand, Gnä' Frau" Der (angedeutete!) Handkuss zählt wie die Anrede "Gnä`Frau" oder auch "Habe die Ehre" in Österreich zur aussterbenden Begrüßungsform. So taugt der einstige Hit "Küss die Hand, schöne Frau" von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung nur noch zum Klassiker. Werden deutsche Urlauberinnen doch per Handkuss begrüßt, sollten sie ihre ausgestreckte Hand nicht versteifen, wenn ihr Gegenüber diese zurechtdreht und an die Lippen führt. Für deutsche Urlauber und Geschäftsreisende gilt: Schütteln Sie lieber die Hände, auch die der anwesenden Damen. Erschrecken Sie aber nicht, wenn jemand, den Sie erst vor ein paar Stunden kennengelernt haben, sich beim Abschied mit gespitztem Mund Ihrem Gesicht nähert. In Österreich gehört das "Bussi links, Bussi rechts" je nach Herzlichkeit des Gegenübers genauso dazu wie das "Grüß' Gott" und das "Wiederschaun".
Die Gelassenheit Bevor Sie Urlaub in Österreich machen, bereiten Sie sich mental auf ein wenig mehr Gelassenheit vor. Werden Sie nicht ungeduldig, wenn es an der Supermarktkasse länger dauert oder die Bedienung an der Wursttheke mit besonders viel Liebe und Langsamkeit ihre "Extrawurstsemmel" zusammenstellt. Hin und wieder ist sogar ein Schild aufgestellt: "Ich bin in der Arbeit und nicht auf der Flucht!" Die österreichische Gelassenheit zeigt sich selbst bei alltäglichen Entscheidungen: "Schau' ma mal" ("Mal sehen") ist wohl eine der am häufigsten ausgesprochenen Phrasen in der österreichischen Sprache und bekundet grundsätzliches Interesse, wobei auch eine gewisse Unsicherheit über die Realisierbarkeit mitschwingt. Dasselbe gilt für lang- und mittelfristig geplante, private Treffen: Auf konkrete Terminansagen werden Sie vergeblich warten. "Red' ma uns noch zusammen", heißt auch hier die Devise. Wenn Sie sich tatsächlich treffen wollen, müssen Sie sich selbst wieder melden.
Die Sprache (1) Deutsch ist ja bekanntlich auch nicht gleich Deutsch, und nicht alle Sachsen verstehen einen Bayern auf Anhieb - und umgekehrt. Da geht es uns bei den Nachbarn nicht anders: Während man den Durchschnitts-Österreicher ganz gut versteht, gibt es Dialekte, in die sich Urlauber erst einmal einhören müssen: in das etwas "proletoid" klingende Wienerisch etwa, das bellende Steirisch oder auch das kratzige Tirolerisch. Leider ist der Österreicher wenig erfreut, wenn man ihn bittet, Hochdeutsch zu sprechen. Nur bei Vorarlbergern ist das durchaus legitim: Die Bewohner des westlichsten Bundeslandes werden selbst im restlichen Österreich nicht verstanden und daher oft scherzhaft zur benachbarten Schweiz gezählt (Sie sollten diesen Scherz aber bitte nicht machen). Wichtig: Ja, es ist verführerisch, den österreichischen Dialekt nachzuahmen, vor allem wenn man ihm den ganzen Tag ausgesetzt ist. Doch ein lustiges "Na, geh herst!" ("Na so etwas!") stimmt den Österreicher nicht fröhlich. Er versucht ja auch nicht, Ihr Bayerisch, Hessisch oder Berlinerisch nachzumachen. Oder ihr gestelztes Hochdeutsch.
Die Sprache (2) Was sehr wohl gut ankommt, ist österreichisches Vokabular: Wer einen "Spritzer" anstelle von "Weinschorle" bestellt, eine "Semmel" statt eines "Brötchens" oder eine Extraportion "Schlagobers" anstatt Sahne, hat schon so gut wie gewonnen. Sie müssen natürlich nicht alles kennen. Aber auf die Frage nach einer Einkaufstüte an der Supermarktkasse bekommen Sie dann zu hören: "Tüten haben wir keine, aber ein Sackerl können S' haben!" Und wenn Sie Ihren Müll loswerden wollen, fragen Sie nach einem "Mistkübel".
Schmäh, Wiener Die einen lieben ihn, die anderen können damit nichts anfangen: Der Wiener Schmäh ist für viele anfangs gewöhnungsbedürftig. Dunkel ist er, selbstironisch, fein, aber oft auch irgendwie makaber. Selbst heiklere Themen wie der Tod werden hier mit einer gewissen Leichtigkeit und einem kleinen Augenzwinkern angesprochen. Wenn Sie noch nicht allzu vertraut mit dem Wiener Schmäh sind (also noch nicht so gut wie eingebürgert), versuchen Sie sich lieber nicht selbst daran. Gerade bei dieser speziellen Art von Humor vergreift man sich als Anfänger schnell im Ton. Oscar-Gewinner Christoph Waltz versuchte bei US-Talkmaster Conan O'Brien, den Unterschied zwischen deutschem und österreichischem Humor zu erklären (die Deutschen kamen dabei weniger gut weg). Im Bild: Droschkenfahrer 1927 beim Skat beziehungsweise "Fiaker beim Tarokieren", wie der Wiener auf einen Blick erkennt
Kaffeehauskultur Obwohl auch die Österreicher überaus fleißige Biertrinker sind - mit 108 Litern Pro-Kopf-Konsum im Jahr 2012 sogar fleißiger als die Deutschen - ist die Kaffeehauskultur das prägendere Phänomen in der kleinen Alpenrepublik. Im Kaffeehaus trifft man sich auf eine "Melange", einen "Verlängerten" oder einfach nur auf einen kleinen Plausch. Nicht selten dient das Stamm-Kaffeehaus als zweites Wohnzimmer, in dem manchmal Stunden mit Freunden oder auch alleine mit einer Zeitung verbracht werden. Nirgendwo sonst lernen Sie die Österreicher besser kennen - und diese Kultur lieben. Ob Sie sich in einem authentischen Altwiener Kaffeehaus befinden, bemerken Sie am Personal. Wenn Sie als Gast das Gefühl haben, Sie würden den Kellner mit Ihren Bestellungen prinzipiell belästigen und in seiner wohlverdienten Ruhe stören, haben Sie ein echtes Traditions-Café erwischt. Jene leichte Grimmigkeit ist eine weltbekannte Eigenheit und wird besonders auf Touristen gerne angewandt. Sehen Sie es nicht als persönliche Beleidigung, sondern freuen Sie sich: Sie haben ein "Gustostückerl" österreichischer Kultur entdeckt, also lassen Sie sich ruhig ein wenig angranteln. Denn mit zunehmendem Tourismus setzt sich der Servicegedanke "Der Gast ist König" in Österreich durch. Und Könige werden zuvorkommend behandelt.
Das Bezahlen Meistens zahlt einer für alle - aber es gehört zum guten Ton, erst ein wenig zu diskutieren, wer die Rechnung begleichen darf. Der "Verlierer" in dieser Runde bedankt sich und gelobt, die nächste Rechnung zu übernehmen. Die Ausnahme: Wenn Sie Geburtstag haben, ist ganz klar: Sie zahlen für alle. Das Trinkgeld Trinkgeld bekommen Ober und Taxifahrer wie in Deutschland beim Abrechnen überreicht, in der Regel wird der Rechnungsbetrag um fünf bis zehn Prozent aufgerundet. Im Hotel überreicht der Gast am Tag der Abreise dem Zimmermädchen, wenn möglich direkt, ein bis zwei Euro - pro Tag, bitteschön. Der Kofferträger erhält sein Geld gleich, etwa ein Euro pro Gepäckstück.
Das Raucherparadies Für etwa ein Drittel der Österreicher gehört der "Tschick" zum Nachmittagskaffee, wie das Dessert zum Drei-Gänge-Menü. Laut einer Studie rauchen 33 Prozent der Österreicher regelmäßig und beginnen zudem überdurchschnittlich früh damit. An diese rekordverdächtige Glimmstängel-Kultur ist auch der gesetzliche Nichtraucher-Schutz angepasst: Der Tabakkonsum ist in jeglichen Gastronomiebetrieben erlaubt, vorausgesetzt es gibt räumlich abgetrennte Bereiche. Diese sind mit roten und grünen Schildern beschriftet und bieten Ihnen somit die Möglichkeit, sich gegen das Passivrauchen zu entscheiden. Lediglich für Betriebe mit weniger als 50 Quadratmetern Fläche gilt diese Regelung nicht: Diese können autonom entscheiden, ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherlokal sein wollen. Wesentlich strenger ist die Legislative bei der Entsorgung der Stummel: Wer sich dabei erwischen lässt, wie er seine ausgerauchte Zigarette auf die Straße wirft, muss eine Geldstrafe entrichten. Zu Recht, denn in Wien etwa gibt es an jeder Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel und an etwa jedem zweiten Mülleimer - Verzeihung, Mistkübel - eigens Aschenbecher.
Auf der Straße Wenn Sie von österreichischen Autobahnen auf deutsche wechseln, kommt Ihnen da auf den ersten Kilometern irgendetwas seltsam vor? Genau, es wird wieder gerast, gedrängelt, genervt. In Österreich gelten auf Autobahnen 130 Km/h als Limit, die meisten halten sich daran. Das entspannt. Sind Sie auf dem Lande unterwegs, wundern Sie sich nicht über die teilweise exzessive Bebauung mit Kreisverkehren. Denken Sie an den Punkt "Gelassenheit" und drehen Sie gemeinsam mit den Österreichern ein paar Extrarunden.
Vorsicht, Fettnapf! Vermeiden Sie es tunlichst, einen Österreicher recht despektierlich "Ösi" zu nennen, selbst wenn er sich selbstironisch als solchen bezeichnet - er darf, Sie nicht. Sie möchten ja auch nicht als "Piefke" abgestempelt werden. Und der Anschluss Österreichs sowie der Zweite Weltkrieg eignen sich nun wirklich nicht als eisbrechende Smalltalk-Themen. Dass Hitler kein Deutscher war, wissen die Österreicher selbst. Wenn Sie diese Knigge-Regeln beachten, stehen dem Herrn Magister und der Frau Doktor sehr entspannte Urlaubstage in Österreich bevor. Im Bild: Arnold Schwarzenegger, schlecht gelaunt