Mit einer Geliebten ist das manchmal so eine Sache. Die Schmetterlinge im Bauch, die Sehnsucht, die Freude auf das Wiedersehen, der Rausch der Gefühle, wenn es so weit ist: Ja, herrlich! Aber der Haken an der Sache ist: Sobald man zusammenzieht, sieht man auch Dinge, die man vorher nicht bemerkt hatte: Sie räumt nicht auf, lässt alles rumliegen, schaut zu viel Fernsehen und gibt ihr Geld für seltsame Kleider aus. Natürlich: Schön und spontan, lustig und inspirierend ist sie immer noch. Aber der Alltag!
Und damit wären wir bei einer Geliebten, die viele Deutsche haben. Nein, keine aus Fleisch und Blut, sie ist eher aus Marmor, Espresso und Barolo gemacht, aus Stilbewusstsein, Kunstsinn und Lässigkeit. Italia heißt sie, und kaum ein Deutscher, eine Deutsche, die ihr nicht verfallen wäre.
Ist es im Norden noch kalt und garstig, da kann es, sagen wir in Arco oder Triest, schon hell und frühlingshaft sein. Man sitzt draußen, trinkt guten, günstigen Espresso oder vielleicht gleich ein Weißweinchen? Die Einheimischen machen es ja auch so, und diesem verdammten Arbeitsgott scheinen sie weniger stark zu huldigen oder zumindest auf entspanntere Art, als das in Bella Germania der Fall ist.
So weit, so bekannt. Was aber, wenn der und die Deutsche plötzlich hier lebt und sogar arbeitet? Tja, dann kühlt die Liebe manchmal ab, oder wenigstens sehen sich die deutschen Gastarbeiter zu der ein oder anderen kritischen Wortmeldung veranlasst. Und das kann böse Folgen für die Beziehung haben.
Das musste Cecilie Hollberg unlängst erfahren, die deutsche Direktorin der Galleria dell' Accademia in Florenz, einem Kunstmuseum, in dem auch der David des Michelangelo zu bewundern ist. Frau Hollberg, die schon lange in Italien lebt, hatte in ihrem akzentfreien Italienisch auf einer Pressekonferenz gesagt: "Una volta che una città è diventata meretrice sarà difficile farla tornare vergine." Das heißt so viel wie: Wenn eine Stadt einmal zur Hure geworden ist, wird es schwer, sie wieder zu einer Jungfrau zu machen. Florenz, eine Hure!
Darauf haben die Gazetten und manche Politiker nur gewartet. Eine "Beleidigung für ganz Italien" sah der Kulturminister, und der ehemalige Ministerpräsident Renzi verlangte Entschuldigung und Rücktritt der Deutschen. Dabei hatte Hollberg aus Liebe zu den drastischen Worten gegriffen! Denn sie erklärte, worum es ihr geht: Sie wünsche sich, dass die Stadt nicht vom Tourismus erdrückt werde und für die eigenen Bürger da sei, zumal es kaum noch normale Geschäfte gebe und alles auf Touristen ausgelegt sei. "Wenn man jetzt keine Vollbremsung macht, dann sehe ich keine Hoffnung mehr."
Bei mehr als fünf Millionen Touristen und 380 000 Einwohnern mag da ein Fünkchen Wahrheit dran sein, das wissen auch viele Florentiner, aber eine Deutsche, die das ausspricht, das ist natürlich "inaccetabile"!
Noch dazu, wo der Deutsche Eike Schmidt, der jahrelang die Uffizien geleitet hat, sich ebenfalls über die Entwicklung der Stadt zum Schlechteren geäußert hatte, was nicht weniger Empörung nach sich zog. Auch er hat mutmaßlich aus Liebe gehandelt.
Und somit behält der alte Spruch (nicht von Goethe!) wohl weiter Gültigkeit: Die Deutschen lieben die Italiener, respektieren sie aber nicht. Und die Italiener respektieren die Deutschen, lieben sie aber nicht.