Bildband Autobahn-Fotos:Was im Stau verborgen bleibt

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Die alte Strada Nazionale 2, heute SS 10, ist eine der wenigen langen West-Ost-Verbindungen Italiens. (Foto: Sue Barr)

Oben blockiert der Verkehr und unten der Beton: Die Fotografin Sue Barr nähert sich den Routen gen Süden aus ungewohnter Perspektive.

Von Stefan Fischer

In den Pfingstferien sind wieder alle Autobahnen verstopft. Speziell in Italien. Auf Sue Barrs Autobahn-Fotografien, aufgenommen zwischen Brenner und Neapel, sieht man indessen so gut wie keine Fahrzeuge. Wenn, sind sie im Schatten der Viadukte geparkt. Denn die Britin hat eine ungewohnte Perspektive gewählt: die von unten. Kurioserweise hat sie für ihre Aufnahmen einige Irrfahrten zurückgelegt. Es ist offenbar nicht einfach, nahe an die Autobahnen heranzukommen.

Davide Papotti beschreibt in seinem Vorwort zu Sue Barrs Fotoband "The Architecture of Transit", wie sich die Perspektive in der Kartografie gewandelt hat. Im 16. und 17. Jahrhundert steht die Topografie der Landschaft im Mittelpunkt, heutzutage ist es das Straßennetz. Barr bringt beides wieder zusammen, indem sie die Verkehrsinfrastruktur in Beziehung setzt zu der Landschaft, in der sie errichtet worden ist - wobei die Erbauer des Schnellstraßennetzes wenig Rücksicht nehmen auf geografische Gegebenheiten.

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(Foto: Sue Barr)

Die Viale Olga Silvestri in Neapel kauert sich unter die Stadtautobahn.

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(Foto: N/A)

Unter "Via Aurelia" stellt man sich etwas Erhabeneres vor als dieses Brückengeflecht, das sich über die alten Häuser hinwegsetzt.

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(Foto: N/A)

In der Provinz Udine wirken die Gipfel des Reservats Val Alba winzig hinter den gigantischen Pfeilern. Wer Bergsteigen und Canyoning mag, verlässt die Autobahn an der nächsten Ausfahrt.

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(Foto: N/A)

Der Müll in der Ecke der Via Fiume macht den Anblick noch trostloser, die Autobahn scheint sich zugleich in das Alltagsleben der Menschen zu drängen und sich darüber zu erheben.

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(Foto: N/A)

Stark und unerschütterlich wirken die massiven Pfeiler, doch die Brücke, die sie tragen, führt in den Abgrund: Könnte man das Foto von der Via Walter Fillak in Genua nach links verlängern, würde die Lücke der eingestürzten Morandi-Brücke sichtbar.

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(Foto: N/A)

Und wer diesen Bogen genommen hat, hatte die Fahrt über die brüchige Brücke in Genua überlebt - diese Kurve leitete weiter auf die A7 und auf sicheren Boden.

Es ist eine schwierige Beziehung, nicht selten verstellen die Betonkonstruktionen den Blick. Da bietet auch der Blick von unten keinen Ausweg im Vergleich zu den konventionellen Perspektiven: Besieht man sich ein Straßennetz auf einer Karte, um eine Route festzulegen, also von oben, sieht man nur die Transitstrecken. Befindet man sich dann auf ihnen, sind Panoramablicke oft durch Sichtblenden verbarrikadiert.

Auf Barrs Bildern gehen die Autobahnen auch keine Symbiose ein mit der umgebenden Natur oder Stadtlandschaft. Sie bleiben Fremdkörper, unnahbar, in der Streckenführung nicht immer zu enträtseln. Papotti hat die Assoziation, dass die Streben und Kreisbögen gewaltige Mandalas bilden. Die Pfeiler und Fahrbahn-Unterseiten haben etwas Trutziges, sind zugleich filigran. Und fragil, wie seit dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua gewiss ist. Darauf verweist Davide Papotti, und man hat es immer im Gedächtnis, wenn man Barrs Fotografien betrachtet.

Sue Barr : The Architecture of Transit. Hartmann Books, Stuttgart 2019. 106 Seiten, 34 Euro.

© SZ vom 13.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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