Reisebuch:Kulinarischer Genuss am Gardasee

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Die Fischvariation im Restaurant des Weinguts Agritur Madonna delle Vittorie in Arco. (Foto: Mayk Wendt/Callwey Verlag)

Pizza und Pasta gehen in Italien eigentlich immer. Allerdings gibt es rund um den Gardasee kulinarisch weitaus mehr zu entdecken. Eine Mischung aus Reise- und Kochbuch regt den Appetit darauf an.

Von Stefan Fischer

Zum Baden und Biken, zum Segeln und Surfen, zum Klettern und Knutschen: Es gibt etliche Gründe, weshalb gleichermaßen erholungssuchende wie freizeitaktive und obendrein auch romantisch veranlagte Menschen an den Gardasee fahren. Die Kulinarik allerdings gehört in der Regel nicht zu diesen Gründen. Pizza und Pasta in den Standardvarianten, dazu Fisch und zunehmend auch Meeresfrüchte kämen in aller Regel rund um den See auf die Tische der Urlauber, schreibt Christine Gräfin von der Pahlen in ihrem Buch "Zu Gast am Gardasee". Das übliche "massentouristische Einerlei" eben, serviert in "Nullachtfünfzehn-Lokalen", so die Autorin. Macht satt, schmeckt oft genug ordentlich. Ist aber nichts Besonderes.

Das Besondere jedoch interessiert von der Pahlen, und davon gibt es am Gardasee sowie in dessen unmittelbarer Nähe durchaus Beispiele zur Genüge. Die Zahl der exklusiven Hotels habe in den vergangenen Jahren zugenommen und mit ihnen die Zahl ambitionierter Küchen. Auch unter den Winzern gebe es immer mehr mit einem gestiegenen Qualitätsanspruch. Um diese Weinbauerinnen und -bauern, um diese Köchinnen und Köche, um diese Wirtsleute geht es in diesem Buch. Um deren Erzeugnisse und Kreationen. "Zu Gast am Gardasee" ermöglicht eine Entdeckungsreise, die sich mit einer weniger bekannten Seite der bei Touristen ansonsten überaus beliebten und weidlich ausgekundschafteten Region befasst.

Ein Eis in der Bar Gelateria Flora in Riva del Garda? Sicher gut fürs Urlaubsgefühl. (Foto: Mayk Wendt/Callwey Verlag)

Ihr Augenmerk richtet Christine Gräfin von der Pahlen vor allem auf jene Restaurants, die sich auf lokale Traditionen besinnen und regionale Zutaten verwenden. Und sie macht deutlich, dass es die eine Gardasee-Küche gar nicht gibt. Der See ist der Schnittpunkt gleich dreier italienischer Regionen: Südtirol-Trentino, Venetien und Lombardei. Das macht sich auch kulinarisch bemerkbar.

Ans West- oder ans Ostufer, an die Riviera dei Limoni oder die Riviera degli Olivi? Dies sei, so die Autorin, eine Entscheidung zwischen zwei Welten - eben nicht nur landschaftlich. Und da ist der Norden noch gar nicht separat berücksichtigt. Der gehört zum Trentino, und von dort her nähert sich von der Pahlen dem See an. Sie macht Station in Trient, in Arco, in Rovereto, in Drena, durchquert die Gerölllandschaft Marocche di Dro, ehe sie nach Torbole und Riva del Garda gelangt.

In Riva del Garda ist die Seepromenade blütenreich. (Foto: Callwey Verlag/2018 Trentino Marketing)

Die Tiroler Einflüsse auf die dortige Küche sind deutlich - Hirsch, Rind, Kalb, zubereitet mit Pfifferlingen, wilden Heidelbeeren, Speck. Am Ostufer des Sees ändert sich die Küche. Venetien ist in erster Linie Risotto-Land, die Pasta spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle. In der Lombardei wiederum schmecke man die französischen Einflüsse auf die dortige Küche.

"Zu Gast am Gardasee" ist in vier große Kapitel unterteilt, sortiert nach den vier Himmelsrichtungen. Nach einer Einleitung geht es stets in konkrete Hotels, Osterien oder zu Weingütern mit dem zugehörigen Lokal. Von der Pahlen stellt diese Orte vor und vor allem die Menschen, die sie prägen. Von ihnen bekommt sie jeweils drei Rezepte, die in dem Buch abgedruckt sind, mitsamt einer Anleitung zum Zubereiten der Mahlzeiten. Sowie, dazu, einen Ausflugstipp. Diese kleinen Hinweise sollte man auf keinen Fall überlesen: Es geht darin ums Wandern und Weintrinken, um Spazierstrecken, Badeplätze und immer wieder auch um jene Restaurants, in welche die besuchten Köche ihrerseits gerne gehen, wenn sie einmal auswärtig speisen möchten.

Zu den besonders schönen Orten am See zählt die Punta San Vigilio, eine Landzunge zwischen Garda und Torri del Benaco. (Foto: Mayk Wendt/Callwey Verlag)

Das sind in der Regel einfachere Lokale, in denen dennoch gut gekocht wird. Solche steuert Christine Gräfin von der Pahlen mitunter auch an. Ihr Schwerpunkt liegt allerdings recht deutlich auf der Sterneküche rund um den Gardasee. Das ist beinahe ein wenig einseitig und wirkt manchmal auch einfallslos. Eines allerdings wird beim (lesenden) Besuch dieser Restaurants deutlich: Sterneküche kann sehr wohl ziemlich unprätentiös sein. Jedenfalls gilt das für den größeren Teil derer, die von der Pahlen vorstellt - wenig Show, wenig Brimborium, eine Konzentration auf das Wesentliche, das scheint auch rund um den Gardasee aktuell die Philosophie in der gehobenen Kulinarik zu sein.

Im Kontrast dazu steht Christine Gräfin von der Pahlens Stil: Sie schreibt gerne schwelgerisch, und Adjektive können gar nicht abgenutzt genug sein, als dass sie sie nicht verwenden würde: Seen sind grundsätzlich malerisch, Schlösser verwunschen. Und vieles ist in aller Munde oder aber erobert alle Herzen. Wer sich daran nicht allzu sehr stört, hat in ihr eine kundige Begleiterin, die imstande ist, Restaurants in aller Kürze zu charakterisieren. Sodass man in die Lage versetzt wird, selbst zu entscheiden, welche Adresse man persönlich verlockend findet und welche eher nicht.

Christine Gräfin von der Pahlen, Mayk Wendt : Zu Gast am Gardasee. Callwey Verlag, München 2024. 240 Seiten, 45 Euro.

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