Das Jahr 2014 wird nicht nur als Jahr des Ukraine-Konflikts, von IS, Ebola und dem WM-Titel in die Geschichte eingehen, sondern auch als Jahr besonders großer und aufsehenerregender Flugzeugunglücke. Nur wenige Tage vor Silvester erhöht die abgestürzte Air-Asia-Maschine die traurige Jahresbilanz um 162 weitere Tote.
"Tatsächlich war 2014 ein sehr spezielles Jahr, gespickt mit mehreren mysteriösen Fällen", sagt Jan-Arwed Richter vom Flugsicherheitsportal Jacdec. Daraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass Fliegen gefährlicher geworden sei.
Die meisten Toten seit 2005
"Ich will nicht vorgreifen, das Jahr ist noch nicht zu Ende", sagt Richter bewusst vorsichtig. Das Hamburger Portal Jacdec (Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre) wertet alle bekannten Vorfälle und Unglücke im internationalen Flugbetrieb aus. Zum aktuellen Stand am 30. Dezember zählt Jacdec knapp 1000 Personen, die 2014 bei Unfällen im Linienflugverkehr ums Leben gekommen sind. ( Je nachdem, welche Art Unfälle mit berücksichtigt werden, variieren die angegebenen Zahlen auf den unterschiedlichen Plattformen und Behördenseiten.)
Das deckt sich mit den aktuellen Zahlen des Aviation Safety Networks, einer niederländischen Plattform, die ähnlich wie Jacdec vorgeht. Zwar zählt diese 694 Tote, berücksichtigt dabei jedoch nicht die Malaysia-Airlines-Maschine von Flug MH17, die über der Ukraine abgeschossen wurde. Rechnet man die 298 Opfer hinzu, ergibt sich eine Gesamtzahl von 992 Personen, die in mehrmotorigen Passagiermaschinen umgekommen sind.
Verglichen mit dem Vorjahr hat sich die Zahl der Toten fast vervierfacht. Für 2013 hat Jacdec 251 Opfer von Flugunfällen gezählt, das Aviation Safety Network kommt auf 265. "Sensationell wenig", sagt Richter, 2013 stellt im Vergleich mit den erfassten Vorjahren einen Tiefstwert dar. Im Schnitt sind über die Jahre 2003 bis 2012 nach Erhebungen der Europäischen Agentur für Flugsicherheit jedes Jahr etwa 700 Personen im Flugverkehr gestorben. 2005 kamen dem Aviation Safety Network zufolge 1041 Personen um.
Viele Tote bei wenigen Unfällen
Trotz der vielen Toten lässt sich daraus jedoch nicht schließen, dass Fliegen an sich unsicherer wird. "Es gibt immer wieder Jahre, die gegenläufig sind. Dennoch gibt es seit Jahrzehnten einen Trend zu immer weniger tödlichen Zwischenfällen", erläutert Flugsicherheitsexperte Richter. "Noch in den 70er-Jahren hatte jede Woche eine große Airline einen schweren Unfall. Unter den Voraussetzungen von damals würde sich heute niemand mehr ins Flugzeug setzen."
Doch seitdem wird kontinuierlich die Technik verbessert. Und das nicht nur an den Maschinen selbst, sondern auch, was die Flugüberwachung am Boden und die Navigationssysteme angeht. Außerdem sei die Aufarbeitung von Unfällen viel besser, so Richter.
Was die bloße Anzahl der Vorfälle im Flugverkehr angeht, reiht sich selbst 2014 in den Trend zu mehr Sicherheit ein. So kam es dieses Jahr zu 49 sogenannten Flugzeugtotalverlusten, "hull loss" im Englischen. 2013 zählte Jacdec 48 dieser Totalschäden. Die Zahl der schweren Unfälle mit vielen Toten ist im Vergleich zum Vorjahr sogar zurückgegangen - doch bei den Unglücken 2014 kamen in zum Teil voll besetzten Airbus-Maschinen besonders viele Personen um.
Die dramatischsten Flugunglücke 2014
- Am 8. März verschwindet eine Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines kurz nach dem Start in Kuala Lumpur Richtung Peking von den Radarschirmen. An Bord von Flug MH370 sind 227 Passagiere und zwölf Besatzungsmitglieder. Trotz einer gigantischen Suchaktion fehlt bis heute jede Spur von der Maschine. Vermutet wird, dass sie in den Indischen Ozean stürzte.
- Am 17. Juli stürzt über der umkämpften Ostukraine eine Boeing 777 mit 298 Menschen an Bord ab. Flug MH17 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. Das Flugzeug wurde wohl von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen. Die ukrainische Regierung und die prorussischen Rebellen in der Ostukraine machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.
- Sechs Tage nach dem Crash der Malaysia-Airlines-Boeing am 23. Juli kommen in Taiwan 48 Menschen ums Leben, als ein Passagierflugzeug der Transasia Airways bei stürmischem Wetter nach einem missglückten Landemanöver abstürzt. Zehn Insassen überleben das Unglück.
- Nur einen Tag später verschwindet eine Maschine der algerischen Fluggesellschaft Air Algérie auf dem Weg von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou nach Algier. Das Wrack der McDonnell Douglas 83 wird in Mali entdeckt. Von 118 Menschen an Bord überlebt keiner das Unglück. Die französische Regierung vermutet schlechtes Wetter als Unglücksursache.
- Ein indonesisches Flugzeug der malaysischen Mutter-Airline Air Asia verschwindet am 28. Dezember mit 162 Menschen an Bord auf dem Weg von der indonesischen Insel Java nach Singapur von den Radarschirmen. Zuvor hatte der Pilot des Airbus A320-200 die indonesische Luftverkehrskontrolle wegen schlechten Wetters um eine Änderung der Flugroute gebeten. An diesem Dienstag finden Suchtrupps in der Javasee das Flugzeugwrack und bergen zahlreiche Leichen.
Fliegen bleibt eines der sichersten Verkehrsmittel
Die breite Medienberichterstattung über die besonders dramatischen Ereignisse 2014 mögen das Bild in der Öffentlichkeit verzerren - "doch Fliegen bleibt ein sicheres, wenn nicht das sicherste Verkehrsmittel", sagt Jan-Arwed Richter vom Flugsicherheitsportal Jacdec. Man müsse bedenken, dass jedes Jahr mehr als drei Milliarden Fluggäste an Bord gehen - selbst angesichts von 1000 Toten liegt das Risiko, einen Flug nicht zu überleben, bei eins zu drei Millionen.
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Regional gebe es zwar durchaus Unterschiede, in Lateinamerika, Afrika und auch in Südostasien komme es etwas häufiger zu Unfällen, so Richter. Und auch bei kleinen Propellermaschinen gebe es deutlich höhere Gefahren. "Doch jeder, der in Europa oder in den USA in ein Linienflugzeug steigt, kann ein absolut gutes Gefühl haben." Hier sei weiterhin die Fahrt zum Flughafen das deutlich größere Risiko.