Kolumne: Hin und weg:Wein auf dem Dach

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Knapp acht Hektar Weinanbaufläche sind auf dem schrägen Flughafendach von Florenz geplant. (Foto: ©Rafael Viñoly Architects)

Weniger fliegen? Kein Problem. Man muss nur die Flughäfen so gestalten, dass niemand mehr weg will. Florenz versucht es mit Weinanbau.

Glosse von Eva Dignös

Das Warten ist des Reisens unvermeidlicher Begleiter. Man wartet im Stau, an der Passkontrolle, vor dem Louvre oder auf den Gegenzug. Leere Zeit, gefüllt mit Handydaddelei, heimlichem Nasebohren oder verzweifelten Versuchen, die Kinder mit Gummibärchen bei Laune zu halten. Die Wartezeit "versüßen", der Spruch kommt nicht von ungefähr.

Besonders gut im Versüßen sind viele Flughäfen dieser Welt, mit ihren Shoppingmalls und Duty-free-Shops, Massagesesseln und Kaffeetheken, an denen der Cappuccino zwar so teuer ist, als wäre er gerade exklusiv eingeflogen worden, aber hey, was soll's, irgendwie muss man sie ja rumbringen, die Stunden vor dem Boarding. Und sei es, um zumindest an der Bar noch eine freie Steckdose für das schwächelnde Smartphone zu ergattern.

Wobei Kaffee, Shopping und Massage gerade mal die Grundausstattung sind. Einige Airports haben da längst ganz andere Level freigeschaltet. In San Francisco stehen Hunde, Katzen und sogar ein Schwein bereit, damit gestresste Passagiere streichelnd ihre Nerven beruhigen. In München wurde eine Surfer-Welle aufgebaut, in Stockholm kann man beim Zwischenstopp heiraten. Und allem die Krone setzt der Changi-Airport in Singapur auf, mit Orchideengarten, Outdoorpool, Mini-Dschungel und Wasserfall über sieben Stockwerke.

Wer muss noch fliegen, wenn er wilde Tiere auch auf dem Flughafen beobachten kann? Therapieschwein am Airport von San Francisco. (Foto: Justin Sullivan/Getty Images via AFP)

Auch der Aeroporto Amerigo Vespucci in Florenz, bisher ein Flughafen von eher regionaler Bedeutung, schickt sich nun an, in die Liga der Erlebnis-Airports aufzurücken, und zwar mit einer "Hommage an das lokale toskanische Erbe". So verspricht es zumindest das Architekturbüro, das für die Planung des neuen internationalen Terminals zuständig ist. Das soll sich nämlich künftig einreihen in das grün wogende Auf und Ab der toskanischen Weinberge.

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Knapp acht Hektar Weinanbaufläche sind auf dem schrägen Flughafendach geplant. Ein Winzer werde die Trauben gleich im Keller weiterverarbeiten und zu einem edlen Tropfen heranreifen lassen. Vermutlich zu einem "Colle Aeroporto Riserva", mit Noten von Feinstaub und Flugangstschweiß und einem Hauch Fernweh im Abgang, erhältlich im örtlichen Duty-free-Shop, ab sechs Flaschen gibt's eine Tour durch den Weinberg gratis dazu.

Das hat Potenzial, weit über die versüßte Wartezeit hinaus. Und würde hinaushelfen aus dem Dilemma, dass man ja gern weniger fliegen würde - aber leider anders nicht hinkommt an den Lieblingsstrand und sich dann doch, von Flugscham geplagt, in den Mittelreihesitz hineinfaltet. Nun, wenn alles schon da ist, muss niemand mehr weg. Man statte also die Flughäfen mit einer ordentlichen Portion Exotik aus der Retorte aus, ein bisschen Strandleben, ein paar Tieren, ein bisschen Traumhochzeitsromantik. Palmen für Paderborn, ein Dschungel für Düsseldorf, bunte Fische für Frankfurt. Irgendein Dach für einen toskanischen Weinberg wird sich auch noch finden lassen, Stuttgarter Startbahnlage zum Beispiel.

Und schon hat sich das Problem mit den klimaschädlichen Flügen erledigt. So gesehen hätte der Flughafen Berlin-Brandenburg eigentlich ein enorm zukunftsträchtiges Projekt werden können. Leider haben sie ihn dann doch noch für den Flugverkehr freigegeben.

Die Autorin hat etwas gegen Stürme im Wasserglas. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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