Doha in Katar:Die Rache der Kamele

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Der Autor wollte das ursprüngliche Arabien erleben und besuchte einen Kamelmarkt. Das hätte er besser nicht getan.

Stefan Nink

Gerade eben erreicht uns die Meldung, dass die größte amerikanische Café-Kette demnächst eine Filiale in Algerien eröffnen will. In Algerien! So geht es jetzt ja immer und überall: Alles wird globalisiert, alles wird gleich und gleicher. Schon Cézanne hat es damals geahnt, als er empfahl, sich tunlich zu beeilen, wenn man noch etwas sehen wolle - alles sei dabei, in Windeseile zu verschwinden. Deswegen kann man Reisenden nur ans Herz legen, unterwegs einmal auf die letzten wirklich ursprünglichen Dinge zu achten.

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Es ist nicht immer einfach, ein Urlauber zu sein - eine nicht ganz ernst gemeinte Betrachtung der kuriosesten Bilder aus aller Welt.

Abseitige Viertel anzuschauen, die nicht in jedem Reiseführer seziert werden. Sich lieber mal eine mittlere Magenverstimmung vom Essen am Straßenrand zu holen, als immer nur Pizza Margherita im Hotelrestaurant zu knurpsen. Und in den Emiraten nicht bloß die gehypten Shopping-Malls zu besuchen, sondern unbedingt auch einen Kamelmarkt.

Der von Doha im Emirat Katar liegt an einer staubigen Ausfallstraße, über die der Wind jede Menge Sand aus der Wüste in lustigen Wirbeln Richtung Hauptstadt treibt. Dem Taxifahrer gefällt das nicht, wahrscheinlich ahnt er, dass sein Auto nach der Tour gewaschen werden muss, und vielleicht auch deshalb fährt er mit grimmer Miene dreimal am Kamelmarkt vorbei, bevor er den Kamelmarkt gesehen hat.

Dazu muss man wissen, dass natürlich auch Kamelmärkte nicht mehr das sind, was sie einmal waren: Richtig gute Rennkamele werden nicht am Straßenrand verhökert, und für alle anderen Exemplare ist der Markt ziemlich übersichtlich geworden. Immerhin ist da noch ein Kamelverkäufer, der gerade versucht, seine Ware für die Kundschaft aufzuhübschen. Beziehungsweise: Sie zumindest auf die Hufe zu bringen.

Wenn Kamele rennen, sind sie eindrucksvolle Tiere. Dann werfen sie ihre Beine so weit es geht nach vorne und versuchen anschließend, mit dem nicht unwesentlichen Rest ihres Körpers nachzukommen. Liegende und stehende Kamele allerdings sind ein anderes Kaliber. Zuerst muten sie wie festgewachsen an, aber wer das glaubt, muss sich oft ziemlich schnell vor ihren Hufen oder einer schleimigen Masse in Acht nehmen, die äußerst zielgenau aus den wulstigen Kamellippen hervorbricht.

Diese Exemplare hier halten mich und den Taxifahrer anscheinend für ihre potentiellen Neubesitzer. Deswegen schauen sie uns mit Blicken an, die signalisieren, dass wir von allen möglichen Neubesitzern in der arabischen Welt diejenigen sind, die sie am wenigsten leiden können. Der Taxifahrer wiederum schaut ziemlich offensichtlich auf die Uhr, schon klar, er möchte zurück und Auto putzen, aber ich will ja das ursprüngliche Arabien erleben und frage den Händler jetzt mal ganz unverbindlich, was so ein Kamel denn wohl so kostet.

Der Händler braucht jetzt einen Taschenrechner und drückt dem verdutzten Taxifahrer die Zügel seines Chefkamels in die Hand, worauf das beängstigend laut zu röhren und zu gurgeln beginnt. Und die Zähne fletscht. Und seine Kollegen zum Mitröhren animiert.

Auf dem Höhepunkt der Kakophonie spuckt, nein, ursprünglicher: rotzt es dem Taxifahrer aufs Hemd.

Zwei Stunden später stehe ich noch immer an einer Bushaltestelle, von der niemand weiß, ob noch Busse an ihr halten, stehe dort an einer staubigen Ausfallstraße, über die der Wind jede Menge Sand aus der Wüste in lustigen Wirbeln Richtung Hauptstadt treibt.

Richtig ursprünglich stehe ich da.

© SZ vom 3.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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