Kolumne "Hin & Weg":Finger weg

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Seit 1988 mit einem Denkmal geehrt, aber längst nicht von allen geachtet: Molly Malone in Dublin. (Foto: Artur Widak/imago images/NurPhoto)

In Dublin und Verona können es sich Besucher nicht verkneifen, bronzenen Frauenfiguren an die Brüste zu fassen.

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Auf Bronzefiguren zu klettern, ist eigentlich ein kindliches, ganz und gar unschuldiges Vergnügen. Man muss nur mal durch den Münchner Tierpark Hellabrunn schlendern, um zu beobachten, dass man mitunter auf die größten Besucheransammlungen nicht bei der Löwenanlage trifft oder im Streichelgehege. Sondern bei all den Tierfiguren aus Metall, die auf dem Gelände aufgestellt sind: den Steinböcken vor dem Eingang, einer Robbe in der Polarwelt, einem Gorilla vor dem Menschenaffen-Haus ...

Kinder drängeln sich um die Statuen und steigen unter ausgelassenem Geschrei hinauf. Die einen elegant, die anderen unter Mühen. Es scheint kein größeres Vergnügen zu geben für die Vier-, die Sieben-, die Zehnjährigen, als dem bronzenen Elefanten auf den Schultern zu sitzen und sich von den Eltern oder Großeltern fotografieren zu lassen. Vielleicht, weil die Figuren stillhalten und sich auch nicht in ihren Höhlen verkriechen, anders als die echten Tiere. Die metallenen Felle sind längst blank gewetzt.

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Irgendwann in der Pubertät verliert sich dann der Drang, einen bronzenen Robbenhals zu umschlingen. Die meisten lassen ganz ab von den Statuen, einige fahren noch den Bronzelöwen vor der Münchner Residenz über die Schnauzen, weil das Glück bringen soll. Auch das eine harmlose Tradition oder Marotte, je nach Sichtweise.

Anders liegt der Fall in Verona und Dublin: Dort, man kann es nicht anders sagen, auch wenn es sich letztlich um Gegenstände handelt, werden Frauenfiguren regelmäßig sexuell belästigt. In der irischen Hauptstadt muss es sich die bronzene Molly Malone, die in einem bekannten Volkslied besungen und seit 1988 mit einem Denkmal geehrt wird, gefallen lassen, dass ihr ständig jemand an die Brüste grapscht oder diese sogar küsst. Der Stadtrat prüft nun, wie er Molly Malone schützen kann vor diesen Übergriffen.

In Verona musste eine Statue der Julia Capulet, als Shakespeare'sche Tragödienfigur bekannt, vor zehn Jahren sogar ausgetauscht werden, so beschädigt war sie - nun weist auch die Kopie ein Loch in der rechten Brust auf. Glück in der Liebe solle es bringen, Julia zu betatschen, glauben die, die das tun. Während man in Irland also versucht, Molly zu schützen, führt man den Besuchern in Verona immer wieder eine neue Julia zu, wenn die alte verschlissen ist. Letzteres mag man kritisieren. Aber was wäre die Alternative? Nur noch ausgediente deutsche Bismarckstatuen aufzustellen?

Stefan Fischer ist kein Freund von Heldenverehrung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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