Der Krieg begann mit einem Kriegsverbrechen. Gegen 4.40 Uhr am 1. September 1939 warfen deutsche Sturzkampfbomber die ersten Bomben über der polnischen Kleinstadt Wieluń ab - also noch vor dem Beschuss eines polnischen Munitionsdepots auf der Westerplatte durch die Schleswig-Holstein. In Wieluń machten die deutschen Bomber das Krankenhaus dem Erdboden gleich; 1200 der 16 000 Einwohner des Städtchens starben.
80 Jahre danach, ebenfalls um 4.40 Uhr, werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der polnische Präsident Andrzej Duda in Wieluń dieses Verbrechens und des Beginns des Zweiten Weltkriegs gedenken. Wie schon Anfang August, als Außenminister Heiko Maas (SPD) an der Feier zum 75. Jahrestag des Warschauer Aufstands teilgenommen hatte, geht es darum, speziell das Leid der Polen während des Zweiten Weltkrieges zu würdigen.
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Das ist nicht nur nach Ansicht vieler Polen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu wenig geschehen. Die Bundesregierung wolle etwas "dagegen tun, dass das Wissen um die polnischen Opfer des Krieges in Deutschland oft zu kurz kommt", hatte Maas in Warschau angekündigt. Er unterstütze daher die "längst überfällige" Initiative für einen Gedenkort für die polnischen Opfer des Krieges und der Besatzung in Berlin.
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Angestoßen hatte die Diskussion über ein Mahnmal für die polnischen NS-Opfer 2017 Florian Mausbach, der frühere Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Er schlug vor, am Askanischen Platz vor der Kriegsruine des Anhalter Bahnhofes ein Denkmal zum Gedenken an die polnischen Opfer der deutschen Besatzung zu errichten. Im Bundestag griffen das die Abgeordneten Manuel Sarrazin (Grüne), Paul Ziemiak (CDU), Dietmar Nietan (SPD), Thomas Nord (Linke) und Alexander Müller (FDP) in diesem April mit einem eigenen Aufruf auf. Darin beklagen sie, dass das Wissen um den "besonderen Charakter des deutschen Besatzungs- und Vernichtungsregimes in Polen zwischen 1939 und 1945 heute bei uns in Deutschland noch nicht hinreichend ausgeprägt" sei. Es solle "an prominenter Stelle" in Berlin ein geeigneter Ort gefunden werden, der Erinnerung, Aufklärung und "vor allem auch der Verständigung und dem Abbau von Vorurteilen" diene.
Im Bundestag hat dieser Aufruf mittlerweile 240 Unterstützer aus allen Fraktionen mit Ausnahme der AfD, wie die Initiatoren am Montag bekannt gegeben haben. Zu den Unterstützern gehören etwa die Vorsitzenden von FDP, Linken und Grünen, Christian Lindner, Katja Kipping, Bernd Riexinger und Annalena Baerbock. Vollzählig hinter dem Aufruf stehen die Grünen.
"Ein solches Denkmal wird dazu anregen, sich stärker mit dem polnischen Leid unter deutscher Besatzung und dem NS-Terror zu beschäftigen", sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), ebenfalls ein Unterzeichner, der Süddeutschen Zeitung. Es könne so dazu beitragen, "den von diesen Erfahrungen mitbestimmten Blickwinkel unserer Nachbarn auf die heutigen Herausforderungen in Europa besser zu verstehen". Gedacht sei es als "ein Ort der Erinnerung, der in die gemeinsame Zukunft unserer beiden Nationen weist".
Man werde nun in den nächsten Monaten an einer Mehrheit im Bundestag für einen Auftrag an die Bundesregierung arbeiten, ein Konzept für den Gedenkort im Zentrum Berlins zu erarbeiten, kündigt Mit-Initiator Sarrazin an. Gewollt sei "ein Denkanstoß, kein Schlussstrich". Es gehe "insbesondere auch um die Würdigung und Anerkennung der Geschichte der polnischen Nation und die besondere Rolle des polnischen Widerstands", betont der FDP-Mann Müller. Ein Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung sei "ein überfälliges Zeichen der Empathie", das "gerade in der heutigen politisch angespannten Situation" einend wirken könne.
Allerdings scheint Polens regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ein anderes historisches Anliegen deutlich mehr zu bewegen. Die Frage der Reparationen sei aus polnischer Sicht weiter offen, betonte Außenminister Jacek Czaputowicz während des Maas-Besuches. "Polen hat bis heute keine angemessene Kompensation für die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs bekommen", bekräftigte unlängst auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Im polnischen Parlament arbeitete eine Kommission in den vergangenen Jahren an einer Rechnung, die wohl am 1. September präsentiert werden soll und sich angeblich auf 800 Milliarden Euro beläuft. Die Bundesregierung lehnt solche Forderungen entschieden ab.
Die deutsche Denkmal-Initiative kann diesen Streit nicht lösen, stößt bei Polens rechtsgerichteter Regierung aber durchaus auf Sympathie. Sie sei ein "wichtiger Schritt im Prozess der Annäherung unserer Nationen", sagte Außenminister Czaputowicz. Polen sei bereit, bei der Ausarbeitung eines Bildungsprogramms für die geplante Gedenkstätte mitzuwirken.
Nicht unumstritten ist das Vorhaben allerdings unter deutschen Historikern. "Es ist richtig, dass das Leid der Polen angemessen gewürdigt wird", meint Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Er warne aber "vor einer Nationalisierung des Gedenkens, weil dann andere Nationen, die auch gelitten haben, ebenfalls Denkmäler fordern werden".