Rede in Straßburg:Julija Nawalnaja nennt Putin ein "Monster"

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Julija Nawalnaja bei ihrer Rede in Straßburg. Das letzte Mal hatte sie die Stadt vor vier Jahren mit ihrem Mann besucht. (Foto: FREDERICK FLORIN/AFP)

Am Freitag soll Alexej Nawalny in Moskau beigesetzt werden. Seine Witwe fürchtet, dass der Kremlchef den Oppositionellen bis ins Grab hinein verfolgt.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Es hat lange gedauert, bis die russischen Behörden den Leichnam von Alexej Nawalny herausgaben. Es hat lange gedauert, bis seine Angehörigen einen Ort fanden, um ihm würdevoll die letzte Ehre zu erweisen. Überall stießen sie auf eine Mauer des Schweigens und der Angst vor Wladimir Putin. An diesem Freitag soll es nun so weit sein. In einer Kirche im südöstlichen Moskauer Bezirk Marjino wird es eine Trauerfeier geben, anschließend die Beisetzung auf dem Borissow-Friedhof. Das ist der Plan. Aber ob der Kremlchef zumindest an diesem einen Tag Ruhe gibt?

Julija Nawalnaja, die Witwe, hat ihre Zweifel. Sie will nicht ausschließen, dass Wladimir Putin seinen schärfsten Kritiker bis ins Grab hinein verfolgt; dass er Leute verhaften lässt, die Alexej Nawalny am Freitag die letzte Ehre erweisen wollen. In ihrer Rede vor dem Europaparlament ließ sie am Mittwoch keinen Zweifel daran, wer verantwortlich ist für den Tod ihres Mannes, der am 16. Februar nach offiziellen Angaben in einem Straflager eines "natürlichen Todes" starb. Sie hält Putin für einen Mörder und nannte ihn ein "Monster".

"Demokratie braucht Tapferkeit", sagte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola

Es waren bewegende Momente, als Julija Nawalnaja den Straßburger Plenarsaal betrat. Die Abgeordnete bedachten die Witwe mit endlosem Beifall, viele schienen den Tränen nahe zu sein. Nawalnaja, die Haare streng nach hinten gekämmt, wirkte schwer gezeichnet von der Trauer, doch hin und wieder huschte ein Lächeln über ihr Gesicht angesichts der Zuneigung, die ihr entgegenschlug.

"Demokratie braucht Tapferkeit", sagte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in ihren einleitenden Worten. Und Alexej Nawalny habe diese Tapferkeit in einzigartiger Form vorgelegt. Im Dezember 2021 verlieh ihm das Europaparlament den Sacharow-Preis, als Anerkennung für seinen Kampf für Freiheit und Menschenrechte in Russland. Nawalnys Tochter Darja nahm den Preis damals stellvertretend entgegen. Nun scheint die Ehefrau sein Erbe zu übernehmen.

Julija Nawalnaja erinnerte in ihrer Rede an das Jahr 2020, als sich ihr Mann in Deutschland von dem Giftanschlag erholte, hinter dem mutmaßlich der russische Geheimdienst steckte. Sie unternahmen gemeinsam mit den Kindern einen Ausflug nach Straßburg, Sitz des Europaparlaments, und hätten sich sofort in diese Stadt verliebt. Es waren glückliche Tage. Doch Nawalny entschied sich im Jahr darauf, nach Moskau zurückzukehren, um seinen Kampf gegen Putin fortzusetzen. Er wurde sofort verhaftet. Drei Jahre lang sei ihr Mann gefoltert und isoliert worden, sagt Julija Nawalnaja. "Dann haben sie ihn umgebracht."

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Zum Schluss ging Julija Nawalnaja auf die Frage ein, wie die Europäische Union nun ihr und dem ganzen russischen Volk helfen könne. Keine Sanktionen, keine Resolutionen seien geeignet, Putin in die Knie zu zwingen, sagte sie. Die EU müsse einfallsreich sein, so wie es ihr Mann als Oppositionspolitiker immer gewesen sei, um sich trotz Unterdrückung durch den Staatsapparat Gehör zu verschaffen. Die EU dürfe Putin nicht als Politiker behandeln, sondern müsse ihn als Anführer einer kriminellen Vereinigung betrachten und gegen seine Geldgeber vorgehen.

Ihrem Mann sei es nicht vergönnt gewesen, ein "schönes Russland" zu erleben, sagte sie, "aber wir müssen es sehen".

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