Justiz:Staatsanwaltschaft Bonn erhebt Anklage gegen Michael Winterhoff

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Die Staatsanwaltschaft Bonn hat in einer Vielzahl von Fällen "im hohen dreistelligen Bereich" ermittelt. (Foto: Oliver Berg/DPA)

Dem bekannten Bonner Kinderpsychiater wird gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen vorgeworfen. Ermittelt wurde wohl in mehreren Hundert Fällen.

Von Nicole Rosenbach und Rainer Stadler

Die Staatsanwaltschaft Bonn hat Anklage gegen den Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff "wegen gefährlicher Körperverletzung in 36 Fällen" erhoben. Das bestätigte das Landgericht Bonn am Dienstag auf Anfrage von WDR und Süddeutscher Zeitung. Die Anklage sei der Verteidigung von Winterhoff zugesandt worden, die nun Stellung nehmen könne. Die Frist dafür werde in der Regel nicht unter zwei Wochen gesetzt, in umfangreichen Verfahren könne aber eine Fristverlängerung beantragt werden. Nach Ablauf der Frist werde die zuständige Kammer über die Aufnahme der Hauptverhandlung entscheiden.

WDR und SZ hatten im August 2021 erstmals über dubiose Behandlungsmethoden des Kinderpsychiaters berichtet. Er hatte vielen seiner jungen Patienten "frühkindlichen Narzissmus" und "Eltern-Kind-Symbiose" attestiert, Diagnosen, die sich in keinem Lehrbuch finden und in Fachkreisen höchst umstritten sind. Ehemalige Patienten berichten, Winterhoff habe ihnen daraufhin, zum Teil über Jahre hinweg, starke Medikamente verschrieben, vor allem Pipamperon. Dabei handelt es sich um ein sedierendes Mittel, dessen Einnahme Experten nur in Notfällen empfehlen, für einen begrenzten Zeitraum. Es kann schwere Nebenwirkungen auslösen. Einige der früheren Patienten gaben an, bis heute unter den Folgewirkungen der Behandlung durch Winterhoff zu leiden.

Lange Zeit Liebling der Massen: Michael Winterhoff im Jahr 2015 auf der Frankfurter Buchmesse. (Foto: Imago)

Durchsuchungen in 15 Jugendhilfeeinrichtungen

Laut Staatsanwaltschaft Bonn wurde in einer Vielzahl von Fällen "im hohen dreistelligen Bereich" ermittelt. Im Mai 2022 hatten 100 Kriminalbeamte 15 Jugendhilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, in denen Winterhoff tätig war, sowie die Räume seiner früheren Praxis in Bonn durchsucht. Dabei seien Patientenakten und umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt worden, die eine eigens gegründete Ermittlergruppe gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Bonn auswertete.

Der Kinderpsychiater, der Ende 2021 seine Praxis in Bonn aufgegeben hat, bestreitet die Vorwürfe und geht davon aus, dass seine Behandlung rechtskonform erfolgt sei. Er habe Pipamperon nur verschrieben, wenn Kinder "von Aggressionen, Stimmungslabilität und Verwirrtheit beherrscht" gewesen seien. Regelmäßig sei überprüft worden, ob die medikamentöse Behandlung noch notwendig sei.

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