Westerwelle und die Union:FDP knöpft sich Merkel vor

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Neuer Zoff in der Koalition: Im Streit über die kritischen Äußerungen von FDP-Chef Westerwelle zu Hartz IV verschärft seine Partei jetzt den Tonfall gegenüber der Union - und stellt Forderungen an Kanzlerin Merkel.

Der Zwist um die Äußerungen von FDP-Chef Guido Westerwelle zu Hartz IV geht in die nächste Runde: Jetzt versuchen die Liberalen die Flucht nach vorn - und gehen den Koalitionspartner an.

Sind unterschiedlicher Auffassung - nicht nur beim Thema Hartz IV: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Außenminister Guido Westerwelle (FDP) (Foto: Foto: dpa)

Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, ihren Vizekanzler gegen Anwürfe aus der CDU zu verteidigen. "Ich erwarte ein Machtwort von Angela Merkel", sagte Hahn der Frankfurter Rundschau. Diese müsse ihren Stellvertreter "vor unmöglichen Beschimpfungen aus der Union in Schutz nehmen". Als Beispiel nannte er den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der Westerwelle als "Esel" bezeichnet hatte.

Westerwelle hatte in der Debatte über die Höhe der Hartz-IV-Zahlungen gewarnt, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein. In Anspielung darauf erläuterte Geißler, die spätrömische Dekadenz habe unter anderem darin bestanden, dass Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannt hatte. "Insofern stimmt Westerwelles Vergleich: Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden", sagte der CDU-Politiker der Zeitung Die Welt.

Auch in den Ruhr Nachrichten bekräftigte Geißler seine harsche Kritik. Westerwelle verhöhne zehn Millionen deutsche Staatsbürger, die am Rande der Armut lebten, sagte er. Die spätrömische Dekadenz sei in Rom nicht unter den Sklaven und dem einfachen Volk verbreitet gewesen, sondern unter einer Luxuselite und einer Oberschicht von Reichen. "Die haben sich jeden Tag bis zum Erbrechen vollgefressen, während die einfachen Leute Hunger litten", sagte Geißler.

Verantwortlich ist die Kanzlerin

Westerwelles Gefolge zeigt sich von solchen Äußerungen empört. Und in der FDP meint man offenbar zu wissen, wer für die Verbalattacken verantwortlich zu machen ist. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Gerhard Papke, kritisierte in der Financial Times Deutschland Merkels öffentliche Distanzierung von ihrem Außenminister. Die Kanzlerin hatte über ihre Sprecherin mitteilen lassen, Westerwelles Worte entsprächen nicht ihrem Duktus. "Seit wann ist die Kanzlerin die Oberlehrerin der Nation?", wetterte Papke. Die FDP werde sich keine Denkverbote erteilen lassen.

Auch Bayerns FDP-Vorsitzender Martin Zeil verlangte im Gespräch mit der Financial Times Deutschland, Merkel müsse in den koalitionsinternen Auseinandersetzung um Steuersenkungen oder eine umfassende Gesundheitsreform "endlich Führung beweisen und ihrem Laden sagen, wo es lang geht". Stattdessen sie sich in "machttaktischen Spielchen" und flirte zusammen mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) mit den Grünen. "Keine fünf Monate nach einer dank der FDP fulminant gewonnenen Bundestagswahl empfinde ich das als Unverschämtheit", sagte Zeil.

Kein Reden um den heißen Brei

Westerwelle selbst sagte der Bild-Zeitung: "Jeder hat seinen eigenen Stil. Ich will gestalten, und deswegen will ich unserem Volk auch die Wahrheit sagen. Das Herumreden um den heißen Brei führt doch nur zu noch mehr Politikverdrossenheit. 45 Prozent des Bundeshaushalts werden mittlerweile für den Sozialetat ausgegeben. Zusammen mit den Zinsen für die Schulden sind es sogar 60 Prozent. Wenn das so weitergeht, wird durch diese Umverteilungspolitik der ganz normale Steuerzahler zum Sozialfall."

Der FDP-Chef will nun eine General-Debatte über soziale Gerechtigkeit im Bundestag anstrengen. Die Kritiker "versuchen mit ihren Beleidigungen doch nur zu verbergen, dass es ihnen an Wahrheit und Argumenten fehlt. Wir wollen den Bedürftigen helfen, aber nicht den Findigen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt", sagte Westerwelle der Bild.

Auch parteiintern bemühen sich die Liberalen, ihrem Vorsitzenden den Rücken zu stärken. So stieß der Vorstoß von FDP-Vize Andreas Pinkwart nach einer breiteren personellen Aufstellung der Parteispitze auf nur wenig Zustimmung.

Pinkwart, der FDP-Chef in Nordrhein-Westfalen und Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 9. Mai ist, hatte die schlechten Umfragewerte der Landes-Liberalen auf den Einbruch der Bundespartei zurückgeführt und im Hamburger Abendblatt gefordert: "Die Parteiführung ist stärker im Team gefordert. Die FDP muss mehr Gesichter in den Vordergrund stellen." Dazu gehöre auch, dass die Partei es aushalte, wenn sich Persönlichkeiten aus der engeren Führung profilierten. Das dürfe "nicht gleich als Angriff auf den Parteivorsitzenden gesehen werden".

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, wies diese Forderung jedoch umgehend zurück: "In der FDP ist die Führungsverantwortung auf ausreichend viele Schultern verteilt." Die Verantwortung müsse jetzt jedoch geschlossen wahrgenommen werden. "Das gilt erst recht dann, wenn die See rauer geworden ist." Auch der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Johannes Vogel, reagierte ablehnend auf Pinkwarts Vorstoß.

© sueddeutsche.de/dpa/jobr/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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