Westerwelle in New York:Mächtig im Abseits

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Fernab von den Problemen seiner Partei kümmert sich Guido Westerwelle dieser Tage um die Geschicke der Welt. Auf der UN-Versammlung in New York wirkt er erleichtert - nach den Wahlschlappen und der Euro-Debatte steigt sein Ansehen in der geschwächten FDP wieder.

Daniel Brössler, New York

Guido Westerwelle hat es pünktlich geschafft. Beim Abendessen in New York geht es um den Frieden im Nahen Osten, zum Dinner versammelt sind im zwölften Stock eines Bürohauses in Manhattan die Kollegen Minister aus anderen wichtigen Ländern der Welt, der Franzose Alain Juppé zum Beispiel und der Brite William Hague.

Außenminister Guido Westerwelle steigt am Montag in New York aus dem Airbus 340 'Konrad Adenauer'. Dort wird er an der Vollversammlung der Vereinten Nationen teilnehmen - und ist froh sich fernab von den Problemen seiner Partei der Diplomatie widmen zu können. (Foto: dapd)

Westerwelle ist gut gelaunt. Hinter ihm liegen neun Stunden Flug mit der Konrad Adenauer, dem neuen, geräumigen Flaggschiff der Flugbereitschaft der Bundeswehr. Neun Stunden, die 6380 Kilometer Distanz schaffen zwischen ihm und der Stadt, in der seine Partei gerade noch 1,8 Prozent wert ist.

An Bord hatte der Außenminister keine Anzeichen von Verzweiflung gezeigt. Im Gegenteil: Wer dabei war, konnte nicht den Eindruck gewinnen, Westerwelle sei in dieser Woche unglücklich, nicht mehr FDP-Chef zu sein. Er schaut entspannt auf die Welt und das, zufällig natürlich, durch eine neue Brille. Sie hat dunkelbraune Ränder, mutig geschwungene Konturen und tut, was neue Brillen tun: Sie erwecken den Eindruck, der Träger habe sich irgendwie verändert.

Den Minister erwartet nun in den kommenden Tagen das, was im Jargon des Auswärtigen Amtes "VN-Woche" genannt wird. Einmal im Jahr versammeln sich die Mächtigen und die nicht ganz so Mächtigen in New York zur Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Welt und Partei können nicht auf einmal gerettet werden

Wenn an diesem Mittwoch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Versammlung eröffnet, wird Westerwelle bereits vier verschiedene Sitzungen absolviert haben, mal im Kreise der um Libyen Besorgten, mal in der Gruppe der Europäer oder der G 8. Hinzu kommen Zweier-Gespräche, etwa mit Prinz Saud al-Faisal bin Abdulaziz Al Saud, dem Außenminister von Saudi-Arabien.

Dieses Jahr sei es besonders wichtig, findet Westerwelle, rechtzeitig in New York zu sein. Die Weltversammlung steht vor einer schwierigen Entscheidung über Palästinas Staatlichkeit. "Wir werden in den kommenden Tagen weiter alles versuchen, um eine Konfrontation in New York und eine Verschärfung der Lage vor Ort zu vermeiden", verspricht Westerwelle.

Angesichts dessen ist es nicht ganz einfach, sich den deutschen Außenminister dieser Tage noch als Vizekanzler und FDP-Vorsitzenden vorzustellen, zumal unwahrscheinlich ist, dass er beides nach einem Resultat wie jenem in Berlin hätte bleiben können. In Westerwelle ist deshalb wohl so etwas gereift wie Erleichterung und zudem die Erkenntnis, dass beides auf einmal kaum zu retten ist - die Welt und die Partei.

Nach der Aufregung um die deutsche Enthaltung bei der Libyen-Resolution im März, dem erzwungenen Rückzug im April, dem FDP-Parteitag im Mai und dem gescheiterten Versuch, Westerwelle aus seinem Amt zu drängen vor wenigen Wochen, bleibt dem Minister nun gar nichts übrig, als sich der Diplomatie zu widmen. Und weil Angela Merkel der Messe der Macht dieses Jahr fernbleibt, ist es auch an Westerwelle, für Deutschland zu sprechen.

In der UN-Generalversammlung gilt die Regel, dass erst die Staatsoberhäupter sprechen, dann die Regierungschefs, dann die Außenminister, die auch Vize-Regierungschef sind und erst dann die anderen. So steht Westerwelle erst am frühen Montagabend der kommenden Woche auf der Rednerliste, nach dem Kollegen aus Australien und vor dem aus Sudan.

Bis dahin vergeht ziemlich viel Zeit und so füllen Westerwelles Termine bis zum Abflug 24 Seiten in einem kleinen Büchlein. Erst am Dienstag kommender Woche wird er wieder in Berlin eintreffen. Dort verpasst er in dieser Woche nichts, außer vielleicht den Besuch von Papst Benedikt XVI. und die andauernde Wehklage über ein Berliner FDP-Resultat, für das ja ohnehin nicht er geradestehen muss.

Endlich ist Westerwelle mal nicht schuld

Nach Lage der Dinge war der populistische Euro-Zeche-Wahlkampf in der Hauptstadt tatsächlich die erste große Sünde der FDP seit Jahren, mit der Westerwelle rein gar nichts zu tun hatte. Im Gegenteil: Seit einiger Zeit sucht er sein Heil als Außenminister demonstrativ in Europa. "Die Zukunft Europas ist die Gretchenfrage der deutschen Politik. Sie rührt an den Kern deutscher Staatsraison", schrieb er vor einigen Wochen in einem grundlegenden Aufsatz.

Für den vom FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler angezettelten Mitgliederentscheid gegen den Euro-Rettungsschirm bereitet sich Westerwelle siegesgewiss auf eine Art Wahlkampf vor. Er wird auch zu den Unterzeichnern des Gegenantrages gehören.

Parteichef Philipp Rösler, der Westerwelle nassforsch die Richtlinien der Außenpolitik diktieren wollte und nun selbst seit seinen Einlassungen zum Thema Insolvenz Griechenlands orientierungsbedürftig wirkt, dürfte auf die Hilfe kaum verzichten. Und das wäre sie dann, die lange gesuchte Rolle, die der Außenminister für seine Partei noch spielen kann. Vorausgesetzt natürlich, dass ein pro-europäischer Kurs in der FDP gefragt bleibt.

© SZ vom 21.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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