Europäische Volkspartei:Orbán bemüht sich um Deeskalation

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. (Foto: REUTERS)
  • Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán geht einen Tag vor der Entscheidung über den Verbleib seiner Partei Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP) weiter auf seine Kritiker zu.
  • Der Chef der CSU-Staatskanzlei, Florian Herrmann, spricht von einem "klar deeskalierenden Signal".
  • Ob die politische Versammlung der EVP das bei ihrer Sitzung am Mittwochnachmittag auch so sieht, ist völlig offen.

Von Matthias Kolb, Brüssel, und Wolfgang Wittl

Einen Tag vor der Entscheidung über den Verbleib der ungarischen Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP) geht Viktor Orbán auf seine Kritiker zu. Ungarns Ministerpräsident garantiert, dass die umstrittene Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest weiter "forschen und unterrichten" dürfe. Damit erfüllt er die letzte der drei Forderungen, die ihm EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber gestellt hatte. Zuvor hatte Orbán zugesichert, keine europafeindlichen Wahlplakate mehr zu verwenden und sich bei jenen Schwesterparteien entschuldigt, die er als "nützliche Idioten" beschimpft hatte.

Orbán habe das Angebot einer engeren Wissenschaftskooperation mit dem Freistaat Bayern "dankend angenommen", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Er verwies auf einen Brief Orbáns, der am Dienstag eingegangen war: "Im Namen der ungarischen Regierung kann ich Ihnen versichern, dass der Teilnahme der Technischen Universität München im ungarischen Hochschulwesen im Rahmen der Zusammenarbeit mit der CEU keine Hindernisse entgegengesetzt werden".

Streit in der EVP
:Orbán entschuldigt sich für "nützliche Idioten"

Der ungarische Ministerpräsident hatte zuletzt mit Anti-EU-Rhetorik gegen die eigene Parteienfamilie für Aufsehen gesorgt. Seiner Fidesz-Partei droht deswegen der Rauswurf aus der konservativen Fraktion im Europaparlament.

Angeregt durch CSU-Vize Weber hatte Bayern angeboten, über die TU München zwei Lehrstühle für Demokratie und Governance an der CEU zu finanzieren. Außerdem soll die von dem ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros gegründete Hochschule einen Stiftungslehrstuhl erhalten. Die konkrete Gestaltung obliege nach Orbáns Überzeugung nun den Universitäten, sagte Herrmann, der von einem "klar deeskalierenden Signal" sprach. Ob dies die EVP bei ihrer Sitzung am Mittwochnachmittag auch so sehen wird, ist völlig offen. 13 Mitgliedsparteien aus zehn Ländern fordern den Ausschluss von Fidesz - oder deren Suspendierung. Christdemokraten aus Belgien, Luxemburg und Skandinavien werfen Orbán vor, durch Einschränkung der Pressefreiheit, Aushöhlung des Rechtsstaats und flüchtlingsfeindliche Rhetorik gegen EVP-Grundwerte zu verstoßen. Die Orbán-Kritiker haben bereits erklärt, dass ihnen die Erfüllung der drei Weber-Kriterien nicht genügt.

In Brüssel gilt auch ein Rauswurf auf Bewährung für die Fidesz als denkbar

In EVP-Kreisen gibt man sich reserviert und wertet Orbáns Brief zur CEU als "ersten Schritt". Der Ungar, der sich bei der Sitzung in Brüssel selbst verteidigen wird, gilt als Polit-Zocker. Zwei Monate vor der Europawahl hält man es in der EVP weiter für denkbar, die Mitgliedschaft von Fidesz für eine gewisse Zeit aufzuheben, in der die Ungarn sich bewähren und auf Provokationen verzichten müssten. So könnte Orbán gezeigt werden: "Das Maß ist voll", hieß es. Zudem hofft man, das leidige Thema zu "entschärfen", das seit Tagen den Europawahlkampf von Weber überschattet.

Manfred Weber kündigte an, noch am Dienstagabend mit Orban zu telefonieren, "um morgen vorzubereiten". Er sei "jemand, der Brücken baut". Für sein Ziel, Chef der EU-Kommission zu werden, kämen ihm die zwölf Fidesz-Stimmen gelegen. Sollte Orbán in der EVP bleiben, so wird in Brüssel erwartet, dass einige Skandinavier die Fraktion verlassen. Der Status Quo dürfte Weber die im Europaparlament nötige Unterstützung erschweren. Neben den Orbán-skeptischen Sozialdemokraten und Liberalen könnte er sogar Stimmen der Grünen brauchen. Deren Fraktionschefin Ska Keller sieht "ein massives Glaubwürdigkeitsproblem" bei Weber: "Wenn jemand die undemokratische Politik von Orbán gutheißt, wäre das sehr schwierig.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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