Verhandlungen über große Koalition:Unverrückbare Punkte und 34 Fragezeichen

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In den Arbeitsgruppen von Union und SPD geht es ans Eingemachte. (Foto: dpa)

Kindergeld, Maut, Atomkraft, Finanzmarkt: Langsam packen Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen die Streitthemen an. Die Parteichefs greifen persönlich ein. Ein Überblick.

Von R. Roßmann, C.Hickmann, M. Bauchmüller, G. Bohsem, C. Hulverscheidt, Berlin

Kindergeld

Der Familienbund der Katholiken ist sauer: Union und SPD halten aus seiner Sicht das Wahlversprechen nicht ein, Eltern finanziell zu entlasten. "Es ist ein denkbar schlechtes Zeichen für die Familien, dass die versprochenen Erhöhungen von Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderzuschlag nun auf der Strecke bleiben sollen", sagt die Präsidentin des Familienbundes, Elisabeth Bußmann. Eltern hätten einen Anspruch darauf, für den Unterhalt ihrer Kinder einen steuerlichen Ausgleich zu bekommen.

Nun haben SPD und Union zwar noch keine Beschlüsse zum Kindergeld gefasst, in der zuständigen Koalitionsarbeitsgruppe wurde das Thema noch nicht einmal besprochen. Doch zeichnet sich tatsächlich ab, dass es vermutlich keine Erhöhung des Kindergeldes und des Freibetrages geben wird - es kostet der Union einfach zu viel. In der CDU-Zentrale hieß es am Freitag, bei allen Vorhaben aus dem Wahlprogramm müsse "jetzt deren Finanzierbarkeit im Vordergrund stehen". Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärte, die Verbesserungen für Familien seien zwar "wünschenswert" und "auch richtig". Allerdings dürfe es weder Steuererhöhungen noch neue Schulden geben. Dies sei für die Union "ein unverrückbarer Punkt", sagte Kauder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Verhandlungsführerin der Union für die Familienpolitik, Annette Widmann-Mauz, äußerte sich auf das Kindergeld angesprochen ähnlich. Sie sagte, man wisse, dass man "unter schwierigen finanziellen Bedingungen verhandele".

Diese Äußerungen wurden als Absage an eine Kindergeld-Erhöhung verstanden. Bereits am Donnerstag hatten Angela Merkel und Horst Seehofer die von der Union ausgewählten Vorsitzenden der Koalitionsarbeitsgruppen zu Einzelgesprächen einbestellt. Dabei wurde ihnen klargemacht, dass in den Gruppen keine kostenintensiven Projekte mehr ohne Absprache beschlossen werden sollen. In ihrem Wahlprogramm hatte die Union noch eine Anhebung von Kindergeld, Freibetrag und Kinderzuschlag angekündigt. Die SPD hatte eine Erhöhung des Kindergeldes für Geringverdiener versprochen.

Verteidigung

Am Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr wird nicht gerüttelt - so viel wurde nach der Sitzung der Arbeitsgruppe Außen- und Verteidigungspolitik am Freitag klar. "Die Frage ist, was müssen wir an Sicherstellungen für die Zukunft vornehmen, wenn die Armeen arbeitsteiliger miteinander arbeiten", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach der Sitzung. Was damit gemeint ist: Was passiert künftig mit deutschen Soldaten, die beispielsweise in einem internationalen Zentrum für Lufttransport arbeiten und Soldaten anderer Nationen zu einem Einsatz transportieren, an dem Deutschland sich aber gar nicht beteiligt?

Für derartige Fälle wolle man "Vorsorge treffen, dass es hier keine Lücken" in der parlamentarischen Legitimierung gebe, so Steinmeier. Konkreter wurde es nicht. Was die Reform der Bundeswehr angeht, wollen Union und SPD grundsätzlich an getroffenen Entscheidungen festhalten. Wenn man durch die geplante Evaluierung aber Änderungsbedarf erkenne, werde man "nachsteuern", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Das könnte im Einzelfall sogar Entscheidungen zu Standorten betreffen - schließlich, so de Maizière, beziehe sich dies "auf alle Punkte".

Maut

Was ein Rigorosum ist, das weiß der promovierte Kaufmann Peter Ramsauer ziemlich gut. Eine Doktorarbeit mündlich verteidigen, das ist kein Spaziergang. Aber die Pkw-Maut gegen CDU und SPD? "Das war wie ein paar Rigorosen hintereinander weg", sagt Ramsauer, "hochklassig." Kurzum: Jeder von den Verkehrspolitikern hat mal seine Meinung gesagt, aber viel weiter sind sie nicht. Stattdessen hat die SPD nun einen Fragenkatalog zusammengetragen, insgesamt 34 Fragezeichen rund um die Maut. 34 Stolpersteine für ein Projekt, von dem Ramsauers CSU sehr viel hält, die SPD aber sehr wenig. "Wichtig ist, dass ein paar Grundfragen sehr genau geregelt sind", sagt SPD-Verhandlungsführer Florian Pronold. Wiedervorlage: Dienstag. Einig wurden sich die Verkehrspolitiker aber immerhin darüber, dass künftig die Gewinne aus dem Schienennetz der Bahn wieder in das Netz zurückfließen sollen.

Atomkraft

Bei der Atomkraft wollen Union und SPD im Koalitionsvertrag noch einmal festhalten, dass der letzte Reaktor auch wirklich 2022 abgeschaltet wird. Was aber geschieht mit Exporten von Atomtechnologie? Die SPD will sie erschweren. Künftig solle es keine Hermesbürgschaften mehr für Ausfuhren geben, die dem Bau von AKWs dienen. Und auch bei Gorleben will die SPD Fakten schaffen. Der 30 Jahre alte Rahmenbetriebsplan, der die Bauarbeiten im niedersächsischen Salzstock regelte, gehöre abgeschafft, fordert die SPD. Derzeit streiten darüber der Bund und Niedersachsen. Das Land will ihn endgültig aufheben, der Bund klagt dagegen. Diese Klage müsse zurückgenommen werden, fordert die SPD. Nun soll die Arbeitsgruppe Energie entscheiden - der zufälligerweise Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil angehört, ein SPD-Mann.

Krankenhäuser

In der Arbeitsgruppe Gesundheit verständigten sich SPD und Union auf einen Abwicklungsfonds für Krankenhäuser. Mit insgesamt 500 Millionen Euro soll es den Ländern leichter gemacht werden, Häuser zu schließen oder in Versorgungs- und Pflegeeinrichtungen umzuwandeln. Das Geld soll einmalig aus dem Gesundheitsfonds überwiesen werden und ab Mitte 2014 zur Verfügung stehen. Um an die Mittel zu gelangen, müssen die Länder selbst die Hälfte der Kosten beisteuern. Damit soll die Krankenhauslandschaft in Deutschland an die veränderten Versorgungsbedingungen angepasst werden.

Finanzmarkt

Was die Arbeitsgruppe Finanzen zur besseren Finanzmarktregulierung beschlossen hat, entspricht im Wesentlichen dem, was auf europäischer Ebene ohnehin geplant ist. Dazu zählt unter anderem die Einführung einer Verschuldungsgrenze für Kreditinstitute und die bessere Beaufsichtigung sogenannter Schattenbanken, das sind zum Beispiel Geldmarktfonds und Wagniskapitalgesellschaften. Die Gewerbesteuer soll entgegen früherer Planungen nun unangetastet bleiben. Damit gibt es weder eine Ausweitung der Besteuerungsgrundlage, wie sie die SPD ursprünglich einmal gefordert hatte, noch eine Einschränkung - die hatte vor allem der CDU-Wirtschaftsflügel verlangt.

BAFöG

Union und SPD haben sich auf Verbesserungen bei der Ausbildungsförderung für Studenten geeinigt. Die zuständige Arbeitsgruppe verständigte sich auf "spürbare Erhöhungen" beim Bafög. Konkrete Beträge wurden aber noch nicht beschlossen.

© SZ vom 09.11.2013/ter - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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