Vereinte Nationen:Netanjahu keilt gegen UN

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"Haben Sie keine Scham?": Nach den Vorwürfen von Mahmud Ahmadinedschad attestiert Israels Regierungschef Netanjahu den UN fehlenden Anstand und hält einen KZ-Plan in die Luft.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat mit einer Attacke gegen die Vereinten Nationen auf die antisemitischen Vorwürfe des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor der UN-Vollversammlung in New York reagiert.

Er beschuldigte die Weltorganisation in New York der Parteilichkeit und Ungerechtigkeit. "Wollen Sie an der Seite Israels stehen oder an der Seite von Terroristen?", rief er den Vertretern der 192 Mitgliedsländer zu.

Ahmadinedschad hatte am Vortag das Vorgehen Israels gegen die Palästinenser im Gazastreifen als Völkermord bezeichnet und den Juden vorgeworfen, die internationale Politik zu dominieren. Netanjahu konterte, der Goldstone-Bericht zur israelischen Offensive in Gaza sei einseitig und ungerecht. "Das ist eine Verdrehung der Wahrheit, eine Perversion der Gerechtigkeit."

Persönlich griff Netanjahu auch die UN-Vertreter an, die Ahmadinedschads Rede nicht boykottiert hatten. "Haben Sie keine Scham? Haben Sie keinen Anstand?", rief er. Die Delegierten hätten damit einem Mann das Podium überlassen, der den Tod von sechs Millionen Juden während des Holocaust leugne.

Zum Beleg hielt der Regierungschef einen Plan des NS-Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau hoch, in dem eine Million Menschen dem Naziterror zum Opfer gefallen waren. "Sind diese Pläne eine Lüge? Sind die Häftlingsnummern, die viele von uns noch auf dem Arm eintätowiert haben, eine Lüge?"

Zugleich versicherte Netanjahu: "Ich, meine Regierung und mein Volk wollen Frieden. Aber wir wollen dauerhaften Frieden." Dies sei nicht möglich, weil die Araber bis heute den jüdischen Staat nicht anerkannt hätten.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez gab sich hingegen versöhnlich und schraubte seine Kritik an den USA etwas zurück. Ganz anders als bei seinem letzten Auftritt bei den UN 2006, als er zürnte, es rieche nach Schwefel und daraufhin den damaligen US-Präsidenten George W. Bush als "Teufel" bezeichnete. Dessen Nachfolger Barack Obama kam in diesem Jahr ungleich besser weg: "Es riecht nicht nach Schwefel. Es ist weg. Es riecht nach etwas anderem. Es riecht nach Hoffnung", sagte Chávez.

In seiner 57 Minuten langen Rede erwähnte der linksgerichtete Präsident seinen Freund, den früheren kubanischen Staatschef Fidel Castro, allerdings deutlich häufiger als Obama. Den Kapitalismus geißelte Chávez in scharfen Worten, zudem forderte er ein Ende des Imperialismus - womit er in der Regel die USA verbindet. Obama warf er vor, viele schöne Versprechungen zu machen, diese jedoch nicht umzusetzen. Doch allzu hart wollte er den neuen Mann in Washington nicht angehen. "Ich will ihn nicht persönlich angreifen", sagte er später auf einer Pressekonferenz.

Obama hatte ihm bei einem Gipfeltreffen der amerikanischen Staaten im April die Hand geschüttelt. Chávez sagte später, es gebe eine Chemie zwischen den beiden. In der Tat scheint der Venezolaner sogar die Hoffnung zu hegen, Obama vielleicht überzeugen zu können. "Kommen Sie auf die Seite der Sozialisten. Kommen Sie rüber auf die Achse des Bösen", sagte er leicht ironisch vor der UN-Vollversammlung unter Anspielung auf den von der Regierung Bush geprägten Ausdruck.

Der irakische Staatspräsident Jalal Talabani bat die UN um eine unabhängige Aufklärung der jüngsten Terroranschläge in seinem Land. Die Anschläge hätten ein solches Ausmaß erreicht, dass man von einer Planung und Steuerung durch "externe Kräfte" ausgehen müsse, sagte er vor der Vollversammlung. Er bitte deshalb um die Untersuchung durch eine unabhängige Kommission. Die Verantwortlichen müssten vor ein internationales Sondergericht gestellt werden.

Der Irak war trotz wirtschaftlicher und politischer Fortschritte in der vergangenen Zeit von zahlreichen Attentaten erschüttert worden. Talabani sagte: "Diese kriminellen Akte und die große Zahl der Opfer haben eine Stufe erreicht, die Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeutet. Sie müssen nach internationalem Recht bestraft werden."

Zuvor hatte der neue japanische Regierungschef Yukio Hatoyama den Vereinten Nationen eine verstärkte Zusammenarbeit zugesagt und einen ständigen Sitz für sein Land im Sicherheitsrat gefordert. "Japan will alles dafür tun, um eine Brücke für die Welt zu werden: zwischen Orient und Okzident, zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und zwischen verschiedenen Zivilisationen", sagte Hatoyama, der erst vergangene Woche zum Ministerpräsidenten der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt gewählt worden war.

Die Generaldebatte ist zunächst auf fünf Tage angesetzt. Unter anderem noch Vertreter Afghanistans und des Irak erwartet.

© dpa/AP/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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