Naher Osten:Ein sehr beweglicher Spieler

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Die VAE wollen sich mit allen Nachbarn gutstellen, auch mit Iran: der iranische Verteidigungspolitiker Ali Schamchani (r.) empfängt Scheich Tahnun bin Zayed Al Nahyan in Teheran. (Foto: ATTA KENARE/AFP)

Die Vereinigten Arabischen Emirate verfolgen eine Außenpolitik in alle Richtungen. Zum Selbstschutz und zur Expansion - nicht ohne Risiken.

Von Thore Schröder, Beirut

"Klein-Sparta", so bezeichnete der Vier-Sterne-General James Mattis einmal die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Oberbefehlshaber des U.S. Central Command, später Verteidigungsminister unter Präsident Donald Trump, bescheinigte den Soldaten aus dem kleinen Staat am Persischen Golf: "Sie sind nicht nur bereit, zu kämpfen - sie sind echte Kämpfer." Das war zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts. Der Verbund der sieben Scheichtümer hatte sich am Anti-IS-Einsatz sowie einer Vielzahl anderer US-geführter Missionen im Nahen Osten sowie außerhalb beteiligt. In den vergangenen Jahren haben sich die VAE auch als gewiefte Taktiker erwiesen, militärisch wie wirtschaftlich.

Kaum ein Tag vergeht, an dem die außenpolitischen Aktivitäten des Landes nicht Schlagzeilen machen in der Region. An diesem Montag besuchte der nationale Sicherheitsberater Scheich Tahnun bin Zayed Al Nahyan mitsamt einer prominenten Delegation Teheran, traf dort Irans Staatspräsidenten Ibrahim Raisi. Ende November war der stellvertretende iranische Außenminister und Nuklear-Verhandlungsführer Ali Bagheri Kani bereits nach Dubai gekommen. Ebenfalls in der Golf-Metropole unterzeichnete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am vergangenen Freitag einen historischen Deal: Die VAE kaufen für mehr als 17 Milliarden Euro 80 französische Rafale-Jets und zwölf Caracal-Hubschrauber.

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"Der größte Militärauftrag in unserer Geschichte", frohlockte Macron. Gleichzeitig bemühen sich die Emirate seit Längerem um F-35-Tarnkappenjets aus den Vereinigten Staaten. Auch die Beziehungen zu China sind eng. Die Volksrepublik ist größter Konsument von Golf-Öl, kürzlich soll Peking versucht haben, eine geheime Militäreinrichtung in einem Hafen bei Abu Dhabi zu bauen. Sehr zum Ärger der USA.

"Die Vereinigten Arabischen Emirate sind ein kleiner, beweglicher Player. Sie versuchen, zwischen den regionalen und globalen Bruchlinien zu navigieren und gleichzeitig davon zu profitieren", sagt Emile Hokayem von der britischen Denkfabrik IISS. Das Land - in der vergangenen Woche 50 Jahre alt geworden - hat rund zehn Millionen Einwohner, wobei nur jeder zehnte auch Staatsbürger ist, die anderen sind Arbeiter aus dem Ausland, vor allem aus Südasien.

Mit gewaltigen Öl- und Gasvorkommen, aber mittlerweile auch als globaler Knotenpunkt für Seefracht und Luftverkehr sowie als Urlaubsdestination sind die VAE zur zweitgrößten arabischen Wirtschaftsmacht aufgestiegen. Faktisch regiert werden sie von Abu Dhabis Kronprinz Mohammed bin Zayed al Nahyan, genannt MbZ. In den vergangenen zwei Jahren haben die Emirate ihre Außenpolitik neu ausgerichtet, suchen nun die Kooperation. Dazu passen auch der Friedensdeal mit Israel im Rahmen der sogenannten "Abraham Accords", die beendete Blockade Katars und jüngst die Aussöhnung mit der Türkei.

Der Westen sieht in den Emiraten den idealen Partner

Warum lässt man den VAE ihre vermeintlich widersprüchlichen Kontakte zu verfeindeten Ländern durchgehen? Weshalb ist man bereit, die Beteiligungen an den Kriegen in Jemen und Libyen zu ignorieren? Zum einen trägt das Land nicht an historischem Ballast wie etwa das Königreich Saudi-Arabien, das als Hüter der heiligen Stätten des Islam stärker auf seine Reputation achten muss. Zweitens gelten die Emirate in vielen Staaten des Westens als idealer regionaler Partner: wirtschaftlich offen, technologiefreundlich, rigoros gegen den politischen Islam positioniert, nun auch mit Israel verpartnert.

Doch die neue Linie, keinerlei Feinde in der Region mehr zu haben, bleibt laut Hokayem "ein Drahtseilakt". Das Knüpfen enger Verbindungen zwischen Abu Dhabi und Teheran ist für beide Seiten verständlich. Die Iraner wickeln verschiedenen Berichten zufolge schon seit Längerem Schattendeals ihres boykottierten Öls über VAE-Häfen oder -Gewässer ab. Die Emiratis wiederum wollen sich für den Fall, dass die Verhandlungen zum Nuklearpakt in Wien tatsächlich scheitern, in Deckung bringen. Die neue Nähe betrachtet man in Riad und Tel Aviv aber mit einigem Missvergnügen.

Ungemach droht den VAE vor allem in Hinblick auf das Verhältnis der USA zu China. Präsident Joe Biden soll MbZ dieses Jahr bereits telefonisch gewarnt haben, dass die engen wirtschaftlichen Bande zur Volksrepublik für die Beziehungen nach Washington abträglich sein könnten. Man fürchtet insbesondere chinesische Spionage-Tätigkeit, etwa durch das von Huawei betriebene 5G-Netz im Golfstaat. Das ist es, was dem F-35-Deal bisher im Weg steht.

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Von Thore Schröder

"Als modernes autoritäres Regime orientieren sich die VAE schon länger an China", weiß Andreas Krieg vom King's College London. Im Arabischen Frühling haben die Herrscher das Internet als Operationsraum der Opposition und damit Bedrohung identifiziert. Chinesische Überwachungstechnologie wurde seitdem nicht nur von Ostasien aus an den Golf transferiert, sondern von dort aus auch weiter zu autokratischen Partnern in Ägypten und im Osten Libyens.

"Die VAE haben einen gläsernen Bürger geschaffen, versuchen so, die Zivilgesellschaft zu lenken", sagt Andreas Krieg. Spähprogramme aus Israel wurden bereits 2018 gegen Dissidenten und regionale Rivalen eingesetzt, berichtete die New York Times damals, wohlgemerkt zwei Jahre vor Unterzeichnung des Friedensabkommens mit dem jüdischen Staat. Mit den Israelis entwickelt man nun ein Drohnenabwehrsystem. Vor drei Wochen wurde zudem ein Vertrag zum gemeinschaftlichen Bau unbemannter Boote unterzeichnet.

Wirtschaft-und Verteidigungspolitik der Emirate überlappen sich freilich bereits seit Jahren. Die Beteiligung am Kriegseinsatz gegen die Huthi-Rebellen in Jemen diente immer auch der Sicherung strategisch wichtiger Häfen im Süden der Arabischen Halbinsel. Von dort aus konnten die VAE ihren Einfluss in den westlichen Indischen Ozean ausdehnen. Im Oktober wurde bekannt, dass sich die emiratische Hafen-Holding DP World nun auch am Ausbau verschiedener Häfen in Afrika beteiligt.

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