USA und Nordkorea:Der Dealmaker beim Diktator

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Donald Trump und Kim Jong-un: Es könnte sein, dass die beiden bald in Realität und nicht nur auf Montagen im Fernsehen nebeneinander zu sehen sind. (Foto: AFP)

Das Weiße Haus hat alle Mühe, eine der größten Kehrtwendungen in der US-Geschichte als logische Konsequenz bisheriger Politik zu verkaufen.

Von Alan Cassidy, Washington

Der vielleicht denkwürdigste Tag des Donald Trump im Weißen Haus endete mit einem Umweg. Der Präsident war schon auf dem Weg vom Oval Office in seine Residenz, Statements wollte er an diesem Abend keine mehr abgeben - eigentlich. Doch dann bog er im Westflügel des Weißen Hauses ab und ging zum Presseraum, das ist ein Ort, den er sonst meidet.

Die kleine Gruppe von Journalisten, die dort stand, blickte erstaunt, als Trump den Kopf um die Ecke streckte und sagte, es komme da später noch eine große Ankündigung. Worum es denn gehe, fragte einer der Journalisten. Der Präsident, so hat es einer der Anwesenden beschrieben, habe gegrinst, als er sagte: "Na, das große Thema!"

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Das große Thema also. Was Trump meinte, erschloss sich am Ende eines langen Tages nicht sofort. "Nordkorea", schob der Präsident also auf Nachfrage eines Journalisten nach, und verschwand wieder. Nordkorea? Einige Stunden zuvor hatte seine Regierung die von vielen erwarteten Importzölle auf Stahl und Aluminium verhängt. Das war doch das große Thema gewesen? Einige Stunden zuvor war ebenfalls klar geworden, dass die Geschichte um eine angebliche Schweigezahlung Trumps an eine Pornodarstellerin nicht so schnell wieder verschwinden würde. Groß war diese Sache auch - und lästig für den Präsidenten.

Klarheit brachte erst ein weiterer Auftritt, und auch der war bemerkenswert. Auf der Südseite des Weißen Hauses trat um 19 Uhr Chung Eui-yong, der nationale Sicherheitsberater Südkoreas, in die kalte Washingtoner Nacht. Er lobte zunächst ausführlich Trumps bisherige Politik gegenüber Nordkorea, die zu einer neuen Situation geführt habe, und verkündete dann das Angebot des nordkoreanischen Diktators, den Präsidenten der USA treffen zu wollen.

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(Foto: AP)

Nordkoreas Raketentests (hier einer Mittelstreckenrakete) sorgten in der jüngeren Vergangenheit für eine explosive Stimmung zwischen dem nordkoreanischen Regime und den USA.

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(Foto: imago/Cola Images)

Seit dem Waffenstillstand auf der koreanischen Halbinsel 1953...

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(Foto: Chien-Min Chung/Associated Press)

...hat es immer wieder Gesprächsversuche gegeben, so zwischen Kim Jong-il und US Außenministerin Madeleine Albright 2000.

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(Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Erst die Olympischen Spiele 2018 (Trumps Tochter Ivanka und Kim Yong Chol, ein Vertreter des nordkoreanischen Regimes)...

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(Foto: KCNA/Reuters)

...haben den Weg zu einem möglichen Treffen zwischen Kim Jong-un...

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(Foto: Getty Images)

...und Donald Trump eröffnet.

Die Sprecherin des Weißen Hauses Sarah Sanders bestätigte kurz darauf, dass Trump das Angebot annehmen wolle. Es passte, dass der Präsident einen der tiefstgreifenden Kurswechsel der US-Außenpolitik in der Geschichte auch noch selber vermeldete, natürlich über Twitter: "Treffen wird geplant."

Einen Tag später ergänzte Sanders, das Treffen könne nur stattfinden, wenn Nordkorea überprüfbare Schritte zur Denuklearisierung eingeleitet habe. Die USA seien sicher, dass Kim seine großen Versprechen wahrmachen könne. "Der Präsident ist voller Hoffnung, dass wir Fortschritte machen können", sagte Sanders. "Wir verhandeln aus einer Position der Stärke, anders als Nordkorea", sagte Sanders.

Hinter den Kulissen gab man sich im Weißen Haus anschließend Mühe, die Ereignisse als logische Konsequenz von Trumps früheren Handlungen darzustellen. Schon am ersten Tag im Amt, sagte ein ranghoher Regierungsvertreter in einer Telefonkonferenz mit Journalisten, habe der Präsident klargestellt, dass er nach 27 Jahren voller Misserfolge eine neue Politik im Umgang mit Nordkorea einschlagen werde. Eine Politik, die maximalen Druck auf das dortige Regime ausübe, wirtschaftlich wie diplomatisch. "Der Präsident hat aber immer die Türe offen gelassen für einen Dialog zum richtigen Zeitpunkt."

Über diesen Zeitpunkt war man sich selbst innerhalb von Trumps Regierung anscheinend nicht einig. Wenige Stunden vor dem Auftritt der Südkoreaner im Weißen Haus hatte US-Außenminister Rex Tillerson während einer Äthiopien-Reise noch gesagt, man sei von Verhandlungen "weit entfernt". Der Chefdiplomat ahnte da offenbar noch nichts davon, was sich später in Washington ereignen würde.

Es gibt in Washington auch Stimmen, die Zweifel anmelden

Viele Beobachter haben die Aussicht auf ein historisches Treffen begrüßt. Dies sei ein großer Fortschritt gegenüber der bisherigen Diplomatie, die aus gegenseitigen Beleidigungen bestanden habe, sagte William Perry, ehemaliger Verteidigungsminister unter Präsident Bill Clinton. Kim Jong-uns Wille zum Gespräch zeige, dass die Sanktionen funktionierten, schrieb der republikanische Außenpolitiker Ed Royce auf Twitter. Doch es gibt in Washington auch Stimmen, die Zweifel anmelden - wie jene von Wendy Sherman, einer erfahrenen früheren Diplomatin, die Teil jener amerikanischen Delegation war, die in der Amtszeit Clintons nach Nordkorea reiste und später für Barack Obama das Atomabkommen mit Iran verhandelte.

Vor einem Treffen, wie es jetzt angedacht sei, müsse klar feststehen, was die diplomatischen Ziele seien, sagte sie. Diplomatie sei positiv, sagte Sherman der New York Times, "aber diese Diplomatie muss vorbereitet sein. Das ist der Grund, warum Clinton damals nicht einfach alles fallen ließ und selber nach Pjöngjang reiste". Die ganze Situation mit Nordkorea sei eine sehr ernsthafte Sache: "Das ist keine Reality-Show."

Trump funktioniere halt anders als alle Präsidenten vor ihm, sagen dagegen seine Verteidiger, und reihen seinen unkonventionellen diplomatischen Versuch in die großen Mythen der amerikanischen Außenpolitik ein. Von einem "Nixon in China"-Moment ist die Rede. Gemeint ist damit der US-Präsident, der 1972 zu Mao Zedong reiste und die Welt mit einer dramatischen Annäherung an das kommunistische Regime überraschte. Andere denken an das Treffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow in Genf.

Sie trauen Trump Ähnliches zu. "Wir müssen von der Idee wegkommen, dass sich Trump automatisch dumm anstellen wird", sagte James Jay Carafano, Sicherheitsexperte beim konservativen Thinktank Heritage. Im direkten Umgang mit anderen Staatschefs habe der US-Präsident bisher eine gute Figur gemacht: "Das sind die Momente, in denen er brilliert."

Diese Hoffnung stützt sich darauf, dass Trump gelingen wird, was er für seine Kernkompetenz hält: den großen, ultimativen Deal. Bis jetzt hat es diesen allerdings nicht gegeben. Das gilt für die Außenpolitik, in der die USA unter Trump weder neue Handelsabkommen abgeschlossen haben, noch einer Lösung im Nahostkonflikt näher gekommen wären. Das gilt aber auch für die Innenpolitik, in der der Präsident kein einziges überparteiliches Geschäft hat verbuchen können, nicht bei der Einwanderung, nicht bei der Infrastruktur.

Das Treffen - bloß ein Fototermin?

Und selbst wenn Trump aus dem Treffen mit Kim mehr machen kann als bloß einen Fototermin, bleibt die Frage, wer die diplomatische Knochenarbeit übernimmt - wer all die politischen und technischen Schwierigkeiten aus dem Weg räumt, die jedes Abkommen mit Nordkorea beinhalten würde.

Schon seit einiger Zeit warnen außenpolitische Beobachter, dass der Abgang wichtiger Fachkräfte im US-Außenministerium den diplomatischen Apparat geschwächt hat. Joseph Yun, der Sondergesandte für Nordkorea, ist vergangenen Monat überraschend zurückgetreten. In Südkorea haben die USA auch nach 13 Monaten noch immer keinen eigenen Botschafter. Auch auf den mittleren Kaderstufen soll es an erfahrenen Unterhändlern fehlen, koreanisch sprechendes Personal sei rar. Das ist auch die Folge der früheren Politik unter Präsident Barack Obama, in der es nur wenige regelmäßige Kontakte zu nordkoreanischen Offiziellen gab.

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Kommentar von Thorsten Denkler

Drastisch formuliert hat das in diesen Tagen die Korea-Expertin Suzanne DiMaggio vom Thinktank New America Foundation. Es sei nicht sicher, ob die USA derzeit überhaupt das Personal hätten, eine ernsthafte diplomatische Offensive in Nordkorea zu starten, sagte sie dem Magazin Atlantic. Es gebe derzeit kaum mehr als einen hochrangigen US-Diplomaten, der überhaupt schon einmal einen nordkoreanischen Offiziellen persönlich getroffen habe. "Das Außenministerium ist ausgehöhlt." All dies sind Dinge, die Trump offenkundig wenig interessieren. Schon bei früherer Gelegenheit sagte der Präsident: Der einzige, der in der Außenpolitik eine Rolle spiele, sei er selbst. Der Dealmaker beim Diktator: In Trumps Welt ist das mehr als genug.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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