US-Präsidentschaft:Der Mann, der die Republikaner vor Trump retten will

October 10 2018 Washington DC U S BILL KRISTOL Editor at Large The Weekly Standard speaki

Bill Kristol gehörte jahrzehntelang zum inneren Zirkel der Republikaner - dann kam Trump.

(Foto: imago/ZUMA Press)
  • Bill Kristol ist einer der wenigen Republikaner, die Donald Trump noch öffentlich kritisieren. Er gilt als ihr inoffizieller Anführer.
  • Der Neokonservative sucht nach Kandidaten in der Partei, die bei den Vorwahlen gegen den Präsidenten antreten.
  • So glaubt er Trump schwächen zu können.

Von Alan Cassidy, Washington

Wie sehr Donald Trump die Verhältnisse in Washington auf den Kopf gestellt hat, sieht man vielleicht an keiner Person so gut wie an Bill Kristol. Mehr als drei Jahrzehnte gehörte er zum inneren Zirkel der Republikaner. Er arbeitete für die Regierungen von Ronald Reagan und George H. W. Bush. Er gründete und führte mit dem Weekly Standard die Hauszeitschrift der Neokonservativen, die in der Zeit von George W. Bush zu großem Einfluss gelangten. Er war ein enger Berater des Präsidentschaftskandidaten John McCain. "Wann immer Konservativismus und Macht zusammenfielen, befand er sich in der Nähe", schrieb der New Yorker einmal über ihn.

Dann kam Trump, an dem Kristol fast alles ablehnt, die Tiraden gegen Einwanderer, die Angriffe auf Medien und Justiz, die Sympathie für Autokraten. Kristol musste zusehen, wie sehr viele Republikaner alles mittrugen, was der neue Präsident tat und sagte - bis hin zum Punkt, an dem Kristol seine eigene Partei nicht wiedererkannte. Heute gibt es nicht mehr viele konservative Politiker und Parteigrößen, die den Präsidenten öffentlich kritisieren, aber es gibt sie noch. Kristol ist so etwas wie ihr inoffizieller Anführer.

Jetzt sinnt er auf Rache. Selbst würde er das nie so nennen, dafür ist der Mann, der an diesem Vormittag in einem Café in der Nähe des Weißen Hauses sitzt, zu sanft, zu ironisch auch. Doch auf Rache läuft es hinaus, wenn man sich vor Augen führt, was Kristol vorhat. Seit einigen Monaten schon ist der 66-Jährige daran, einen prominenten Republikaner zu suchen, der in den parteiinternen Vorwahlen um die Präsidentschaft gegen Trump antritt. Warum er das tut, erklärt er mit zwei Sätzen Geschichte: "Jeder amerikanische Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg, der keinen parteiinternen Herausforderer hatte, hat seine Wiederwahl gewonnen. Jeder Präsident hingegen, der in eine Vorwahl musste, hat die Wiederwahl verpasst."

Der Demokrat Lyndon B. Johnson gab 1968 auf, nachdem er mit Robert Kennedy und Eugene McCarthy zwei Herausforderer aus der eigenen Partei hatte. Der Republikaner Gerald Ford musste sich 1976 gegen seinen Parteikollegen Ronald Reagan wehren - und verlor schließlich die Hauptwahl gegen den Demokraten Jimmy Carter. Dieser musste vier Jahre später zuerst seinen Rivalen Ted Kennedy ausschalten - und unterlag danach Reagan. Zuletzt war es George H. W. Bush, der 1992 erst den Rechtsaußen-Politiker Pat Buchanan besiegen musste und danach gegen Bill Clinton den Kürzeren zog. Eine Kausalität lässt sich aus all dem nicht ableiten. "Zumindest ist das aber eine interessante Korrelation", sagt Kristol.

Dass ein Republikaner kaum Chancen hat, Trump in einer Vorwahl zu schlagen, weiß Kristol selbst. "Aber er kann Schaden anrichten. Ein offener Wettkampf in der Partei wird dazu führen, dass Trump von allen Seiten unter Beschuss gerät." Bevor sich der Präsident auf die Gegner bei den Demokraten einschießen könnte, wäre er absorbiert mit Angriffen aus dem eigenen Lager, und das über Monate: "Das würde ihn schwächen."

Jeder Präsident, der einen parteiinternen Herausforderer hatte, wurde nicht wiedergewählt

Kristol glaubt zu beobachten, dass sich die republikanische Basis in den vergangenen Monaten etwas vom Präsidenten distanziert hat. Er zitiert Umfragen, wonach Trumps Zustimmungsrate unter Parteigängern von 85 auf 77 Prozent gesunken ist - was immer noch viel ist. "Aber wir kommen der Sache näher", sagt er. Es gebe viele moderate Republikaner, die 2016 nur widerwillig für Trump gestimmt hätten. "50 Prozent der Basis steht total hinter Trump. 10 bis 15 Prozent der Republikaner sind gegen ihn. Der Rest sind Leute, die ihn infrage stellen, weil sie nicht glauben, dass er die Wiederwahl schafft, oder weil ihnen die Aussicht auf vier weitere Jahre Trump nicht geheuer ist." Und dann ist da noch eine andere Umfrage, die kürzlich von der Washington Post und dem Sender ABC News veröffentlicht wurde. Darin gab ein Drittel der republikanischen Parteigänger an, dass sie sich einen internen Herausforderer für Trump wünschten - Wasser auf Kristols Mühle.

Es ist nicht leicht, einen hochkarätigen Kandidaten zu überzeugen. Jemand, der sich die unweigerlichen Attacken Trumps und seiner Anhänger antun möchte, jemand, der sich von den Moderatoren von Fox News beleidigen lassen und seinen Ruf aufs Spiel setzen will für ein Unterfangen, das wenig aussichtsreich zu sein scheint. Schon länger redet Kristol deshalb mit potenziellen Bewerbern und mit Spendern, die eine Kandidatur unterstützen würden. Er spricht mit Parteispitzen in den Bundesstaaten, in denen Anfang 2020 die ersten Vorwahlen stattfinden. Kristol sieht seine Aufgabe darin, eine Infrastruktur für eine Kandidatur aufzubauen. Im Herbst hat er mit Mitstreitern eine Organisation gegründet: "Defending Democracy Together", Demokratie gemeinsam verteidigen.

Der "spalterischen Politik Trumps" etwas entgegensetzen

Einen ersten Interessenten gibt es seit Freitag: Bill Weld, früherer Gouverneur von Massachusetts, will eine Kandidatur prüfen. Er sehe es als seine moralische Pflicht an, der spalterischen Politik Trumps etwas entgegenzusetzen, sagte er. Der 73-Jährige ist allerdings außerhalb seines Bundesstaats unbekannt, bei Trump wird er keine Furcht auslösen. Dass Weld als erster Politiker seine Absicht erkläre, sei tapfer, findet Kristol: "Ich bin aber zuversichtlich, dass weitere folgen werden."

Um Trump in Bedrängnis zu bringen, wird es wohl eine Person von anderem Kaliber brauchen. Zu den Personen, die Kristol deshalb zu ermuntern versucht, gehören gemäßigte Republikaner: Leute wie John Kasich, der frühere Gouverneur von Ohio, der bereits 2016 als Präsident kandidierte, und Ben Sasse, Senator aus Nebraska. Am liebsten wäre ihm jemand wie Nikki Haley, die bis Ende 2018 Trumps Botschafterin bei den UN war - doch das scheint derzeit wenig realistisch zu sein. Der laut Kristol wahrscheinlichste Kandidat ist Larry Hogan, der moderate Gouverneur von Maryland, der nach einer Krebserkrankung in einem demokratischen Bundesstaat wiedergewählt wurde. "Ein beeindruckender Typ, dem das Wohl des Landes am Herzen liegt. Und er hat nichts zu verlieren."

Ob es die Partei schafft, eine interne Vorwahl auszurichten, ist für Kristol auch ein Gewissenstest. Selbst wenn ein Herausforderer gegen Trump unterginge, selbst wenn er dessen Wiederwahl nicht verhindern könnte: "Wir werden wenigstens gezeigt haben, dass es bei den Republikanern Leute gibt, die ernsthaft versucht haben, die Partei vor Trump zu retten." Damit, sagt Kristol, wäre schon viel gewonnen.

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