USA:Worum es bei den Wahlen in Georgia geht

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Früh am Morgen: Wahllokal in der Stadt Rome. (Foto: Brandon Bell/AFP)

Gewinnen die Demokraten zwei Senatssitze hinzu, kann der künftige Präsident Biden durchregieren. Bei der Stimmauszählung könnte es zu einem ähnlichen Phänomen wie nach der Präsidentschaftswahl kommen.

Im südlichen Bundesstaat Georgia finden an diesem Dienstag Stichwahlen um zwei Sitze im mächtigen Senat statt. Das Ergebnis der Abstimmungen wird darüber entscheiden, ob die Republikaner ihre Mehrheit verteidigen können oder ob die Demokraten neben dem Repräsentantenhaus künftig auch die andere Kongresskammer dominieren werden. Mit der Kontrolle über den Senat könnte der künftige Präsident Joe Biden durchregieren - vorausgesetzt, die Demokraten werden bei Gesetzesvorhaben oder Ernennungen von Regierungsmitgliedern an einem Strang ziehen.

Bei der ersten Abstimmung am 3. November hatte keiner der Kandidaten die nötige absolute Mehrheit erreicht (anders als im Rest des Landes muss ein Senatskandidat in dem Bundesstaat eine absolute Mehrheit erreichen, um zu gewinnen - also mehr als 50 Prozent der Stimmen). Die Demokraten Jon Ossoff und Raphael Warnock fordern die republikanischen Amtsinhaber David Perdue und Kelly Loeffler heraus.

Um eine knappe Mehrheit im Senat zu behalten, reicht den Republikanern, die bisher 52 Senatoren stellen, ein einziger Sieg. Die demokratischen Kandidaten müssten sich hingegen beide durchsetzen, damit es eine Pattsituation mit 50 zu 50 Stimmen in der Kammer gibt. Ein Patt könnte dann von Amts wegen von der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris zu Gunsten der Demokraten aufgelöst werden.

Die Wahllokale sollten um 19 Uhr (Ortszeit/Mittwochmorgen um ein Uhr MEZ) schließen. Es war zunächst noch unklar, wann es belastbare Ergebnisse geben wird. Das liegt auch an der Corona-Pandemie, wegen der Hunderttausende Bürger von der Briefwahl Gebrauch gemacht haben. Insgesamt haben nach Statistiken des "Elections Project" rund drei Millionen der etwa 7,2 Millionen in Georgia registrierten Wähler vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimmzettel per Brief oder persönlich im Wahllokal abgegeben.

Die Auszählung könnte länger dauern

Bei der Präsidentenwahl im November dauerte es zunächst drei Tage, bis bekanntgegeben wurde, dass Biden in dem Bundesstaat besser abgeschnitten hatte als Trump. Sein Vorsprung betrug weniger als 12 000 Stimmen, bei einer Beteiligung von etwa fünf Millionen Wählern. Eine ähnliche Verzögerung könnte es auch bei den Stichwahlen um die Senatssitze geben, sagte Walter Jones, ein Sprecher des Wahlleiters Brad Raffensperger. Die Wahlhelfer dürfen erst nach Schließung der Stimmlokale mit der Auszählung beginnen.

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Der US-Präsident will vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Berichten zufolge noch Dutzende Amerikaner begnadigen - sich selbst und seine Familie aber wohl nicht. Sein Nachfolger Biden will am Tag seines Amtsantritts wichtige Vorhaben per Dekret umsetzen.

Fast eine Million Briefwahl-Unterlagen liegen bereits vor, wie aus Behördendaten hervorgeht. Hinzu kommen mehr als zwei Millionen Stimmen von Frühwählern, die die Möglichkeit nutzten, bereits vor dem eigentlichen Wahltermin in Stimmlokalen persönlich abzustimmen.

Die schon abgegebenen drei Millionen Stimmen dürften noch in der Wahlnacht relativ rasch ausgewertet sein, denn Vorabprüfungen wie etwa der Abgleich von Unterschriften auf Briefwahlzetteln konnten bereits vorgenommen werden. Als langwierig könnte sich aber die Auszählung der Briefwahlunterlagen erweisen, die erst noch im Laufe des Wahltags eintrudeln. Umschläge müssen geöffnet werden, es folgt eine Prüfung der Unterschriften, und schließlich müssen die Stimmzettel noch in die Zählmaschinen geladen werden. Hinzu kommen voraussichtlich Hunderttausende Stimmen von Wählern, die klassisch am Wahltag in den Wahllokalen persönlich abstimmen.

Die "rote Fata Morgana" und die "blaue Verschiebung"

Womöglich haben wie schon bei der Präsidentenwahl überwiegend Anhänger der Demokraten ihre Stimme per Briefwahl abgegeben. Es könnte daher zu einem ähnlichen Phänomen wie im November kommen. Damals lag zunächst Trump in Führung, doch je mehr Briefwahl-Stimmzettel ausgewertet wurden, umso mehr drehte sich das Ergebnis zugunsten Bidens. Wahlforscher sprechen in Anlehnung an die Parteifarben - rot für die Republikaner und blau für die Demokraten - von einer "roten Fata Morgana" ("red mirage"), gefolgt von einer "blauen Verschiebung" ("blue shift").

Das Ergebnis der Präsidentenwahl in Georgia wurde wegen des knappen Ausgangs zwei Mal nachträglich überprüft: zunächst per Hand und dann noch einmal unter Verwendung von Computer-Scannern. Endgültig bestätigt wurde Bidens Sieg in dem Bundesstaat somit erst gut zwei Wochen nach der eigentlichen Wahl.

Auch bei den Senats-Stichwahlen gibt es Szenarien für eine Nachzählung. So darf ein unterlegener Kandidat in Georgia eine Nachzählung erzwingen, wenn der Vorsprung seines Rivalen 0,5 Prozent der Stimmen oder weniger beträgt. Außerdem kann eine Überprüfung beantragt werden, wenn ein Fehler bei der Erfassung der Ergebnisse vermutet wird. Aber auch auf lokaler Ebene können Wahlleiter einzelner Bezirke Nachzählungen anordnen, bevor die Ergebnisse offiziell bestätigt werden.

Am Montag hatte der Demokrat Biden in Georgias Hauptstadt Atlanta eindringlich für Ossoff und Warnock geworben, die in Umfragen leicht in Führung lagen. "Morgen kann ein neuer Tag für Atlanta, für Georgia und für Amerika sein", sagte der gewählte Präsident. Mit Blick auf die beiden demokratischen Kandidaten fügte er hinzu: "Sie sind prinzipientreu, sie sind qualifiziert. Sie sind ehrenhaft, sie meinen, was sie sagen."

Trump gibt sich weiterhin nicht geschlagen

Trump rief dagegen bei einem Wahlkampfauftritt in Dalton nördlich von Atlanta dazu auf, für die Republikaner Perdue und Loeffler zu stimmen. "Das könnte die wichtigste Stimme sein, die ihr für den Rest eures Lebens abgeben werdet", sagte er vor Tausenden Anhängern. Ossoff und Warnock seien "Extremisten, die alles zerstören würden, was den Patrioten in Georgia am Herzen liegt". Trotz der bevorstehenden Vereidigung Bidens am 20. Januar will Trump weiterhin mit aller Macht an seinem Amt festhalten. "Sie werden das Weiße Haus nicht erobern, wir werden wie der Teufel kämpfen", sagte er in Dalton.

In seiner Ansprache wiederholte Trump seine bekannten und unbelegten Wahlbetrugsvorwürfe. Der Republikaner behauptete erneut, er habe die Wahl am 3. November klar gewonnen. Tatsächlich hat nach den offiziellen Ergebnissen aus den Bundesstaaten eindeutig Biden gesiegt. Trumps Lager ist mit Dutzenden Klagen gegen das Wahlergebnis gescheitert, auch vor dem Obersten Gericht der USA in Washington.

Trump behauptet, auch in Georgia klar gewonnen zu haben. Der Sieg sei ihm aber von Biden durch Tricks gestohlen worden, und zwar unter Mithilfe des republikanischen Gouverneurs Brian Kemp sowie des republikanischen Innenministers Brad Raffensperger. Beweise für den Vorwurf gibt es nicht.

Am Sonntag veröffentlichte die Washington Post den Mitschnitt eines Telefonats zwischen Trump und Raffensperger vom Vortag. Darin ist zu hören, wie er den Innenminister von Georgia praktisch zum Wahlbetrug drängt. Raffensperger solle gefälligst genügend Stimmen "finden", um Trump zum Sieger in Georgia zu machen, fordert der Präsident auf dem Band.

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